Hannover. In Niedersachsen werden immer weniger Menschen vor einem Strafgericht verurteilt. Das geht aus der Strafverfolgungsstatistik 2021 hervor, die am heutigen Donnerstag von Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) in Hannover vorgestellt wurde. Demnach gingen die rechtskräftigen Verurteilungen im Jahr 2021 im Vorjahresvergleich um knapp sechs Prozent auf 62.474 zurück (2020: 66.479). Die Zahl der Freisprüche ging im Jahresvergleich ebenfalls leicht zurück, sie sank von 2.785 auf 2.531.
"Die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre hat ganz sicher mit der Corona-Pandemie zu tun", sagte Havliza. "Durch die Kontaktbeschränkungen gab es weniger Alltagskriminalität. Und wo weniger geschlagen und gestohlen wird, müssen am Ende auch weniger Menschen verurteilt werden." Zugleich sehe man bei bestimmten anderen Delikten einen Anstieg an Verurteilungen. "Das muss uns alarmieren. Diese falsche Entwicklung in unserer Gesellschaft beobachten wir insbesondere bei der Verbreitung von Kinderpornografie, Beleidigungen, Gewalt gegenüber Amtsträgern und auch illegale Autorennen." Hierauf werde man weiterhin "sehr gezielt" reagieren, so die CDU-Politikerin.
Überwiegend werden Männer verurteilt
Die Statistik zeigt, dass es weiterhin einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Vor den Strafgerichten in Niedersachsen werden nach wie vor überwiegend Männer verurteilt. Von den 62.474 Verurteilten im Jahr 2021 waren 82,5 Prozent männlich. 78,6 Prozent (49.125) der 62.474 Personen wurden zu einer Geldstrafe verurteilt; rund 14 Prozent zu einer Freiheitsstrafe (9.001). Eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung wurde in 2.656 Fällen verhängt (4,2 Prozent). Der Anteil der Nichtdeutschen oder Staatenlosen unter den Verurteilten beträgt 31,6 Prozent (2020: 30,4 Prozent); im Zehn-Jahres-Vergleich ist er um 15 Prozentpunkte gestiegen.
Bei den "Straftaten gegen das Leben" (z. B. Mord, Totschlag) gab es im Jahr 2021 insgesamt 128 Verurteilungen - vier Verurteilungen mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Verurteilungen wegen Mordes ist mit 13 gegenüber 21 Verurteilungen im Vorjahr deutlich zurückgegangen. Allerdings gab es mit 38 Verurteilungen wegen Totschlags im Jahr 2021 deutlich mehr als 2020 (26). Beide Delikte stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang, da es eine Frage des Einzelfalls ist, ob durch eine Tat ein Mordmerkmal erfüllt wurde, sodass sich bei diesen beiden Delikten die Zu- und Abnahmen tendenziell die Waage halten.
Stark rückläufig waren erneut die Verurteilungen bei "Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit" (z. B. Körperverletzungsdelikte). Der Rückgang im Jahr 2021 (5.246) im Vergleich zu 2020 (6.057) beträgt rund 13 Prozent, im Vergleich zu 2011 (9.143) sogar rund 41 Prozent. Ebenfalls rückläufig waren die Verurteilungen aufgrund sogenannter "Vermögensdelikte". Bei Diebstahl und Unterschlagung sanken die Zahlen im Vergleich zu 2020 um rund 20 Prozent (10.181 auf 8.173), im Vergleich zu 2011 (14.111) sogar um rund 48 Prozent. Auffällig ist auch der Rückgang bei den Verurteilungen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls. Diese sanken im Vergleich zum Jahr 2020 um 101 Verfahren auf 186.
In einigen Bereichen gab es auch Anstiege
Ein langjähriger, stetiger Anstieg der Verurteilungen ist bei den "Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" zu erkennen. Von 2011 (633) auf 2021 (914) beträgt die Zunahme der Verurteilungen knapp 31 Prozent. Deutlich mehr Verurteilungen gab es mit 67 im Jahr 2021 wegen einer "Vergewaltigung" (2020: 52). Besonders deutlich ist der Anstieg bei den Verurteilungen wegen "Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften". Im Jahr 2020 waren es hier 219 Verurteilungen, im Jahr 2021 insgesamt 297, ein Anstieg um knapp 26 Prozent.
"Der Anstieg bei den Verurteilungen im Bereich Kinderpornografie ist nicht überraschend", sagte Justizministerin Havliza. Die Zahl der Ermittlungsverfahren steige seit Jahren. "Vor allem aus den USA erreichen uns immer wieder neue Verdachtsmeldungen und Hinweise." Die immer einfachere Verbreitung von Kinderpornografie sei "eine der dunkelsten Kehrseiten der Digitalisierung". Man dürfe sich nichts vormachen: "Die Verfahren in diesem Bereich werden weiter zunehmen. Und wir müssen und werden mit Personal, Technik und umfassender Strafverfolgung dagegenhalten."
Eine sich fortsetzende Entwicklung sind zudem die zunehmenden "tätlichen Angriffe auf Vollstreckungsbeamte". Seit Mitte 2017 gibt es im Strafgesetzbuch den neuen § 114 StGB. Bei den Verurteilungen ist seitdem immer wieder ein Anstieg zu beobachten: von 234 Verurteilungen in 2018 auf 701 in 2021 - ein Anstieg von rund 300 Prozent. Havliza: "Übergriffe auf Polizisten, Rettungskräfte oder Gerichtsvollzieher sind ein gesellschaftliches Problem. Diesem müssen wir auch in der Präventionsarbeit begegnen. Der aktuelle Doppelhaushalt sieht jährlich 250.000 Euro für die Förderung von Projekten zur Prävention von Hass und Gewalt gegen kommunale Amts- und Mandatsträger vor."
Ein stetiger Anstieg ist auch bei den "Beleidigungsdelikten" zu erkennen. Im Vergleich zu 2020 (2.588) gab es 2021 (2.692) einen Anstieg um knapp vier Prozent, im Vergleich zu 2011 (2.182) waren es rund 19 Prozent. "Zu berücksichtigen ist hier die konsequente Strafverfolgung von Hate Speech im Netz durch die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet bei der Staatsanwaltschaft Göttingen", so Havliza. Je mehr Präsenz die Strafverfolger im Netz zeigen, desto mehr komme auch bei den Gerichten an. "Die Zahlen bei der Zentralstelle haben sich zuletzt verfünffacht."
Vor allem Delikte im Straßenverkehr beschäftigen die Justiz
Nach wie vor verursachen Straftaten im Straßenverkehr einen Großteil der Arbeit der Justiz (Trunkenheitsfahrten etc.). Hier gab es im vergangenen Jahr 15.074 Verurteilungen, ca. vier Prozent weniger als 2020 (15.654). Einen deutlichen Anstieg gab es allerdings erneut bei den Verurteilungen aufgrund des Vorwurfs des "verbotenen Kraftfahrzeugrennens". Hier stiegen die Verurteilungen im Vergleich zu den Vorjahren auf nunmehr 86 an. Das ist ein Zuwachs von knapp 43 Prozent gegenüber 2020 (49) und der 14-fache Wert im Vergleich zu 2018, dem Jahr des Inkrafttretens der Vorschrift.
Nahezu gleich geblieben ist die Zahl der Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz, also der sogenannten "Drogenkriminalität". Hier wurden im Jahr 2021 insgesamt 5.545 Personen verurteilt, 2020 waren es 5.526.
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