Braunschweig/Braunlage. Vor dem Braunschweiger Landgericht wurde am Montagmorgen das Verfahren gegen den Ehemann der getöteten Küsterin aus Braunlage neu eröffnet. Grund war die Neubildung der Gerichtsbesetzung. Zwei Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt.
Der Angeklagte, der heute 56-jährige Siegfried C. wurde, begleitet von seinem Anwalt Michael Hoppe, im Rollstuhl in den Gerichtsaal geschoben. Offenbar ging es dem Mann, der im November 2012 seine Frau erschossen hat, am heutigen Verhandlungstag gesundheitlich nicht gut. Schon zu Beginn des Prozesses wurde ein ärztliches Gutachten verlesen, das belegt, dass der Angeklagte durch bedingt Handlungsfähig ist. Maximal vier Stunden je Verhandlungstag seien dem Angeklagten aufgrund seines Gesundheitszustands zuzumuten. Hier müssten jedoch mehrere Pausen eingelegt werden. Zu Beginn der Verhandlung wurden erneut Anklage- und Urteilsschrift verlesen. Schwer atmend und mit schmerzverzerrtem Gesicht saß er neben seinem Verteidiger, ließ den Blick immer wieder in dessen Richtung und in die Zuschauerreihen schweifen. An der heutigen Verhandlung nahm auch der heute 23-jährige Sohn des Angeklagten als Nebenkläger teil. Weitere Geschwister ließen sich durch ihre Anwälte vertreten. Der Sohn, sowie ein Sachverständiger sollen während des heutigen Verhandlungstage in den Zeugenstand treten. Nach gut einer Stunde unterbrach Anwalt Hoppe jedoch vorerst die Verlesung und bat um eine kurze Pause für seinen Mandanten. Er könne nicht mehr sitzen und bräuchte seine Medikamente, so Hoppe. Die vorsitzende Richterin Gerstin Dreyer gab dem Antrag statt und erteilte eine 30-minütige Verhandlungspause.
Zeugenaussage des Sohnes
Nach der 30-minütigen Unterbrechung wird die Verhandlung fortgesetzt. Richterin Dreyer verliest das Urteil des Bundesgerichtshof, nach dem die Revision der Staatsanwaltschaft stattgegeben wurde. Anschließend wird der Sohn über die Wahrheitspflicht und sein Zeugnisverweigerungsrecht aufgeklärt. Der 23-jährige möchte aussagen und schildert noch einmal die Geschehnisse des Tattags. Mit leiser Stimme schildert er das Geschehen. Er bezeichnet den Tattag als "kurios". Sei Vater sei sehr verändert gewesen, als sei er mit dem Kopf woanders. Überhaupt hätte sich sein Vater, zu dem er bis zum Tattag ein gutes und entspanntes Verhältnis hatte, nach der Rückkehr nach Deutschland sehr verändert. "Man kam irgendwie nicht mehr an ihn ran", so der Sohn.
Der 23-jährige Sohn den Angeklagten vor Verhandlungsbeginn, Foto: Anke Donner
"Es roch nach Feuerwerkskörpern"
Zum Zeitpunkt als sein Vater seine Mutter erschoss, stand er mit seiner Schwester vor der Kirche, berichtet der 23-Jährige stockend. Dann habe er einen riesengroßen Knall gehört und sei mit seiner Schwester in die Kirche geeilt. "Es roch nach Feuerwerkskörpern", beschreibt er die Situation. Dann habe er seinen Vater mit der Waffe und die große Blutlache gesehen. "Ich wollte meiner Mutter ins Gesicht schauen. Aber ich habe das Gesicht nicht mehr erkannt", sagt er leise. Sein Vater sagte, als die Kinder die Mutter erblickten: "Mama schläft." Als der Sohn die Polizei informieren wollte, wurde dieser von seiner Schwester mit den Worten: "Nein, dann sind wir ganz alleine", abgehalten. Der Vater wies daraufhin seine Kinder an, ihn bei der Beseitigung der Spuren und der Leiche zu helfen. "Es reißt einem das Herz raus, wenn man das Blut seiner eigenen Mutter weg machen muss. Es war grauenhaft", so der 23-Jährige. Nachdem sie die tote Mutter dann im Keller der Kirche versteckt hatte, fuhren sie mit dem Vater davon. Nach Österreich, wie sich später herausstellen sollte. "Wir konnten auf der Fahrt nicht einschätzen und realisieren, was nun mit uns passiert, ob wir überleben würden. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen, als wir dann bei der Polizei in München waren", sagt er. Lange nach der Tat sei er in psychiatrischer Behandlung gewesen. Die Bilder werde er einfach nicht mehr los. Noch heute werde er oft an den Abend erinnert, kann den Geruch von Feuerwerkskörpern und laute Geräusche nicht ertragen. Der Verteidiger des Angeklagten beantragt eine weitere Unterbrechung, die die vorsitzende Richterin Gerstin Dreyer gestattet. Die Verhandlung wird für 30 Minuten unterbrochen.
Kinder traumatisiert
Der Angeklagte Siegfried C. im Gerichtssaal. Foto: Anke Donner
Nach der Unterbrechung führt Richterin Gerstin Dreyer die Verhandlung weiter, erkundigt sich nach dem befinden des Sohnes seiner Geschwister. Auch will sie wissen, wie der Kontakt zu den Geschwistern und dem Vater ist. Er sagt aus, dass seine Geschwister noch heute unter der Tat leiden. Insbesondere seine damals 12-jährige Schwester, die bei der Beseitigung der Spuren helfen musste, ist schwer traumatisiert. Sie sei sehr verschlossen und rede sehr selten über die Tat. Sie lebt heute in einem Heim und hat nach den Geschehnissen eine Therapie gemacht. "Sie hat eine große Schutzmauer um sich aufgebaut", so der 23-Jährige. Er selber habe immer versucht, seiner Schwester eine Stütze zu sein. Zu seinem Vater habe er keinen Kontakt mehr. Nur ein Mal habe er ihn im Gefängnis besucht. Auch ein Briefverkehr hätte stattgefunden. Siegfried C. tauscht sich während der Verhandlung und der Aussage seines Sohne immer wieder mit seinem Verteidiger aus.
Verhandlung unterbrochen
Nach rund vier Stunden Verhandlungszeit beantragt Anwalt Michael Hoppe eine erneute Unterbrechung und weist daraufhin, dass es seinem Mandanten gesundheitlich nicht gut ginge. Er habe Schmerzen und könne sich nicht mehr konzentrieren. Ein Leistenbruch sorge zu den bereits vorhandenen Erkrankungen für zusätzliche Probleme. Dies hätte auch der Anstaltsarzt bescheinigt, erklärt er. Die vorsitzende Richterin Gerstin Dreyer unterbricht die Verhandlung und erklärt nach wenigen Minuten, dass die Verhandlung auf den kommenden Donnerstag vertagt wird. Dann soll auch der Sachverständige Dr. Joachim Dedden allgemeine Informationen über den Angeklagten geben. Möglicherweise wird auch ein weiterer Verhandlungstag angesetzt.
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