Region. Extreme Kostenerhöhungen für die Unterbringung in Pflege- oder Seniorenheimen belasten immer häufiger die Konten von pflegebedürftigen Menschen oder ihrer Angehörigen. Inzwischen ist der Eigenanteil einer Heimunterbringung so hoch, dass immer mehr Menschen Hilfe vom Amt benötigen. regionalHeute.de hat bei den Sozialämtern der Region nachgefragt, wie viele Anträge es auf Hilfe zur Pflege gibt.
Wenn die eigene Rente und der Anteil der Pflegekasse nicht reicht, um den Heimplatz zu bezahlen und das Einkommen von unterhaltspflichtigen Angehörigen unter 100.000 Euro brutto jährlich liegt, muss das Sozialamt einspringen. Anspruchsberechtigt ist, wer im Pflegeheim wohnt, mindestens Pflegegrad 2 hat und die Heimkosten nicht durch eigenes Einkommen und Vermögen decken kann. Die Vermögensfreigrenze beträgt zurzeit 5.000 Euro. Bei Ehepaaren verdoppelt sich diese entsprechend auf 10.000 Euro. Mit der sogenannten Hilfe zur Pflege werden also Lücken in der Finanzierung geschlossen. Doch Kostenexplosionen durch Inflation und Lohnerhöhungen in der Pflege sorgen derzeit dafür, dass eben diese Lücke immer größer wird und die Ämter immer häufiger einspringen müssen.
Anträge fluten Verwaltung
Der Landkreis Goslar hat kürzlich berichtet, dass die enormen Steigerungen bei den Versorgungskosten in den Alten- und Pflegeheimen zu einer Vervielfachung der Anträge auf Hilfen für eine Pflegeheimunterbringung geführt hätten. Die Preise für Heimbewohner steigen um bis zu 800 Euro pro Monat. Der zum 1. Januar 2022 eingeführte Leistungszuschlag der Pflegekasse, dessen Höhe in Abhängigkeit zur Verweildauer in der Einrichtung ausfällt, könne diese Mehrkosten nach Angaben der Verwaltung auch nicht auffangen. Viele der Bewohner, die bislang ohne die Inanspruchnahme von Sozialhilfe ausgekommen sind, müssten nun einen Antrag auf Unterstützung stellen.
Entwicklung unterschiedlich
Scheinbar stellt sich die Situation in der Region unterschiedlich dar. Während der Landkreis Goslar von einer Zunahme der Anträge berichtet, kann der Landkreis Helmstedt noch keinen signifikanten Anstieg der Anträge auf Hilfe für eine Pflegeheimunterbringung erkennen. Dies sei laut Sozialamt des Landkreises Helmstedt darauf zurückzuführen, dass die Pflegekassen den bereits genannten Leistungszuschlag gewährt hätten. "Nach Abschluss der aktuell geführten Pflegesatzvereinbarungen wird aber auch hier von einer nicht unerheblichen Zunahme der Antragstellung ausgegangen, weil erst dann klar ist, welche Differenz die Pflegebedürftigen selbst tragen müssen. Auch werden die Transferleistungen für die bereits Leistungsberichtigen deutlich steigen, allein aufgrund der Kostensteigerungen in den Pflegeeinrichtungen", teilt Landkreissprecher Sebastian Dettmer mit.
Warten auf neue Berechnung
Bei der Stadt Braunschweig sind bis Mitte September rund 600 Anträge eingegangen. Im gesamten Jahr 2021 waren knapp 900 und im gesamten Jahr 2020 knapp 1.000 Anträge auf stationäre Hilfe zur Pflege. "Im Monat September wurden insgesamt in rund 850 Fällen Leistungen der Sozialhilfe für eine stationäre Unterbringung in einem Pflegeheim erbracht. Im Durchschnitt wurden je Fall 870 Euro gewährt", berichtet Stadtsprecher Adrian Foitzik. Ein Anstieg der Anträge sei in diesem Jahr bisher noch nicht feststellbar, so Foitzik, der anmerkt, dass viele Pflegeeinrichtungen ihre Kosten erst ab September und Oktober erhöhten. "Da zum Teil auch die Verhandlungen über höhere Pflegesätze noch nicht abgeschlossen sind, sind die höheren Rechnungen in vielen Fällen noch nicht bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern eingetroffen. Viele Betroffenen beziehungsweise deren Angehörige warten zunächst die ersten Rechnungen ab, um zu entscheiden, ob die Kosten noch mit eigenen Mitteln gedeckt werden können."
Ein direkter Vergleich zu den Vorjahren sei schwierig, so Foitzik. "Die Zahlen im Jahre 2022 sind derzeit noch niedriger, als in den Jahren 2020 und 2021. Derzeit wirke sich die zum 1. Januar 2022 vom Gesetzgeber im Rahmen der Pflegeversicherung eingeführten Leistungszuschläge noch dämpfend auf die Zahlen aus. Die anstehenden erheblichen Erhöhungen der Heimkosten spiegeln sich also in den Zahlen noch nicht wieder."
Anfragen häufen sich
Auffällig sei jedoch bereits eine deutlich gestiegene Anzahl an Nachfragen betroffener Bürger im Fachbereich Soziales und Gesundheit aufgrund von Ankündigungen vieler stationärer Pflegeeinrichtungen über anstehende Kostensteigerungen bei der stationären Unterbringung, heißt es aus der Braunschweiger Stadtverwaltung.
Das bestätigt auch Wolfsburgs Sozialdezernentin Monika Müller. "Noch stellen wir keine vermehrte Antragsstellung aufgrund der erhöhten Versorgungskosten fest. Es fragen jedoch zunehmend Menschen bei uns an, ob sie einen Antrag stellen können, wenn sich die Kosten erhöhen. Daher gehen wir davon aus, dass ein entsprechend starker Anstieg der Antragsstellungen auf uns zukommt." Im laufenden Jahr 2022 seien beim Sozialamt Wolfsburg rund 400 Anträge eingegangen. Hiervon sei über 300 beschieden worden, 25 Prozent hiervon positiv.
Weiterer Anstieg sehr wahrscheinlich
Auch der Landkreis Peine berichtet, dass man seit August im Bereich der Hilfe zur Pflege von einem starken Anstieg der Anträge beobachte. "Dies deckt sich mit den flächendeckend angekündigten Heimkostenerhöhungen ab dieser Zeit. Die Heimkosten stiegen seitdem monatlich in der Regel um mehrere hundert Euro, teilweise erhöhen sich die Kosten monatlich sogar um über 1.000 Euro", berichtet Landkreissprecher Fabian Laaß auf Nachfrage. Beim Sozialamt des Landkreises Peines seien allein im August 43 Formanträge eingegangen, im August des Vorjahres waren es 26 Anträge. Der September zeige bisher ebenfalls einen Anstieg der Anträge im Vergleich zu den Vorjahren.
Bisher sind im Jahr 2022 insgesamt 186 Formanträge eingegangen. Damit ist die Gesamtzahl von 234 Anträgen aus dem Vorjahr schon fast erreicht, wenn man bedenkt, dass auch der September bisher ebenfalls einen Anstieg der Anträge im Vergleich zu den Vorjahren gezeigt habe. "Grundsätzlich lässt sich sagen, dass seit Ende des Sommers deutlich mehr formlose Anträge eingehen, bei denen wir bei einem nicht unerheblichem Teil noch auf die Rückkehr der Unterlagen warten, erst dann werden diese Anträge statistisch von uns erfasst. Wir gehen also davon aus, dass sich der Anstieg der Anträge im Vergleich zu den Vorjahren noch weiter fortsetzt", so Laaß abschließend.
Ausgaben in Millionenhöhe
Auch die Stadt Salzgitter berichtet von einem kontinuierlichen Anstieg der Fallzahlen. Dies allerdings nicht nur in diesem Jahr. Der Trend werde bereits seit drei Jahren beobachtet, so Stadtsprecherin Simone Kessner. Im Jahr 2020 wurden 569 Anträge auf Hilfe zur Pflege durch das Sozialamt der Stadt Salzgitter bewilligt. Finanzvolumen: 5,3 Millionen Euro. Im Folgejahr waren es dann 597 Anträge mit einer ausgezahlten Summe von 6,2 Millionen Euro. In diesem Jahr wurden bereits 675 Anträge bewilligt. Dabei wurden Zahlungen in Höhe von 6,4 Millionen kalkuliert.
Landkreis rechnet mit Anstieg der Anträge
Im Landkreis Wolfenbüttel sind in diesem Jahr bisher 172 von etwa 300 Anträgen bewilligt worden. Bei etwa 100 Anträgen stehe eine Entscheidung noch aus, da die Prüfung der formellen und materiellen Voraussetzungen noch nicht abgeschlossen werden konnte. Dagegen waren es 2020 insgesamt 326 und 2021 insgesamt 239 bewilligte Anträge. Ob und in welchem Ausmaß sich die Anträge erhöhen, könne man derzeit noch nicht genau sagen. "Dass es in 2022 in der Gesamtbetrachtung zu einem erheblichen Anstieg von Neuanträgen kommen wird, ist sehr wahrscheinlich. Da aber noch Pflegesatzverhandlungen ausstehen und wir uns erst am Beginn des 4. Quartals befinden, kann eine zweifelsfreie Aussage dazu zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden", sagt Landkreissprecher Andree Wilhelm.
Angefragt war auch das Sozialamt des Landkreises Gifhorn. Bis zum Nachmittag lagen die Antworten noch nicht vor, werden aber ergänzt, sobald sie eingegangen sind.
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