Berlin. Das Bundesinnenministerium dringt auf ein EU-weites Verteilregime für neue Flüchtlinge aus der Ukraine. Deutschland setze sich "nachdrücklich für eine solidarische Verteilung der Schutzsuchenden ein und ist der Ansicht, dass insbesondere eine Auseinandersetzung und Lösungsfindung mit Blick auf Sekundärmigration aus anderen Mitgliedstaaten der EU erforderlich ist", sagte ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der "Welt". "Es sollte daher EU-weit ein gleichmäßiges Verteilungsregime für Neuankömmlinge aus der Ukraine anstrebt werden."
Derzeit wird auf EU-Ebene über eine Anschlussregelung für Ukraine-Flüchtlinge verhandelt. Der vorübergehende Schutz nach der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie läuft am 4. März 2025 aus; wie genau eine Folgeregelung aussehen soll, ist noch nicht entschieden. Nach Informationen des SPD-Politikers Helge Lindh erwägt die EU-Kommission zwar eine erneute Verlängerung des Schutzstatus um ein Jahr. Dafür hätten sich alle Mitgliedstaaten "einhellig" ausgesprochen.
Offen ist allerdings, ob es gegebenenfalls Änderungen zum bisherigen Verfahren geben wird, etwa durch ein neues Verteilregime. Wichtig sei, dass man "weiterhin mit der Ukraine zu allen wichtigen Fragen im Gespräch bleibe", heißt es aus dem Bundesinnenministerium.
Bislang können sich Ukrainer ihr Zielland in der EU frei aussuchen, sie können auch weiterreisen. Inzwischen leben in Deutschland mehr als 1,3 Millionen Schutzberechtigte, in Frankreich nur etwas mehr als 60.000. "Für Deutschland ist neben Fragen einer langfristigen Perspektive für die bereits aufhältigen Geflüchteten mit einer Schutzgewährung wichtig, innerhalb der EU ein gemeinsames Vorgehen, insbesondere eine solidarische Verteilung und die Verhinderung von Sekundärmigration für künftig ankommende Geflüchtete sicherzustellen", sagte der Sprecher des Innenministeriums. "Dazu könnte die Anwendung von Artikel 11 einen Beitrag leisten."
Artikel 11 der Massenzustrom-Richtlinie verpflichtet Mitgliedstaaten eigentlich dazu, Schutzberechtigte zurückzunehmen, die unerlaubt in einen anderen EU-Staat weiterreisen wollen. Bislang findet er allerdings keine Anwendung. Sollte er nun angewendet werden, müssten neu ankommende Flüchtlinge gegebenenfalls mit Rückführung rechnen, wenn sie innerhalb der EU weiterreisen.
"Die Personen wären in Deutschland illegal aufhältig und müssten zurückgeführt werden", sagte Winfried Kluth, Rechtsprofessor aus Halle und Mitglied im Sachverständigenrat für Integration und Migration, der "Welt am Sonntag". "Wenn zu dem Zeitpunkt der Aufenthaltstitel im anderen Mitgliedstaat bereits abgelaufen ist, kommt auch eine Rückführung in die Ukraine in Betracht, sonst in den anderen Mitgliedstaat." Anders sehe es allerdings aus, wenn es einen Anspruch auf einen regulären Aufenthaltstitel etwa zum Zwecke der Beschäftigung gebe.
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