Keine Alternative mehr: Kraemer kehrt AfD den Rücken

Der Wolfenbütteler Ratsherr Christian Kraemer ist aus der AfD ausgetreten und sitzt nun als Parteiloser in den politischen Ausschüssen der Stadt.

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Christian Kraemer ist kein Mitglied der AfD mehr.
Christian Kraemer ist kein Mitglied der AfD mehr.

Wolfenbüttel. Als Paukenschlag kann man Kraemers Rückzug aus der Wolfenbütteler AfD nicht bezeichnen. Eher war es ein leiser Austritt aus einer Partei, deren Meinung und Arbeit er am Ende nicht mehr vertreten konnte. Im Gespräch mit regionalHeute.de erklärt Christian Kraemer, warum er der AfD den Rücken kehrte und wie es für ihn jetzt politisch weitergeht.


Bei der Kommunalwahl im Jahr 2016 bekam Christian Kraemer als Nachrücker seinen Platz in der Wolfenbütteler Politik, besetzte dort für die damals noch junge AfD die Ausschüsse Bauen und Schule. Außerdem wirkt er im Behindertenbeirat mit. Doch so richtig hatte er seine politische Heimat dort nicht gefunden. Die Alternative für Deutschland war auch für ihn damals einfach eine Alternative. "Ich wollte mich politisch engagieren. Die AfD schien mir damals genau richtig dafür, ich sah bei dieser neuen Partei einfach die besten Chancen für mich, etwas zu bewegen", erklärt Kraemer heute seine damalige Entscheidung. In die rechte Schublade, in die man ihn aufgrund seiner Parteizugehörigkeit gesteckt hatte, habe er nie gepasst. "Ich war nie rechts und ich habe auch nichts gegen Ausländer. Ich habe selber viele ausländische Bekannte und Freunde. In den Vorgesprächen vor meinem Eintritt habe ich auch immer wieder deutlich gemacht, dass ich nicht rechtsradikal bin", beteuert er.

Keine Alternative mehr


Bereits im November 2019 gab er seinen Austritt aus der AfD bekannt. Seither sitzt er als parteiloses Mitglied im Rat der Stadt und in den Ausschüssen. "Ich teile so einige Ansichten der AfD einfach nicht. Das habe ich von Anfang an auch nicht. Aber es war eine aufstrebende Partei, in der ich einfach die Chance gesehen habe, etwas zu bewegen. In einer anderen Partei hätte ich nichts bewirken können", ist sich Kraemer sicher. Und bewirken wollte der 40-Jährige unbedingt etwas. Vor allem für Menschen mit Handicap wollte er sich einsetzen, sagt Christian Kraemer, der seit einem Unfall 2013 einen Rollstuhl benötigt.

Erste und auch öffentlichkeitswirksame Unstimmigkeiten innerhalb der Partei gab es bereits Anfang 2018, als drüber abgestimmt werden sollte, ob die Stadt Wolfenbüttel als mehrheitlicher Gesellschafter beim Löwentor-Entwickler, der iandus Objektgesellschaft Wolfenbüttel GmbH & Co. KG, einsteigen sollte. Kraemer stimmte seinerzeit entgegen der übrigen AfD-Meinung, für die Beteiligung. "Das war auch das einzige Mal, dass ich in irgendeiner Weise in der Presse aufgefallen bin", sagt er. Im Laufe der Jahre sei es dann innerhalb der AfD immer wieder zu Entscheidungen gekommen, die für den 40-Jährigen nicht mehr vertretbar waren. Und auch die Fraktionsarbeit habe Kraemer nicht gefallen. So dachte er, dass es regelmäßige Treffen und Sitzungen gebe und nicht immer nur kurz vor knapp. "Unter politischer Arbeit stelle ich mir eben etwas anderes vor."

Politisch vorerst keine Pläne


Die Konsequenz war der Rückzug aus der AfD. Die Entscheidung, die AfD zu verlassen wurde in der Fraktion unterschiedlich aufgenommen. "In das Fraktionsbüro komme ich jedenfalls nicht mehr. Zu einigen Mitgliedern habe ich noch Kontakt, zu anderen überhaupt nicht mehr", erzählt Kramer. Was ihm aber auch seit seinem Austritt aus der Partei aufgefallen sei: Man trete ihm offener, freundlicher und wohlgesonnener gegenüber. "Mir wird jedenfalls nicht mehr die schwere Holztür im Rathaus vor der Nase zugeschlagen."

Auch die Anfeindungen, die er als AfD-Mitglied als Geschäftsinhaber eines Lebensmittelladens in Börßum hinnehmen musste, hätten am Ende zu seiner Entscheidung beigetragen. Lange Zeit habe er immer wieder gegen Vorurteile und Missbilligungen kämpfen müssen - so weit, dass am Ende nur noch wenige Kunden in seinen Laden gekommen sind. Seinen Laden in Börßum hat er Ende des vergangenen Jahres geschlossen. Seine berufliche Zukunft hat er nun in Braunschweig mit einem neuen Geschäft gefunden.

Eine politische Zukunft wird es für Christian Kraemer nach der Kommunalwahl im September erstmal nicht geben. Als Parteiloser sieht er es als schwierig an, Fuß zu fassen. Und eine Partei, der er sich anschließen könnte, würde er derzeit auch nicht favorisieren. "Klar hätte ich Lust darauf, mich auch weiter politisch zu engagieren. Aber ich kann mich im Moment mit keiner anderen Partei identifizieren", sagt er. Seine Posten in den Ausschüssen behält er noch bis zum Ende der Wahlperiode. Das Angebot der AfD, seinen Platz im Schulausschuss zu räumen, habe er dankend abgelehnt. Dem Behindertenbeirat wird er nach wie vor angehören - dafür braucht er kein politisches Mandat. Und vor allem etwas für Menschen mit Behinderung zu tun, sei von Anfang an auch sein Schwerpunkt gewesen, sagt Kraemer abschließend.


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