Braunschweig. In einer Strafsache gegen den Studenten und Klimaaktivisten Julian Huber (20) aus Berlin hat das zuständige Amtsgericht Braunschweig das Verfahren wegen Nötigung und Sachbeschädigung am heutigen Donnerstag, 13. Juni, nach rund zweistündiger Verhandlung eingestellt. Dies geht aus einer Pressemitteilung der Letzten Generation hervor.
Huber hatte sich am 10. August des vergangenen Jahres gemeinsam mit fünf weiteren Menschen der Letzten Generation im Feierabendverkehr auf die Wolfenbütteler Straße gesetzt (Höhe Heinrich-Büssing-Ring, wo zeitgleich eine zweite Protestaktion im Kreuzungsbereich stattfand), um gegen die "verfehlte Klimapolitik der Bundesregierung" zu protestieren.
Er und die weiteren Aktivisten klagten per Banner den Verfassungsbruch (Artikel 20a, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und Tiere) an, den sie der Bundesregierung vorwerfen. Außerdem richteten sie sich mit der Aktion konkret gegen eine in Teilen später als rechtswidrig eingestufte Allgemeinverfügung der Stadt Braunschweig, die Klimaproteste auf Fahrbahnen im vergangenen Jahr pauschal untersagte. Dagegen hatten die BIBS-Fraktion und die Grünen öffentlich Stellung bezogen und sich hinter die Aktivisten gestellt.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, klebte sich unter anderem Huber mit einem Kleber-Sand-Gemisch (die sogenannte "Betonhand") auf die Fahrbahn. Die Technische Einheit der Polizei löste ihn Stunden später per Trennschleifer von der Straße. Der Autoverkehr floss noch vor Eintreffen der Polizei über den Bürgersteig ab, später sperrten die Beamten die Fahrbahn vom John-F.-Kennedy-Platz in Richtung stadtauswärts komplett.
Aktivist erklärt sich vor Gericht
Grund für die Einstellung waren laut Aussage des Gerichts nicht die Einlassungen von Huber. In diesen schilderte der Mathematik-Student "ausführlich und wissenschaftlich sowie historisch begründet", warum ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel der demokratischen Auseinandersetzung sei und dieser gerade das Grundgesetz stütze. Außerdem erwähnte er anhand von Studien, dass die Proteste der Letzten Generation der Zustimmung in der Gesellschaft zum Klimaschutz nicht nachweislich schaden und sogar für die zentrale Herausforderung der Menschheit sensibilisieren.
Er begründete seinen Protest damit, dass er sich von der Bundesregierung täuschen ließ, sie tue doch ihr bestmögliches, um die menschengemachte Klimakrise einzudämmen und seiner und künftigen Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen.
"Teil seiner Ausführungen war ein Plädoyer an alle Menschen im Raum, sich selbst zu hinterfragen, ob es persönlich hinnehmbar ist, weiter seinem Alltag nachzugehen und wissenschaftliche Fakten zu verdrängen oder ob es nicht zielführender sei, gegen das zerstörerische Wirtschaftssystem und für eine klimagerechte Zukunft in den friedlichen Widerstand zu treten. Dabei betonte er die Hoffnung, die die Letzte Generation auf einen Wandel in sich trägt", so heißt es in der Pressemitteilung.
Keine weitere Strafe
Die Richterin und der Staatsanwalt hätten sich hingegen damit zufriedengegeben, dass Huber geständig war, er in Berlin wegen sechs anderer Aktionen bereits zu 150 Sozialstunden nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde und die Letzte Generation inzwischen einen Strategiewechsel vollzogen hat.
Huber sagte zur Einstellung des Verfahrens: "Ich hätte gerne die Frage nach der Legitimität und Rechtfertigung von Blockadeaktionen unter Berücksichtigung von Klimaschutz als Verfassungsauftrag gerichtlich klären lassen. Trotzdem bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis und hoffe eine positive Wirkung auf das Gericht und die Staatsanwaltschaft gehabt zu haben."
Die anderen beteiligten Aktivisten des Protests vom 10. August 2023 werden voraussichtlich separate Verfahren bekommen. Die Kosten für den Polizeieinsatz und die Reparatur der Straße übernimmt die Staatskasse, so die Letzte Generation abschließend in ihrer Pressemitteilung.
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