Braunschweig/Goslar. Beim gestrigen sechsten Prozesstag im Fall Manczak traten die beteiligten Ermittler der Mordkommission "Fortuna" in den Zeugenstand. Vor allem die Strafverteidiger Martin Nitschmann und Andreas Zott hinterfragten die Angaben der Zeugen sehr genau und stellten, wie bereits in den vorangegangenen Prozesstagen, die Ermittlungsarbeit der Polizei in Frage.
Sechs Beamte, die Teil der Ermittlungsgruppe und späteren Mordkommission "Fortuna" waren, sagten am Donnerstag aus. Im Vordergrund ihrer Berichterstattung standen die gesammelten Indizien, die auf G. als Täter hinweisen und dessen Vernehmungen als Hauptverdächtiger im Vermisstenfall Manczak. Befragungen, die nach Ansicht der Verteidiger "nicht mit den Rechten des Angeklagten vereinbar" seien. Strafverteidiger Nitschmann zielte hierbei vor allem darauf ab, dass sein Mandant seiner Auffassung nach mitunter nicht ausreichend über seine Rechte informiert worden sei und Gespräche mit dem Beschuldigten ohne das vorherige Verlesen seiner Rechte und ohne die Anwesenheit eines rechtlichen Beistands erfolgten. G. sei immer wieder auf seine Rechte hingewiesen worden, sagten die Ermittler vor Gericht aus. Mehr als ein Mal habe man ihn gefragt, ob er einen Anwalt hinzuziehen wolle.
Zudem habe man immer wieder versucht seinen Mandanten in Gespräche zu verwickeln, um diesem Informationen zum Ablageort des mutmaßlich toten Karsten Manczak zu entlocken. Auch, als dieser ganz deutlich machte, dass er nicht aussagen werde und wegen eines Schwächeanfalls am Tag seiner Verhaftung im Klinikum behandelt werden musste, hätten die Beamten versucht auf G. einzuwirken. Dabei hätten sie, wie es Zott nannte, auf Taschenspielertricks zurückgegriffen, als Ermittlungsergebnisse allein nicht mehr reichten.
"Zweifelhafte Taktik"
Die Vernehmungstaktik der Polizei Goslar am Tag der Verhaftung von G. wurde von der Verteidigung besonders angezweifelt. Dass die Überführung von G. am Tag seiner Verhaftung von Braunschweig nach Goslar in die Wache in einer "fröhlichen Stadtrundfahrt" mündete, sei für die Anwälte mehr als unverständlich. Nachdem man Martin G. am Morgen des 18. Mai in seiner Dienststelle verhaftet hatte, sollte er zur weiteren Vernehmung nach Goslar gebracht werden - doch nicht auf dem direkten Weg. Zwei Stunden dauerte die Fahrt, bei der es am Wohnhaus der Familie Manczak und auch an seinem eigenen Heim vorbei ging. Auch an möglichen Ablageorten und nach Ringelheim, wo G. am Tattag in ein Taxi gestiegen sein soll, fuhr der Polizei-Bulli mit dem Verdächtigen an Bord vorbei. Während der Fahrt wurde G. von der Polizei mit den aus Sicht der Ermittler erdrückenden Indizien konfrontiert und auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen. Hierbei habe vor allem der zuständige Polizeibeamte das Gespräch geführt, von G. selbst sei nur wenig gekommen, berichtete der Kriminalhauptkommissar vor Gericht. Die mit der Leitung der Mordkommission abgesprochene Aktion sollte dazu dienen, um eine Reaktion oder Aussage des Verdächtigen zu provozieren. Eine herkömmliche Ermittlungstaktik, mit der man ihm auch ins Gewissen reden und keine Vernehmsituation herbeiführen wollte, sagte der Beamte. "Komisch und zweifelhaft", sagte Verteidiger Nitschmann, der kritisierte, dass sein Mandant über mehrere Stunden ohne Essen und Trinken auskommen musste. Zudem sei der von dem Beamten geführte Monolog, ein fortwährendes Einreden auf seinen Mandanten gewesen. Auch sei dieser nicht gefragt worden, ob er mit der "Stadtrundfahrt" einverstanden sei.
Auch bei der Ankunft in der Goslarer Wache setzte sich die aus Sicht der Verteidigung fragwürdige Taktik der Polizei fort, als eine "zufällige" Begegnung mit der Geliebten - der Ehefrau von Karsten Manczak - auf dem Flur arrangiert wurde, um ebenfalls eine Reaktion oder Aussage zu erzielen. Die habe es auch gegeben, berichten die Ermittler. G. sei bei der Begegnung zusammengesackt und habe gestöhnt, als er seine Geliebte erblickte. Diese sei seinem Blick allerdings ausgewichen.
Eine weitere für die Verteidigung nicht übliche Situation habe sich ereignet, als G. nach einem Schwächeanfall und mit hohem Blutdruck aus seiner Zelle ins Krankenhaus gebracht wurde. Auch hier hätten die Ermittler am Krankenbett auf G. eingeredet, obwohl dieser erklärte, er wolle zunächst gesund werden und keine Aussage machen. Eine ähnliche Situation habe sich ergeben, als G. dem Haftrichter vorgeführt wurde und dafür zum Amtsgericht gebracht wurde. Auch hier sei er von den Beamten in ein Gespräch verwickelt worden, das zwar dokumentiert wurde, jedoch ohne vorherige Belehrung durch den Beamten erfolgte.
Verteidigung stellt Beobachtungsgabe in Frage
Auch einige Vorgehensweisen und Beurteilungen der Beamten während der Ermittlung wollten Nitschmann und Zott nicht so ganz gelten lassen. So würden die Beamten wohl kaum über ausreichende psychologische Fachkenntnisse verfügen, die eine Einschätzung des Verhaltens des Angeklagten zuließen. Ebenfalls Zweifel gab es seitens der Verteidigung bezüglich der Spurensuche und Auswertung. Nitschmann kritisierte, dass beispielsweise der im Garten der Manczaks gefundene Pfeil nur anhand von Fotos des Herstellers, der Armbrust von G. zugeordnet wurde. Auch blieb für die Verteidigung unklar, weshalb Spürhunde im Hause G. zwar anschlugen und Blutanhaftungen gefunden wurden, diese aber für eine Auswertung nicht ausreichten. Zudem wurde den Beamten vorgeworfen, nicht ausreichend über Ermittlungsabläufe und Ergebnisse informiert zu seien und es nach Meinung der Anwälte zu widersprüchlichen Angaben und Aussagen und nicht objektiven Einschätzungen gekommen sei. Bereits in den vorherigen Prozesstagen kritisierten die Verteidiger, dass man ihren Mandanten vorschnell zum Beschuldigten gemacht habe und ihn schon bei der ersten Vernehmung als Zeugen getäuscht habe.
Martin G. und die gemieteten Autos
Ob nun vorschnell oder nicht. Die Ergebnisse, die von den ermittelnden Behörden während des laufenden Prozesses offenbart wurden, zeigen ein wirres Konstrukt von Ereignissen rund um Martin G. und Karsten Manczak, bei denen immer wieder Verbindungen von dem Einen zum Anderen auftauchen. So wie die von G. angemieteten Autos - vier an der Zahl.
Vom 2. bis 11. November 2020 hatte G. einen weißen Toyota Aygo bei einer Autovermietung gemietet. Von einem ähnlichen Fahrzeug - jedoch mit nicht übereinstimmenden Kennzeichen - hatte Manczak seiner Frau vor gut einem Jahr berichtet. Er soll es am Friedhof in Döhren gesehen haben.
Im März 2021 hatte G. einen Fiat Tipo gemietet - zeitgleich wird der Garten der Manczaks "verwüstet" und wenig später ein Armbrustpfeil gefunden.
Zwischen dem 10. und 13. April mietete G. in Salzgitter einen schwarzen Fiat 500. Ein solches Fahrzeug - ebenfalls mit nicht übereinstimmenden Kennzeichen - wurde am Tag des Verschwindens von Karsten Manczak von mehreren Zeigen in den Morgenstunden vor dem Haus der Familie gesichtet.
Vom 20. bis zum 22. April soll G. einen weißen Transporter gemietet haben, mit dem er in Bitterfeld Bauzäune gekauft und transportiert haben soll. Bis heute ist ungeklärt, wo die Bauzäune abgeblieben sind.
Nächste Verhandlung erst im neuen Jahr
Der Prozess wird im kommenden Jahr erst weitergeführt. Am 6. Januar geht es vor dem Braunschweiger Landgericht weiter. Bei den anstehenden Prozesstagen sollen unter anderem noch ein Sohn von Karsten Manczak und der Leiter der Mordkommission aussagen. regionalHeute.de wird auch diese Verhandlungstage begleiten.
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