Goslar. Mit einiger Sorge blicke man beim BUND Westharz auf die Pläne, die der Regionalverband Braunschweig und HarzBus vor einigen Tagen in Goslar vorgestellt haben (regionalHeute.de berichtete). Sie entsprechen zwar dem neuen Nahverkehrsplan der Region, würden aber in keiner Weise aktuelle Entwicklungen wie die Einführung der kostenlosen Beförderung von Urlaubsgästen im Linienbusverkehr (HATIX) berücksichtigen. Dazu nimmt der BUND Westharz Stellung.
„Wenn hier nicht von Anfang an ganz sauber gearbeitet wird, könnte der Schuss nach hinten losgehen und der Ruf von HATIX im Westharz schwersten Schaden nehmen. Einen ganzen Landstrich wie den zwischen St. Andreasberg und Altenau auf ein rein bedarfsorientiertes System umzustellen, welches einerseits mehr Fahrten als heute vorsieht und den bisherigen Standard für Kunden in Bezug auf Fahrräder und so weiter erhalten will, andererseits aber weniger hohe Kosten verursachen soll als der heutige Fahrplan, ist ein gewagtes Unterfangen“, so Michael Reinboth, der sich im Harzer ÖPNV seit Jahrzehnten bestens auskenne und für den BUND im Vorfeld der Verabschiedung des Nahverkehrsplans entsprechende Bedenken vorgetragen habe, die jedoch allesamt nicht berücksichtigt worden seien.
Bedenken des BUND nicht berücksichtigt?
„Wir wollen eine verlorene Schlacht nicht nachträglich gewinnen. Der Nahverkehrsplan wurde von Leuten beschlossen, die allesamt den Linienbusverkehr so gut wie nie nutzen und auch noch nie einen Rufbus bestellt haben. Uns geht es darum, mehr Fahrgäste in die Linienbusse des Harzes hineinzubekommen und auch im Harz die Verkehrswende herbeizuführen. Und da halten wir die Zerstückelung eines ganzen Netzes, seine Auflösung in regelmäßig fahrende und nur noch auf Anruf verkehrende Kurse und damit die Zerlegung bisher bestehender Transportketten in Einzelteile gerade angesichts der jüngst erfolgten Einführung von HATIX für sehr bedenklich. Es erschließt sich uns nicht, dass man nicht wenigstens die Erfahrung von einem Jahr HATIX abwarten konnte", sagt Reinboth weiter.
Ein Jahr HATIX abwarten
Reinboth nennt ein Beispiel: Wer – im Zeichen von HATIX – eine Fahrt über den Harz von Bad Lauterberg nach Goslar unternehmen will, könne dies heute noch mittels mehrerer regulärer Fahrten mit klassischen Linienbussen tun. Er müsse je nach Tag und Stunde nur einmal in St. Andreasberg, gegebenenfalls ein zweites Mal in Clausthal-Zellerfeld, umsteigen. Künftig müsste er bedenken, dass er zwischen St. Andreasberg und Altenau einen Rufbus bestellen müsse, denn die regulären Kurse verkehren nur noch bis St. Andreasberg und wieder ab Altenau. Für die zeitlich noch gar nicht bestimmbare Rückfahrt gelte dies ebenso. Ob der Anschluss in St. Andreasberg auf der Rückfahrt klappt, sei ungewiss. Ob der Rufbus pünktlich vorfährt, ebenso. „Das macht keiner mit“, erklärt Reinboth. Vor allem dann nicht, wenn die Verbandsgrenzen überschreitende Kommunikation wie üblich nicht funktioniere und in Bad Lauterberg niemand die Konditionen und die Telefonnummern kenne.
Blick über den Tellerrand
Michael Reinboth weiter: „Nach den bitteren Erfahrungen in Braunlage, wo es bis heute nicht gelungen ist, den Aushangkrieg zwischen zwei Verkehrsunternehmen zu beenden und eine für die Kunden gute Lösung zu finden, sehen wir hier schwarz. Da wird einfach nicht über den Tellerrand geguckt. Für St. Andreasberg wird es Informationen im Vorfeld geben, für die Orte im Südharz, deren Gäste diese Verbindungen auch nutzen könnten und wollen, wahrscheinlich nicht. Es sei denn, es geschehen noch Zeichen und Wunder.“
Nachteil für den Südharz
Die relativ niedrigen Fahrgastzahlen zwischen Altenau und St. Andreasberg seien auch dem BUND bekannt. Er führe sie auf das ständige Umsteigen und die intransparente Fahrplangestaltung der Linie 840 zurück, die feste Fahrten ebenso wie Ruftaxis kenne und bei der bis heute aus dem Fahrplan nicht klar hervorgehe, wo man in Clausthal-Zellerfeld denn eigentlich umsteigen muss. Einheimische kommen zurecht, Gäste nicht. Auch die Tatsache, dass man durch viel Wald und wenig Orte fahre, sei klar. Reinboth: „Einfach ist es hier nicht, Kunden zu generieren. Insoweit muss man auch über neue Konzepte nachdenken. Aber diese völlig parallel zur gewollten Belebung des Linienverkehrs durch HATIX zu betreiben, ist schon ärgerlich.“ Eine aktive Bewerbung dieser Linie, die die meisten Stätten des Weltkulturerbes Oberharzer Wasserwirtschaft anbinde, sei nie erfolgt.
Erwartungen des BUND
Der BUND will sich dem neuen Konzept nicht verschließen, erwarte jedoch unter anderem
eine umfassende und rechtzeitige Information der Bevölkerung nicht nur im Kreis Goslar,
einen besseren Fahrplan als den heutigen, also ein stündliches Fahrtenangebot an allen Tagen der Woche,
einen auskömmlichen und qualitativ hochwertigen Fuhrpark, der den Bedingungen der Barrierefreiheit genügt,
eine klare Kennzeichnung der eingesetzten Fahrzeuge, damit sie für Dritte auch erkennbar sind,
hinreichend Sprachkenntnisse des eingesetzten Personals,
von Anfang an ausreichend Personal in der Anrufzentrale und das bedingungslose Einhalten der Qualitätsstandards in Bezug auf
Vormeldezeit, Pünktlichkeit und Mitnahme von Fahrrädern, Kinderwagen, Rollatoren, Wandergruppen und so weiter.
„Wir werden die weitere Entwicklung sehr genau beobachten, um Schaden vom Harz abzuwenden. Im Vorfeld versprechen kann man als Geschäftsführer viel. Das gab es schon oft, auch, dass es anschließend nicht gehalten und nach faulen Ausreden wie „Anlaufschwierigkeiten“, „Fahrzeuge alle gerade unterwegs“ und anderen gesucht wurde. Schon viele sind als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger wieder gelandet. Dann aber ist der Schaden für den Tourismus schon eingetreten. Das muss unter allen Umständen verhindert werden“, ergänzt Michael Reinboth.
Feste Linie vorerst beibehalten
Der BUND schlägt vor, für eine Übergangszeit die bisherigen festen Linienfahrten auf der 840 beizubehalten und das Anrufsystem Schritt für Schritt zu installieren, um für alle Fälle eine Rückfallebene zu haben.
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