Berlin. Mehr als 4.400 Demonstrationen mit Bezug zur Coronapolitik, zum Russland-Ukraine-Krieg und zur Klima- und Energiepolitik fanden seit Anfang September in Deutschland statt. Das geht aus Zahlen der Versammlungsbehörden hervor, über die die "Welt am Sonntag" berichtet.
Obwohl Politiker und Verfassungsschützer wegen Energieknappheit und Inflation im Sommer vor "bedrohlichen Sicherheitslagen" oder gar "Volksaufständen" gewarnt hatten, gab es bislang kein bundesweites Lagebild zu den Protesten im Herbst. Die Auswertung zeigt nun, dass seit Mitte September mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gingen - pro Woche. Grundlage für die Auswertung waren Angaben aus 14 Ländern für den Zeitraum vom 29. August bis 23. Oktober. Lediglich Bayern und Hamburg waren nicht imstande, Zahlen zu den Versammlungen zu nennen; aus Brandenburg liegen sie nur für die zweite Hälfte des Zeitraums vor, aus Sachsen-Anhalt fehlt die Angabe für die erste Woche.
Seit Anfang September mobilisieren rechte und linke Bündnisse zu Versammlungen unter dem Motto "heißer Herbst", in vielen Städten finden wöchentliche Proteste statt. Dabei beobachten Behörden, dass oft Rechtsextremisten, Reichsbürger und "Staatsdelegitimierer" in die Organisation von Protesten eingebunden sind - oder versuchen, diese zu vereinnahmen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, sagte: "Wir bekommen auf den Straßen, bei den Einsätzen, den Frust vieler ab", die Belastung der Polizei sei hoch. Er forderte, Politiker sollten den Menschen erklären, warum sie was machten: "Tretet in den direkten Dialog. Sonst laufen Euch die Rattenfänger schleichend den Rang ab, und die Demokratie gerät in ernste Gefahr."
Den Höhepunkt erreichte das Protestgeschehen in der Woche ab dem 3. Oktober, in der mehr als 140.000 Menschen bei den Versammlungen gezählt wurden. An jenem Samstag fand auch die größte Demonstration im Beobachtungszeitraum statt: Im Regierungsviertel demonstrierte die AfD mit 10.000 Teilnehmern. Seit der Woche ab dem 10. Oktober ist ein Rückgang bei den Teilnehmerzahlen zu verzeichnen.
Aus den Zahlen geht auch hervor, dass es bislang nicht gelungen ist, den Protest an einem Ort zu zentralisieren. Die Anzahl der Versammlungen nimmt kontinuierlich zu: Waren es Anfang September noch rund 400 Demonstrationen, zählten die Behörden Mitte Oktober bereits mehr als 700. Die Demonstranten verteilen sich auf viele kleine Versammlungen - mit durchschnittlich weniger als 200 Personen.
mehr News aus der Region