Heiße Phase bei Wahleinsprüchen - Grüne PARTEI 42 will es gerichtlich klären

Alles deutet darauf hin, dass der "formelle Wahlfehler" in Goslar so oder so vor Gericht landet. Die Lage ist verzwickt.

von


Urte Schwerdtner, designierte Oberbürgermeisterin der Stadt Goslar.
Urte Schwerdtner, designierte Oberbürgermeisterin der Stadt Goslar. | Foto: Axel Otto

Goslar. Urte Schwerdtner wird trotz eines formellen Wahlfehlers in Goslar ihre unüblich lange, fast zehnjährige Amtszeit als Oberbürgermeisterin 2022 antreten. Über vier Wahleinsprüche soll der Rat nun entscheiden. Doch auch eine Beratung mit drei Rechtsexperten aus Innenministerium, Städtetag und der kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen in einer öffentlichen Infoveranstaltung am vergangenen Freitag warf kein neues Licht auf die Frage der überlangen Amtszeit. Besonders frustriert zeigt sich die Gruppe "Grüne PARTEI 42" - sie will den Rat aus der Angelegenheit raus haben und die Angelegenheit vor Gericht klären lassen.


"Wirklich schlauer sind wir jetzt auch nicht", stellt die Grüne Sabine Seifarth in einer Pressemitteilung ihrer Gruppe fest und erzählt: "Die drei Verwaltungsjuristen haben auf massive Versäumnisse und Fehler bei der Durchführung und Organisation der Wahl verwiesen, was in ihren Augen aber nicht reiche, den Wahleinsprüchen stattzugeben." Sie appelliert daher an die Ratsfraktionen, die Angelegenheit durch die unabhänige Justiz prüfen zu lassen. "Ausgerechnet das Gremium soll darüber entscheiden ob die Wahl unserer künftigen Oberbürgermeisterin rechtens und auch in der angedachten Amtszeit berechtigt ist, das im Vorfeld der Wahl den Fehler nicht entdeckt hat und auch bei anderen Fragen rechtsunsicher war", so Seifarth im Hinblick auf die kommende Ratssitzung. Der Teufel steckt hier jedoch im Detail, denn Schwerdtners Amtszeit von neun Jahren und zehn Monaten ist durch einen Wahleinspruch überhaupt nicht angreifbar - sie ergibt sich aus geltender Rechtslage.



Die "zweite" Amtszeit von Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk begann am 1. Januar 2014 und reicht mit einer Wahldauer - vor der Amtszeitreform - von acht Jahren bis zum 31. Dezember 2021. Seine letzte Wahl fand außerhalb der üblichen Reihenfolge statt, Grund dafür ist die Fusion mit der Stadt Vienenburg, die eine Neuwahl nötig machte. Aufgrund dieser Tatsache handelte es sich bei der jüngsten Wahl zum Hauptverwaltungsbeamten der Stadt Goslar um eine sogenannte "Einzelwahl", deren Wahltermin durch den Rat der Stadt Goslar hätte festgelegt werden müssen. Da das nicht aufgefallen war, wurde das Gremium übergangen und der Wahltermin auf den Tag der Bundestagswahl gelegt. Ein formeller Wahlfehler, wie auch die Stadt Goslar einräumt. Zur Ungültigkeit der Wahl führt das jedoch noch nicht, denn es muss belegt werden können, dass sich der Wahlausgang mit einem durch den Rat festgelegten Wahltag wesentlich geändert hätte - die sogenannte "Mandatsrelevanz". Hier meinen die Stadtverwaltung Goslar und die drei Verwaltungsrechtsexperten unisono, dass sie diese Tatsache nicht gegeben sehen. Der Vorsprung von Schwerdtner war in beiden Wahlgängen eindeutig. Die Wahl wurde also inkorrekt vorbereitet, jedoch mit eindeutigem Ergebnis korrekt durchgeführt.

"Man müsste das Gesetz ändern"


Für eine weitere Forderung aus den Wahleinsprüchen, die Amtszeit der neuen Oberbürgermeisterin auf fünf Jahre zu begrenzen, gebe es nach Informationen von regionalHeute.de schlicht keine Rechtsgrundlage. "Die Wahldauer ist mit den Wahleinsprüchen nicht angreifbar, denn die Wahlzeit ergibt sich aus dem Gesetz, da müsste ein anderes Rechtsmittel gewählt werden. Man müsste das Gesetz ändern, zum Beispiel im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens", so eine Juristin gegenüber unserer Redaktion. Auch die Tatsache, dass die lange Amtszeit vor der Wahl nicht bekannt gewesen sei, ändere daran nichts. Es gebe keine Vorschrift im Gesetz, die zur Information der Öffentlichkeit über die Wahldauer verpflichtet - zumal das Gesetz öffentlich einsehbar ist. Verhindern können hätte Schwerdtners lange Amtszeit ausgerechnet der derzeitige Amtsinhaber Oliver Junk. Wäre die Problematik der Einzelwahl im Frühjahr bekannt gewesen, hätte dieser bis zum April per Erklärung an die Kommunalaufsicht im Falle einer Wahlniederlage freiwillig auf drei Monate seiner Amtszeit verzichten können - dann hätte Schwerdtner ihr Amt am 1. November antreten können. Die Wahlperiode wäre damit planmäßig nach fünf Jahren zum 31. Oktober 2026 beendet gewesen.

Wie geht es weiter?


Der Rat hat am Dienstag die Wahl. Stimmt er der Verwaltungsvorlage zu, werden die Wahleinsprüche zurückgewiesen. Den Urhebern der Einsprüche - dem CDU Stadtverband, Rüdiger Wohltmann, Uwe Zinkler und dem CDU Kreisverband - stünde damit der Klageweg beim Verwaltungsgericht offen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Lehnt der Rat die Verwaltungsvorlage ab, wird den Einsprüchen stattgegeben. Dann können der Goslarer Wahlleiter und die Landeswahlleiterin vor dem Verwaltungsgericht klagen. Was würde am Ende folgen? Richtig, eine Neuwahl, bei der die Bürgerinnen und Bürger erneut einen Hauptverwaltungsbeamten oder eine Hauptverwaltungsbeamtin bis zum Jahr 2031 wählen können. Wer also wann und warum klagt und mit welchem Ausgang ist völlig offen - alles hängt von einer Entscheidung am Dienstag ab. Die fünf Abgeordneten der Grünen PARTEI 42 hätten die Angelegenheit lieber gleich vor Gericht: "Wenn sich vor dem Verwaltungsgericht als richtig erweist, was die Verwaltung vorgelegt hat, kann hinter das unsägliche Thema ein dicker Haken gemacht werden und es ist ein für alle Mal vom Tisch - daran sollten alle Beteiligten ein großes Interesse haben."


mehr News aus Goslar