Königslutter. Vor zehn Jahren fand zum ersten Mal eine Tagung des Trauma-Netzwerk Niedersachsen im Festsaal des AWO Psychiatriezentrum (APZ) in Königslutter statt, welches gemeinsam vom Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie und dem APZ ins Leben gerufen wurde. Seitdem referieren einmal im Jahr Traum-Experten zu unterschiedlichen Themen. Das übergeordnete Thema in diesem Jahr lautete: „Trauma im Spiegel der Gesellschaft“. Dies berichtet das AWO Psychiatriezentrum in einer Pressemitteilung.
Bei der Begrüßung habe Dr. Mohammad-Zoalfikar Hasan, Ärztlicher Direktor des APZ betont, dass sich das Trauma-Netzwerk erfreulicherweise gut entwickelt habe und inzwischen von vielen psychiatrischen Kliniken und Abteilungen in Niedersachsen unterstützt werde. "Wir haben uns für das Thema, Trauma im Spiegel der Gesellschaft´ entschieden, weil wir der Meinung sind, dass gesellschaftliche Aspekte, die in der Psychiatrie grundsätzlich relevant sind, bei dem Thema Traumatisierung und deren Folgestörungen noch mal wichtiger sind.“ Abgesehen von einigen Ausnahmen finde eine Traumatisierung nur dann statt, wenn eine Gesellschaft beziehungsweise Teile davon versagen, erklärte Dr. Hasan.
Widerstände, Skandalisierung sind häufig
„Hinter einem Kindesmissbrauch oder einer Kindesvernachlässigung steht immer das Versagen einer Familie beziehungsweise Institutionen, die mit der Kinderbetreuung und -vorsorgung beauftragt werden.“ Weiter führte er auf: „Wie die #meToo Debatte zeigt, versagen Vorgesetzte und Arbeitskollegen bei sexuellem Missbrauch und Traumatisierung am Arbeitsplatz. Bei Traumatisierungen von Kriegshandlung versagt die ganze Gesellschaft oder gar die Weltordnung.“ Eine Gesellschaft und deren Normen seien maßgeblich entscheidend, ob eine Traumatisierung bekannt werde oder nicht, ob Betroffene sich outen und Hilfe suchen oder sich verstecken und die Fortsetzung der Traumatisierung erdulden. Nicht ohne Grund würden sich Betroffene nicht trauen, sich zu outen, da sie nicht unbedingt auf Verständnis des sozialen Umfeldes und Reue des Täters rechnen. „Widerstände, Skandalisierung und zum Teil Re-Traumatisierung sind häufig“, so Dr. Hasan weiter. „Gerade bei Traumatisierung in Institutionen ist die Aufarbeitung unbefriedigend. Wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, kommen viele Verantwortliche nicht über die Rationalisierung hinaus, einige bleiben sogar bei Verdrängung und Leugnung stecken.“ Umso wichtiger seien Einrichtungen wie das Trauma-Netzwerk, um den Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen.
Das Thema Re-Traumatisierung sei auch beim Referat von Ann-Katrin Müller aufgekommen, die als Redakteurin beim Spiegel bereits zahlreiche Artikel über sexualisierte Gewalt geschrieben habe und dazu Betroffene interviewte. Sie habe darüber gesprochen, wie sie an Protagonisten ihrer Berichte komme, wie sie solch´ sensible Themen recherchiere und vor allem, wie die Gespräche mit Betroffenen ablaufen, damit diese eben nicht re-traumatisiert werden. „Wichtig dabei ist die Kommunikation. Ich muss den Betroffenen klarmachen, dass die Recherche mit einem großen Zeitaufwand verbunden ist. Bei den Gesprächen darf ich nicht drängeln, mache aber klar, dass ich konkret nachfragen muss, denn Details sind für die Glaubwürdigkeit wichtig.“ Es sei immer eine Gradwanderung, nicht zu triggern, aber für die anderen Leser die Geschehnisse verständlich rüberzubringen.
Teilnehmer wurden eingebunden
Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker von der Universität Zürich habe über den Fortschritt der Psychotraumatologie gesprochen. Das Thema des Referates von Prof. Dr. Ingo Schäfer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, lautete: Akut Traumatologie – Case Management. Nach jedem Referat hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, Frage zu stellen. Im Anschluss habe in diesem Jahr zum ersten Mal ein Netzwerktreffen für Vertreter der Traumaambulanzen des Trauma-Netzwerk Niedersachsen stattgefunden, um Raum zum Austausch untereinander zu geben und um verschiedenen Themen zu besprechen.
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