Harzer Luchsprojekt erfolgreich - Tiere breiten sich weiter aus

Die genetische Langzeitinventur der ausgewilderten Harzluchse belegt einen positiven Trend.

Eine Luchsin durchquert mit Ihren Jungtieren einen Fotofallenstandort. Einige wenige gut etablierte Tiere bekommen in jedem Jahr Nachwuchs. Sie bilden das Rückgrat der Luchspopulation.
Eine Luchsin durchquert mit Ihren Jungtieren einen Fotofallenstandort. Einige wenige gut etablierte Tiere bekommen in jedem Jahr Nachwuchs. Sie bilden das Rückgrat der Luchspopulation. | Foto: Luchsprojekt Harz/Nationalparkverwaltung Harz

Frankfurt/Harz. In enger Zusammenarbeit haben Forschern des Nationalparks Harz und des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt die genetische Struktur der Harzluchse seit ihrer Auswilderung unter die Lupe genommen und mit anderen Vorkommen verglichen. Die Studie wurde nun in der internationalen Fachzeitschrift „Conservation Genetics“ veröffentlicht. So haben die ausgewilderten Harzluchse teilweise Strecken von zwischen 160 und 280 Kilometern zurückgelegt. Dies teilt die Nationalparkverwaltung Harz in einer Pressemitteilung mit.


Neben dem standardmäßig durchgeführten Monitoring aus Kontrollen von Luchs-Beuteresten, Fotofallennachweisen und der Auswertung von Sichtungen wurden zwischen 2001 und 2016 im gesamten Vorkommensgebiet der sogenannten Harzpopulation 379 DNA-Proben gesammelt und im Labor für Wildtiergenetik der Senckenberg-Außenstelle im hessischen Gelnhausen analysiert. Mittels der vor allem anhand von Spurenmaterial wie Haaren, Kot oder Speichel von gerissenen Beutetieren erhaltenen DNA-Profile hätten sich 105 Luchs-Individuen genetisch identifizieren lassen.

„Ein besonderer Erfolg war dabei, wenn es gelang, einen Luchs zum Beispiel an einem gerissenen Reh mit der Fotofalle abzulichten und nach der Analyse der dort gesammelten Speichel- oder Haarprobe das genetische Profil desselben Tieres zur Verfügung zu haben. Durch die Zusammenführung von Foto- und DNA-Daten ließ sich so die Lebensgeschichten etlicher Tiere vervollständigen. Hierdurch haben wir nun ein viel deutlicheres Bild der Populationsentwicklung“, berichtet Ole Anders, Koordinator des Luchsprojekts beim Nationalpark Harz.

Die Harzpopulation sei vor 20 Jahren aus der Auswilderung von Luchsen aus Zoos und Wildparks hervorgegangen. Durch die Verwendung hochauflösender DNA-Methoden hätten die Forscher die Nachkommen der ausgewilderten Harzluchse schon wenige Jahre nach Gründung der Population genetisch von Tieren aus Zoos oder anderen wildlebenden Populationen unterscheiden können.

Die DNA-Proben seien in einer Distanz von bis zu rund 160 Kilometern zum Harzrand gesammelt worden. Mit den Methoden des Standardmonitorings sei es darüber hinaus sogar gelungen nachzuweisen, dass einzelne Männchen zwischen zwei Bestätigungen bis zu 280 Kilometer zurücklegten. Kritiker des Harzer Luchsprojektes hätten anfangs infrage gestellt, ob es den Luchsen gelingen könne, den Harz zu verlassen und in andere Gebiete abzuwandern, da das Mittelgebirge von teils sehr waldarmen Landschaften umgeben ist. Die nun veröffentlichten Daten würden aber ebensolche Wanderungen zweifelsfrei belegen. Die für den langfristigen Erhalt der Art entscheidend wichtige Vernetzung mit anderen Populationen sei also auch in unserer zerschnittenen Kulturlandschaft prinzipiell möglich.

Bestand wächst weiter



Erfreulich ist ferner, dass der Luchsbestand im Harz und seiner Umgebung weiter anwachse und sich dabei räumlich ausdehne. Das Vorkommensgebiet der Harzpopulation umfasse heute mehr als 8.500 Quadratkilometer und berühre mehrere Bundesländer. Der genetisch rekonstruierte Stammbaum der Harzluchse belege, dass sich von den 105 identifizierten Luchsen immerhin 25 mit Sicherheit fortgepflanzt haben. Hierbei handele es sich in der Regel um gut etablierte Individuen. Forschungen in anderen Luchspopulationen würden bestätigen, dass sich darin meist nur eine relativ kleine Anzahl von Tieren erfolgreich vermehrt. Diese seien für den Fortbestand der Population von entscheidender Bedeutung.

Inzucht vorbeugen - Genetische Vielfalt erhalten



Trotz der Ausbreitung der Tiere nehme die - verglichen mit anderen wieder angesiedelten Populationen - derzeit noch vergleichsweise hohe genetische Vielfalt durch die nach wie vor bestehende Isolation des Bestandes von Generation zu Generation ab. „Wir haben zu diesem Zeitpunkt erfreulicherweise mit der Harzpopulation ein sehr vitales Vorkommen dieser bedrohten Wildtierart mitten in Deutschland, das sich offensichtlich ausbreitet", sagt Tobias Reiners, Senckenberg-Forscher und Mitautor der Studie. „Dennoch belegen unsere Ergebnisse, dass wir langfristig unbedingt eine Vernetzung mit anderen Luchsvorkommen benötigen, um die genetische Vielfalt der Population zu erhalten und Inzucht vorzubeugen“. Einen Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen, gäbe es also nicht. Die intensiven Bemühungen um einen langfristigen Erhalt dieser Wildtierart in Deutschland müssten weitergehen.

Ein in diesem Zusammenhang spektakulärer Befund sei jüngst im Rhein-Main-Gebiet gelungen: Ein Anfang des Jahres in der Umgebung des Wildparks Alte Fasanerie in Hanau gesichteter Luchs habe sich nach der Analyse genetischer Proben als Harzluchs erwiesen. Das Tier wäre also kein Tierparkflüchtling gewesen, wie zuerst angenommen, sondern habe die Strecke von gut 200 Kilometer Luftlinie eigenständig zurückgelegt. Der Wildpark Alte Fasanerie habe vor zwei Jahrzehnten eine der ersten weiblichen Luchse für die Auswilderung im Harz zur Verfügung gestellt. Das jetzt aufgetauchte Luchsmännchen habe diesen Zusammenhang vermutlich nicht gekannt, aber dennoch versucht mit den Luchsweibchen im Gehege anzubändeln, denn wildlebende Geschlechtspartnerinnen dürften so weit entfernt von der Harzer Quellpopulation kaum zu finden sein. Nach zwanzig Jahren habe also ein Nachkomme der Auswilderungstiere quasi zu seinen Ursprüngen zurückgefunden. „Mit dem Ende der Paarungszeit hat das Männchen sein Interesse an den Artgenossinnen hinter dem Zaun allerdings wieder verloren und es ist vorerst Ruhe eingekehrt im Wildpark“, schließt Anders.

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeite die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft seien die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden würden die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen zeigen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main werde von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.


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