Harz. Mehr als drei Wochen ist es her, dass bis zu 1.500 Anhänger der so genannten Rainbow-Family ihre Zelte illegal in einem Landschaftsschutzgebiet im Wald zwischen Bad Grund und Buntenbock aufgeschlagen haben. Mit dem Entzünden zahlreicher Feuerstellen sowie der Blockade von Rettungs- und Fluchtwegen haben die „Rainbow-Camper“ massiv und wiederholt gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen, die in der Folge eine Vielzahl ordnungsbehördlicher Maßnahmen sowie die Durchführung mehrerer Großeinsätze mit Unterstützung der Polizei erforderlich machten.
Inzwischen befindet sich das Zeltlager - das mit Blick auf die Anzahl der Teilnehmenden stets von einer großen Dynamik geprägt gewesen sei - nach den Beobachtungen der verantwortlichen Stellen in Auflösung. Aus diesem Grund ziehen die Landkreise Göttingen und Goslar eine erste umfassende Bilanz der vergangenen Wochen. So geht aus einer Pressemitteilung hervor.
Ärger über das Verhalten
Goslars Landrat Dr. Alexander Saipa, der sich schon sehr früh ein Bild von der Lage vor Ort machte, persönlich mit den Mitgliedern der Rainbow-Family ins Gespräch kam und an deren Vernunft appellierte, hat inzwischen genug von den leeren Versprechungen der „Hippiegemeinschaft“ und bezeichnet deren Verhalten als absolut indiskutabel: „Was wir hier über fast den gesamten August erleben mussten, stimmt mich ausgesprochen ärgerlich. Die Rainbow-Family, die sich selbst als friedliebende Naturfreunde bezeichnen, haben mit einer unnachahmlichen Renitenz gegen die gesetzlichen Regelungen sowie Verbote und Aufforderungen der Behörden verstoßen und sich ausgesprochen flegelhaft und fahrlässig verhalten. Ich bezweifle zudem, dass wir uns auf die angekündigten Aufräumaktionen im Nachgang wirklich verlassen können. Hier wurde massiv viel Müll verursacht, tonnenweise Notdurft in der Natur hinterlassen und durch illegale Feuerstellen eine mitunter nicht zu kontrollierende Gefahr für Leib und Leben produziert.“
Weniger friedlich als propagiert
Ähnlich äußert sich auch Kreisrätin Marlies Dornieden, Dezernentin für öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Göttinger Kreisverwaltung, die sich dreimal vor Ort ein Bild gemacht hat: „In einem Rechtsstaat gilt das Recht für alle, ohne Ausnahme. Es ist daher unerlässlich, dass wir als Behörden auch gegenüber Gästen entschlossen handeln, die unsere örtlichen Regeln eklatant missachten und damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Mit ihrem Verhalten haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Rainbow-Family erhebliche Risiken verursacht beziehungsweise zumindest billigend in Kauf genommen, denn aufgrund der sommerlichen Wetterlage ist und war der Graslandfeuerindex gefährlich hoch angestiegen. Die von der Rainbow-Family daher immer wieder selbst propagierten friedlichen Absichten stehen im Widerspruch zu den tatsächlichen Auswirkungen ihres Verhaltens. Die Natur wurde durch illegale Feuerstellen und Wasserleitungen, wildes Campen und unzulässiges Befahren einzelner Waldflächen sowie die mehrere Tonnen umfassende Hinterlassenschaft von Notdurft erheblich geschädigt – eine unvermeidliche Folge bei einer derart großen Ansammlung von Menschen.“
Vorgehen der Behörden
Eine Auflösung des Zeltlagers stellte sowohl für die Göttinger als auch die Goslarer Ordnungsbehörden keine Option dar, weil bei staatlichen Handlungen stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Kreisverwaltungen schon sehr früh darauf verständigt, ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot für das Gebiet zu verfügen, die Rainbow-Camper stetig und mit Nachdruck zur Abreise aufzufordern sowie durch die Löschung von Feuerstellen, der Konfiszierung von Zelten und dem Abschleppen von falsch geparkten Fahrzeugen Gefahr abzuwenden.
Eine Auflösung des Camps sei auch mit Blick auf die Größe des Areals unrealistisch gewesen, zumal sich eine solche Fläche auch nicht vollständig abriegeln lassen würde, um ein erneutes Eindringen zu verhindern. Die Liste der durchgeführten ordnungsbehördlichen Maßnahmen, bei denen auch die Unterstützung der Polizei angefordert wurde, sei mittlerweile sehr lang. So wurden beispielsweise 70 Zelte respektive zeltähnliche Gegenstände konfisziert, 97 Fahrzeuge abgeschleppt, mehrere Feuer gelöscht und unzählige Ansprachen und Durchsagen gemacht. Rückblickend werten die Landkreise ihre Aktionen als Erfolg, wenngleich das ursprünglich gewünschte Ziel, die Zusammenkunft frühzeitig zu beenden, nicht geglückt ist. Und auch die Versuche, einen geeigneten Ausweichplatz zu finden, verliefen ohne Ergebnis.
Dazu Landrat Dr. Saipa: „Wir haben Gefahr abgewendet, das war unsere wichtigste Aufgabe. Von daher sind unsere Maßnahmen auch in ihrem Umfang absolut angemessen gewesen. Dennoch werde ich zeitnah das Gespräch mit der Landesregierung suchen um zu erörtern, welche anderen Handlungsoptionen für die Zukunft bestehen könnten.“
Etliche Zwischenfälle
Das Bild, für den Weltfrieden und ein gewaltloses Miteinander einzustehen, welches sich die Mitglieder der Rainbow-Family in der Öffentlichkeit gerne zuschreiben lassen wollen, habe in den vergangenen Wochen immer wieder Risse bekommen. Zwar hätten die Campenden in der Regel friedlich und ohne körperliche Gewalt auf die Einsätze der Behörden reagiert, es habe jedoch auch verschiedene Zwischenfälle gegeben.
So versuchten 13 Menschen am 27. August den Abschleppvorgang eines Fahrzeuges zu verhindern, indem sie sich teilweise auf den Boden setzten oder sich den Einsatzkräften in den Weg stellten. Diese Menschen wurden nach Ansprache der polizeilichen Einsatzkräfte weggetragen oder zur Seite geschoben, um den Abschleppvorgang zu ermöglichen. Eine männliche Person leistete dabei Widerstand und bespuckte die Einsatzkräfte, fassen die Behörden zusammen.
In einem anderen Fall betrat ein Angehöriger der Rainbow-Family widerrechtlich das Grundstück der Feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ)
Goslar.
Zahlreiche Teilnehmer der illegalen Großveranstaltung müssen in den nächsten Wochen mit Post aus Goslar und Göttingen rechnen. Insgesamt haben die Behörden bislang 110 Bußgeldverfahren eingeleitet. Je nach Grad der Schwere und ob es sich um Wiederholungsfälle handelt, können die Geldbußen zwischen 300 bis 5.000 Euro liegen.
Journalisten Zugang verwehrt
Selbstkritisch beleuchten die Landkreise im Nachgang auch nochmals den Umgang mit der Presse im Zuge eines der Großeinsätze am Montag, 18. August. Hier wurden Journalisten abgewiesen und durften das Areal nicht betreten.
Die Situation sei im Hinblick auf die Arbeit der Pressevertretungen falsch eingeschätzt worden, was im Nachgang auch vollkommen zurecht kritisiert wurde, räumen die Behörden ein. Außerdem sei den Verantwortlichen in beiden Kreisverwaltungen viel daran gelegen, die Öffentlichkeit gemäß ihrer gesetzlichen Verpflichtung transparent und umfassend mit Informationen sowie weiteren Medieninhalten zu versorgen.
Die Behörden behielten die illegalen Camper die ganze Zeit über im Auge. Foto: Landkreis Goslar / Stefan Sobotta
Auswirkungen des camps
Was die entstandenen Kosten für die mehrwöchigen Einsätze betrifft, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Diese Zahlen sollen nachgeliefert werden.
Das wochenlange Zeltlager habe natürlich auch Auswirkungen auf die Natur. Durch die Verrichtung der Notdurft stieg der Nitratgehalt im Boden naturgemäß an, so die Behörden. Der Waldboden sei zertrampelt, Bodenbewuchs liegt darnieder und Moosflächen wurden aufgebrochen und zerstört. Hinzukommt die Entwendung von Holz aus dem Naturwald zum Feuer machen sowie die Förderung von Grundwasser zur Trinkwasserversorgung.
Die Ankündigungen einiger Mitglieder der Rainbow-Family mit einer Sammelklage gegen die Maßnahmen der Behörden vorzugehen, wollen die Landkreise abwarten. In beiden Verwaltungen wird die klare Auffassung vertreten auf Grundlage des geltenden Rechtes gehandelt zu haben. Laut Aussagen eines Mitglieds der Rainbow-Family sollen alle Feuer in der Nacht vom gestrigen Montag (2. September) auf den heutigen Dienstag (3. September) gelöscht werden. Die Abreise der meisten Campbewohner soll im Laufe des heutigen Tages erfolgen. Zurückbleiben, so die Auskunft der Sprecherin, werden etwa 20 bis 30 Personen die sich um das angekündigte Aufräumen kümmern wollen. Die Landkreise und die Landesforsten wollen die Entwicklungen genauestens im Auge behalten.
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