Hass im Netz: Zahl der "Hate Speech"-Verfahren hat sich verfünffacht

Ein inhaltlicher Schwerpunkt lag in der Verfolgung von Hasskommentaren, in denen öffentlich zu Straftaten aufgerufen wurden. Häufig hatten diese Kommentare Bezug zu Corona-Maßnahmen.

Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Pixabay

Niedersachsen. In Niedersachsen geht der Kampf gegen Hasskriminalität im Internet mit großen Schritten voran. Die „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet - Niedersachsen" (ZHIN) bei der Staatsanwaltschaft Göttingen verzeichnete in den vergangenen zwölf Monaten 1.136 neue Verfahren. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 226 Verfahren. Diese Zahlen stellten am Dienstag Justizministerin Havliza gemeinsam mit dem Braunschweiger Generalstaatsanwalt Detlev Rust und dem Leiter der ZHIN, Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue, in Hannover vor. Hierüber berichtet das Niedersächsische Justizministerium in einer Pressemitteilung.



Ein inhaltlicher Schwerpunkt der ZHIN lag in den vergangenen zwölf Monaten in der Verfolgung von Hasskommentaren, in denen öffentlich zu Straftaten aufgerufen oder Straftaten gebilligt wurden. Häufig hatten diese Kommentare Bezug zu Corona-Maßnahmen der Politik.

Amts- und Mandatsträger im Fokus


Ein großer Teil der Verfahren (insgesamt 257) betraf Sachverhalte, in denen explizit Amts- und Mandatsträger Opfer von Hasskriminalität im Internet waren. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Verfahren, die rassistische (60) und/oder antisemitische Äußerungen (99) zum Gegenstand haben. Neben Beleidigungsdelikten hatten die Verfahren Tatvorwürfe wie etwa die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, das Billigen von Straftaten aber auch vom Gesetzgeber neu geschaffene Straftatbestände wie das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten (sogenannte Feindeslisten) oder die verhetzende Beleidigung zum Gegenstand.

Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue: „Hasskommentare stehen häufig im Kontext zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen. Maßnahmen der Politik zur Eindämmung der Covid-19-Infektionszahlen werden verglichen mit der planvollen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus. Der Davidstern mit dem Zusatz `ungeimpft´ oder die Verbreitung der Parole `Impfen macht frei!´ sind hierfür ein Beispiel. Es wird zur Tötung vom Impfärzten aufgerufen, missliebigen Politikern werden diffamierende Falschzitate in den Mund gelegt. Man `feiert´ die Ermordung zweier Polizisten oder solidarisiert sich mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine."

Zum Ausgang der Verfahren:


In 28 Prozent der erledigten Verfahren der vergangenen zwölf Monate, die nicht deckungsgleich mit den 1.136 Neueingängen sind, hat die ZHIN Anklage erhoben oder einen Strafbefehl beantragt. In 34 Prozent wurden die Verfahren an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben oder - zum Beispiel - gegen eine Geldauflage eingestellt. In weiteren 38 Prozent der Fälle mussten die Verfahren eingestellt werden, weil die Äußerung entweder nicht strafbar war oder der Verfasser nicht ermittelt werden konnte.

„Auch wenn ein Großteil der Verfasser von Hasskommentaren namhaft gemacht werden konnte, gelingt es nicht immer, den Täter zu ermitteln", so Oberstaatsanwalt Laue. „Dies liegt unter anderem daran, dass die häufig im Ausland ansässigen Betreiber sozialer Netzwerke auf Anfragen von Ermittlungsbehörden nicht oder nur zögerlich antworten, die zur Identifizierung des Täters benötigten IP-Adressen bereits gelöscht sind oder schlicht nicht nachgewiesen werden kann, welcher von mehreren Nutzern ein und desselben Gerätes den fraglichen Kommentar verfasst hat. Zudem ist nicht jeder geschmacklose Kommentar strafbar. Auch anstößige Äußerungen können von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sein, so dass solche Verfahren ebenfalls eingestellt werden müssen."

Drei bundesweite Aktionstage


Im zurückliegenden Jahr hat sich die ZHIN an insgesamt drei bundesweiten Aktionstagen zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz beteiligt. Zuletzt wurden am 20. Juni 2022 zahlreiche Wohnungen von Beschuldigten durchsucht. Geräte wie Tabletts, Smartphones und PC wurden beschlagnahmt. Hier ging es um Hasskommentare im Zusammenhang mit der Ermordung einer Polizistin und eines Polizisten in Kusel / Rheinland-Pfalz. In einem anderen Verfahren muss sich ein in Untersuchungshaft befindlicher Beschuldigter demnächst vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, seine über 20.000 Follower zur Tötung unter anderem von Polizisten, Bürgermeistern und Richtern aufgerufen zu haben.


Die ZHIN bietet Privatpersonen, Medienunternehmen, Beratungsstellen und sonstigen Institutionen die Möglichkeit, schnell und unkompliziert Hass und Hetze im Internet zur Anzeige zu bringen. Wer Opfer oder Zeuge eines Hasspostings beispielsweise bei Facebook oder Twitter wird, kann dieses unter www.hassanzeigen.de anzeigen, damit ein solches Verhalten nicht folgenlos bleibt.


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