Braunschweig. Welche Rolle kann Wasserstoff in einem CO2-ärmeren Energiemix der Zukunft spielen? Über diese Frage sowie die damit verbundenen aktuellen Herausforderungen, diskutierten rund 85 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft mit dem Umweltausschuss des niedersächsischen Landtags. Ausgerichtet hatte den Dialog in diesem Jahr die IHK Braunschweig, die über die Gespräche in einer Pressemitteilung berichtet.
Bereits zum sechsten Mal haben die niedersächsischen Industrie- und Handelskammern die Mitglieder des Niedersächsischen Ausschusses für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz eingeladen, um mit Vertretern von Wissenschaft und Wirtschaft ein aktuelles energiepolitisches Thema zu diskutieren. Aus der Politik waren dabei der Ausschussvorsitzende Axel Miesner (CDU) sowie Martin Bäumer (CDU), Marcus Bosse (SPD) und Imke Byl (Die Grünen) zu Gast.
Bessere Rahmenbedingungen schaffen
Tobias Hoffmann, Präsident der IHK Braunschweig, appellierte an alle Akteure, sich ehrlich mit der Frage auseinanderzusetzen, welchen Beitrag Wasserstoff im Kontext von CO2-Neutralität und Klimaschutz tatsächlich leisten könne. „In diesem Rahmen müssen die effizienten Anwendungsfelder identifiziert werden, die uns wirklich helfen, große Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen.“ Hoffmann lobte das ausgezeichnete Engagement in der Region – auch über die Vorzeigeprojekte SALCOS und den Wasserstoffzug I-Lint hinaus. In diesem Zusammenhang forderte er von der Politik, sich für eine Verbesserung der niedersächsischen Standortfaktoren, die Steigerung der Planungs-sicherheit für unternehmerische Investitionen sowie händelbare Rahmenbedingungen für Förderungen in diesen zukunftweisenden Bereichen einzusetzen. Denn nur so könne „Niedersachsen ein Innovations- und Investitionsstandort bleiben“ und das „Bestehen unserer Unternehmungen im internationalen Wettbewerb sichern“.
Inländische Wasserstoffproduktion hochfahren
Den aktuellen Forschungs- und Entwicklungsstand stellte Professor Dr.-Ing. Christoph Herrmann von der Technischen Universität Braunschweig sowie dem Fraunhofer IST vor. Er betonte, dass grüner Wasserstoff ein Schlüsselelement in der Dekarbonisierung kohlenstoffintensiver Industrien wie der Stahl- und Chemieindustrie sein werde und daher die Förderung regionaler Wasserstoffcluster jetzt erfolgen müsse, um den Markthochlauf zu beschleunigen. Auch müsse dringend der Ausbaupfad für erneuerbare Energien erhöht werden, um „die inländische Herstellung von grünem Wasserstoff nicht zu gefährden“. Durch die bisherigen Planungen stelle man Deutschland hauptsächlich als Wasserstoff-Importeur dar.
Zeit und Investitionen benötigt
Einen Blick aus der Wirtschaft auf das Thema gewährte Dr.-Ing. Alexander Redenius von der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH. Redenius stellte das grundlegende Konzept der direkten Vermeidung von CO2-Emissionen im Rahmen der Stahlherstellung im „SALCOS“-Projekt in Salzgitter vor. Der Schlüssel läge hier in der Kompensation des Einsatzes von Kohlenstoff durch grünen Wasserstoff und erneuerbare elektrische Energie in der Stahlherstellung. Die stufenweise Umstellung zu vollständig elektrifizierter und wasserstoffbasierter Stahlerzeugung ist begonnen, benötige jedoch Zeit und Investitionen. Trotz der hohen Technologiereife und einer sehr guten Übertragbarkeit des Ansatzes auf andere Stahlproduktionsstandorte stellt die Verdopplung der Kosten für die Rohstahlproduktion ein wichtiger Aspekt für die Stahlindustrie im internationalen Wettbewerb dar.
Im Resümee seien sich alle Beteiligten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik einig gewesen: Wasserstoff wird und muss eine zentrale Rolle in der Energiewende einnehmen.
"Zwischen Hype und Hoffnung" nicht das Ziel vergessen
Hartmut Neumann – Federführer für Energie bei der IHK Niedersachsen – fasste zusammen, dass es wichtig sei, hinter den Vorhang zu schauen, um zwischen Hype und Hoffnung nicht das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren: das Treibhausgaspotenzial langfristig zu senken. Der vermehrte Einsatz von Wasserstoff in besonders CO2 intensiven Prozessen wie bei der Stahlherstellung sei daher ein sinnvoller Start. Die Politik müsse jedoch weiter daran arbeiten, den regulatorischen Rahmen für die Wasserstoffwirtschaft zu verbessern, damit der Markthochlauf gelingen könne.
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