Goslar. Im Rahmen seiner Sommerreise hat der Niedersächsische Umweltminister Olaf Lies heute die Innerstetalsperre bei Langelsheim besucht. Im Mittelpunkt stand dabei der Austausch mit Vertretern der örtlichen Politik, Industrie und den Harzwasserwerken über die Herausforderungen der Wasserwirtschaft in Zeiten des Klimawandels. Dabei wird vor allem Eines klar - die Talsperren werden in Zukunft einer immer wichtigere Rolle einnehmen.
Um zu ermitteln, wo in Zukunft wie viel Wasser für Verbraucher, Landwirtschaft und Industrie gebraucht wird, arbeitet das Umweltministerium an einem Wasserversorgungskonzept für Niedersachsen. Auch die Harzwasserwerke beteiligen sich mit ihren Wasserwerken und Talsperren am Wasserversorgungskonzept.
Für den Niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies ist es nicht der erste Besuch an der Innerstetalsperre. Laut Lies werden Talsperren unterschätzt: "Ich bin super dankbar, dass wir diese Talsperren haben. Ich glaube vielen ist gar nicht bewusst, wasdas Vorhandensein von Talsperrenbedeutet. Auf der einen Seite gewährleisten sie Hochwasserschutz, auf der anderen Seite Wasserversorgung - auch in Form von Kühl- und Prozesswasser für die örtliche Industrie. Und das ist die eindrucksvolle Aufgabe. Deswegen entwickelt sich die Talsperre zu einem Multifunktionsspeicher, den wir in Zukunft mehr denn je brauchen werden."
Eine alarmierende Tendenz
Umweltminister Olaf Lies lässt sich anhand der Schaubilder erklären, wie sich der Klimawandel in den letzten Jahren an der Talsperre ausgewirkt hat. Foto: Marvin König
Dr. Christoph Donner, technischer Geschäftsführer der Harzwasserwerke erklärt dazu: „Die Aufgaben stehen immer mehr in Konkurrenz zueinander. Denn damit die Talsperre Hochwasserspitzen abfangen kann, sollte sie möglichstwenig gefüllt sein. Für die Trinkwasserversorgung und Niedrigwasseraufhöhung ist eine vollgefüllte Talsperre aber am besten.“ Je größer die Talsperre sei, desto besser könne sie allen Ansprüchen gerecht werden und die Auswirkungen des Klimawandels abmildern. Talsperren seien damit ein wichtiger Baustein der Anpassungsstrategie von Niedersachsen und Bremen für die Zukunft. "Die Bedeutung des Harzes wird insgesamt unterschätzt. Was der Harz in Zukunft als Wasserspeicher leisten wird, für weite teile von Niedersachsen, haben viele noch gar nicht verstanden", ergänzt Dr. Donner.
Die Talsperre hat bewegte Jahre hinter sich. 2017 war das Jahr der verheerenden Hochwasser in der Region.Landrat Thomas Brych erinnert sich: "Wenn wir die Talsperre nicht gehabt hätten, wäre es noch schlimmer gekommen. Hochwasser in Seesen, Rhüden, Lautental, Walmoden, Lutter - und eine ganz extreme Situation in Goslar und Bad Harzburg, da hatten wir Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Und da haben uns die Talsperren extrem geholfen." Aus der Innerstetalsperre wurde 2017 eine Rekordmenge von 18,14 Millionen Kubikmetern Wasser in die Granetalsperre gepumpt. So konnte ein weiterer Anstieg der Flusspegel - und somit weitere Überflutungen - verhindert werden. Dr. Christoph Donner, bestätigt Landrat Brych:"Hochwasserschutz ist immer eine traditionelle Aufgabe der Talsperren gewesen, für viele sind diese Querbauwerke 'Dinosaurier', sozusagen eine aussterbende Art. Aber jetzt im Rahmender Klimawandelanpassung stellt man fest, dasssie ganz moderne Funktionskörper sind, die einen ganz wichtigen Beitrag leisten können."
Aufdas Hochwasser folgte die Dürre
2018 schlug die Situation an der Talsperre ins Gegenteil um. Auf das regenreiche Jahr folgte Trockenheit. Der Pegelstand fiel auf ein Rekordtief und die Wassertemperatur stieg auf ein Rekordhoch. Auf einer Schautafel haben die Harzwasserwerke die Temperatur- und Pegelentwicklung grafisch veranschaulicht. Eswird deutlich, dass die heißen, trockenenPerioden dem Wasserhaushalt der Region und ihrer Industrie zu schaffen machen. Olaf Lies zeigt sich nach den Ausführungen von Dr. Donner besorgt: "Es ist sehr unangenehm diesen Trend zu beobachten. Gerade die Temperatursteigerung wirdeine ganz große Herausforderung für uns. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Wasser mit einerausreichend niedrigen Temperatur abzugeben, dann fehlt das Wasser für die Kühlprozesse", fasst Lies zusammen. "Das heißt wir haben die große Gefahr, dass wir entweder die von der lokalen Wirtschaft benötigte Wassermenge oder die Wassertemperatur nicht mehr zur Verfügung stellen können."
Diese Entwicklung könnte neben der Industrie und der Trinkwasserversorgung auch im Ökosystem des Harzes für Probleme Sorgen. Als Lösung dafür wäre eine Erhöhung des Stauvolumens der Innerstetalsperre sinnvoll. Durch den höheren Füllstand bliebe die Wassertemperatur auch bei veränderten Außenbedingungen niedrig genug für die Industrie und der 'Puffer' für Trockenperioden wäre deutlich größer. Lies betrachtet nachdenklich die Grafiken auf der Schautafel, die eine hypothetische, höhere Talsperre mit der aktuellen Situation gegenüberstellen: "Wenn wir nicht in der Lage sind mit Multifunktionsspeichern wie der Talsperre genügend Wasser zu speichern, um übereinen längeren Zeitraum auch genügend Wasser abzugeben, schaden wir dem Ökosystem. Ist also der Ausbau der Talsperren ein Widerspruch zur Ökologie oder ist das nicht zur Verfügung stellen von Wasser der Widerspruch zur Ökologie? Das wird in den nächsten Jahren für viel Diskussionsstoff sorgen."
Lasst uns neue Talsperren bauen
Nach all den Erläuterungen zum Klima der Zukunft und der Rolle der Talsperren ist der Gedanke an neue Talsperren oder die Erweiterung der bestehenden unumgänglich. Dr. Christoph Donner meint: "wir stehendazu, dass wir sagen: 'lasst uns drüber nachdenken'. Die Rahmenbedingungen in den letzten zehn Jahren haben sich extrem verändert. Früherhatten wir elfbis dreizehn zusammenhängende Tage mit Temperaturen über 30 Grad. Der Trend geht dahin, dasses in Zukunft 28 Tage zusammenhängend über 30 Grad sind", erklärt der technische Geschäftsführer: "2018 haben wir das erste Mal eine Durchschnittstemperatur von zwei Grad über dem Mittel gehabt. Und wir arbeiten gerade darauf hin, daszwei-Grad-Ziel zuerreichen.Dabei haben wir die zwei-Grad-Markejetzt schon einmal erlebt. Das Jahr 2018 wird ab 2050 bis 2070 der Standard sein. Wir haben dann Verhältnisse wie inToulouse."
Umweltminister Lies lauscht den Ausführungen des Talsperrenmeisters, hier im Herzen der Anlage liegen die Stellschrauben, die entscheiden, ob und wie viel Wasser abgelassen wird. Foto:
Im Inneren der Talsperre
Talsperrenmeister Klaus Hans setzt die Führung fort. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Pumpenhaus demonstriert er Minister Lies, Landrat Brych und seiner Delegation das Ablassen von Wasser über den Nebenablass. Anschließend geht es über das Eingangsbauwerk am Fuße der gewaltigen Talsperre in den über 100 Meter langen Kontrollgang. Unter den Füßen liegt auf ganzer Länge des Korridors die Betriebswasserleitung - ein Rohr mit einem Durchmesser von 1,20 Metern. Zu jeder Sekunde befördert sie drei Kubikmeter Wasser- Wahlweise ins Kraftwerk oder in die Pumpstation, die das Wasser der Granetalsperre als Trinkwasser übereignen kann - und schlussendlich natürlich in die Innerste. "Alles, was über drei Kubikmeter ist, schafft das Kraftwerk nicht mehr, das wird über andere Leitungen kontrolliert abgelassen", erläutert Talsperrenmeister Hans. Wenn auch das nichts mehr hilft, kommt der Trichterförmige Überlauf im Stausee zum Einsatz. Diese Form des Überlaufs ist in Ihrer Bauweise übrigens weltweit einmalig.
Nach dem Ausflug der Delegation auf den Überlauf steht Treppensteigen an. Landrat Thomas Brych kommt als einer der ersten durch die Tür am Scheitelpunkt der Talsperre und hat mitgezählt: "230 Stufen". Er und der Rest seiner Gruppe müssen kurz verschnaufen. Für die Anwesenden ist es Zeit, das erlebte Revue passieren zu lassen. Bei den Ansätzen zur Erhöhung des Speichervolumens stimmt Minister Lies dem technischen Geschäftsführer Dr. Donner zu:"Es gibt ein Forschungsprojekt, bei dem man sehr genau guckt, wie sieht es eigentlich im Harz aus mit den Stollen, die wir haben, welches Speichervolumen ist überhaupt möglich, welche Eingriffe in die Natur wären das. Ich glaube, das muss man offen diskutieren. Nicht nur für die nächsten fünf oder zehn Jahre -sondern mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte. Der Klimawandel schreitet weiter voran." Dr. Donner: "Wir müssen uns vorbereiten. Die Extremwetterereignisse werden nach neuesten Forschungen zwar weniger, aber wenn sie kommen, fallen Sie weitaus drastischer aus. Und das ist die Herausforderung der Zukunft."
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