Helmstedt. Die SPD Ratsfraktion hat am heutigen Freitag ein 77 Seiten umfassendes "Impulspapier Innenstadt" vorgestellt. Das acht Bausteinen ruhende Papier ist die Fortsetzung eines Ratsbeschlusses zum SPD-Antrag zur Bildung eines Netzwerkes aller Innenstadtakteure bei der Ratssitzung im Dezember und soll einen Fahrplan bieten, um mit einfachen Maßnahmen dem "leisen Sterben" der Helmstedter Innenstadt entgegenzuwirken. Streit gibt es über den politischen Weg des Antrages. In der kommenden Ratssitzung soll kein Beschluss dazu gefällt werden, sodass über das Reformprogramm erst im Sommer abgestimmt werden könne. Die SPD macht den Bürgermeister für diese Verzögerungen verantwortlich und empfindet das Vorgehen als "schikanös".
Das Papier beruht auf dem Integrierten Stadtenwicklungskonzept (ISEK) und dem Einzelhandelskonzept der Stadt Helmstedt, Einfluss hatten auch ein Papier der IHK Niedersachsen und ein Impulspapier des Arbeitskreises Immobilien der Stadt Braunschweig, deren Vorgehen zur Entwicklung der Innenstadt die Helmstedter SPD als "vorbildlich" einstuft. Michael Gehrke, Autor des Papiers, macht unter Berufung auf den Handelsverband Harz/Heide deutlich, dass ganze 65 Prozent der Einzelhändler ihr Geschäft in diesem Jahr ohne weitere Hilfen aufgeben könnten. Die Corona-Pandemie hat den in vielen Städten bereits laufenden Transformationsprozessen in den Innenstädten dabei einen Bärendienst erwiesen. "Helmstedt steht mit seinen Problemen nicht alleine da, die Probleme können unter Anstrengungen mit neuen Ideen gelöst werden. Dabei brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden", leitet Gehrke seine Präsentation ein. In Helmstedt bleibe zur Rettung der Innenstadt nicht mehr viel Zeit.
Acht Bausteine zum Ziel
Das Papier verfolge dabei einen ganzheitlichen Ansatz, der über die Arbeit des ISEK hinausgeht. Ziel sei es, die Innenstadt als Erlebnisraum attraktiver zu machen und auch die Grundversorgungsfunktion der Innenstadt durch Stärkung des Handels zu erhalten. Die SPD hat dazu die Städte unter die Lupe genommen, bei denen dieser Transformationsprozess bereits Früchte getragen hat. Sie alle hätten gemeinsam, dass es ein starkes Netzwerk aller Innenstadtakteure gebe, ein aktives Citymanagement mit Leerstandsmanagement und Stadtmarketing in städtischer oder privater Hand. In diesen Städten sei die Initiative von Verwaltung und Politik ausgegangen, die den Innenstadtakteuren mit organisatorischer, finanzieller, personeller und ideeller Unterstützung zur Seite steht.
"Amazon" könnte der Innenstadt helfen
Die Bildung eines Netzwerkes wurde durch den Rat der Stadt Helmstedt auf Antrag der SPD bereits im Dezember beschlossen. Diesem Beschluss wurde, so Gehrke, noch nicht ausreichend Rechnung getragen. Aufbauend aus diesem - so der Plan - Netzwerk sei das Citymanagement inklusive aktivem Leerstandsmanagement anzugehen. Diese Punkte bilden drei der acht "Bausteine". Begleitend zu diesen Prozessen müsse die Aufenthaltsqualität und Sauberkeit verbessert, eine Bauleitplanung und das Einwerben von Fördermitteln vorgenommen werden. Dabei könne man von der Ansiedlung von Amazon profitieren, die jährlichen Mehreinnahmen in der Gewerbesteuer werden durch Gehrke mit 500.000 Euro beziffert: "Damit könnte man einen Teil des 'Schadens', den der Online-Riese dem Einzelhandel zugefügt hat, wieder gut machen." Logische Folge könne nur sein, dass man einen Teil dieser Mittel in einen Zukunftsfonds Innenstadt einfließen lasse.
Braunschweig macht es vor
Als weiteren wichtigen Schritt bezeichnet die SPD den Baustein "Digitalisierung". So böte die Stadt Braunschweig ihren Einzelhändlern eine kostenfreie IT-Infrastruktur, um sich für Click & Collect / Click & Meet anzumelden. "Der Bürgermeister (Ulrich Markurth) bringt zu einem Innenstadtdialog fünf Dezernenten mit, um zu zeigen, wie wichtig das ist", hebt Gehrke hervor und ergänzt: "Was da passiert ist beispielhaft."
Stärken und Schwächen
Dabei werden auch die Stärken und Schwächen Helmstedts in Betracht gezogen. So bezeichnet die SPD in ihrem Papier die Entwicklung entlang der Emmerstedter Straße hin zu einer "zweiten Innenstadt" als "Planungsfehler", auch der Zustand der Marktpassage wirke "wie aus der Zeit gefallen". Stärken seien unter anderem die historische Architektur der Innenstadt, die einen "noch weiter belebbaren" Rahmen für den Besuch böte. Auch "Helmstedt aktuell" sei ein Akteur, von dem man profitieren könne. Kern der Innenstadt sei der Marktplatz, "der sich nach jahrelangem Kampf der SPD-Ratsfraktion gegen den erbitterten Widerstand der CDU als autofreie, „gute Stube“ der Stadt etabliert hat", wie die Fraktion anmerkt.
Die SPD-Ratsfraktion hat einen Antrag zur Einrichtung eines Netzwerkes "Erlebnis Innenstadt" gestellt. Das Netzwerk aus allen Innenstadtakteuren soll durch einen aus zehn bis zwölf Personen bestehenden Arbeitskreis unterstützt werden. Das "Engagement und die Erfahrung" des Stadtmarketings "Helmstedt aktuell" soll durch Requirierung von Fördermitteln und durch eine personelle Beteiligung der Wirtschaftsförderung ergänzt werden. Weiterhin zu entwickeln sei eine Internetplattform zum Projekt, hierzu böte sich eine Zusammenarbeit mit Schöningen und Königslutter an.
Beschluss wohl erst im Sommer: "Schikanös"
Unmut wird während der Pressekonferenz am heutigen Freitag gegen Bürgermeister Wittich Schobert laut. Nicht nur äußerte man sich verständnislos für den langsamen Aufbau des im Dezember beschlossenen Netzwerk, auch der Begleitantrag zum Impulspapier sei "entgegen der bisherigen Gepflogenheit und entgegen der Rechtsauffassung des Kommunalverfassungsgesetzes" nicht auf die Tagesordnung der kommenden Sitzung des Wirtschaftsausschusses gestellt worden. Somit könne es noch ein Dreivierteljahr dauern, bis es zu einem Beschluss kommt. "Ich frage mich, wo wir hier sind, warum wir unsere Einzelhändler nicht jetzt unterstützen können", ärgert sich Fraktionsvorsitzender Dirk Zogbaum. Ratsherr Andreas Fox bezeichnet das Vorgehen als "Willkürlich, wie vorgegangen wird mit Anträgen, die eilbedürftig und wichtig sind, um in der Stadt weiterzukommen." Der Antrag hat es nun zwar auf die Tagesordnung der kommenden Ratssitzung geschafft, jedoch nur um darüber zu befinden, ob sich der Rat damit befassen will und ob der Antrag an den zuständigen Ausschuss überstellt wird. Die SPD zweifelt an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens und möchte eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht einlegen.
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