Missbrauch im Bistum Hildesheim: physische, psychische und sexualisierte Gewalt

Externe Fachleute haben im Auftrag von Bischof Wilmer eine Studie zu sexualisierter Gewalt vorgelegt.

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Symbolbild. | Foto: Pixabay

Region. Im Rahmen einer Studie wurde aufgedeckt, dass es im Bistum Hildesheim, in den 1950er und 1980er Jahren, zur Verschleierung von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt kam. Eine Gruppe externer Fachleute hat heute eine zweibändige, mehr als 400 Seiten umfassende Studie zu sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim veröffentlicht, so das Bistum in einer Pressemitteilung. Der Untersuchungszeitraum umfasste die Amtszeit des verstorbenen Bischofs Heinrich Maria Janssen von 1957 bis 1982.


Der Bericht ist auf der Website des Bistums veröffentlicht und benennt eklatante Missstände im Umgang mit sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch während der Amtszeit von Bischof Janssen, so das Bistum. Demnach habe es von kirchlicher Seite Zuwendung und Schutz für die Täter gegeben, während die Betroffenen keinerlei Hilfsangebote erhielten und mit ihrem Leid allein gelassen worden seien. Die Experten haben festgestellt, dass unter der Verantwortung Janssens keine Schutzmaßnahmen getroffen seien, um nach bekannt gewordenen Missbrauchsvorwürfen gegen Geistliche weitere Straftaten durch diese Priester zu verhindern. Die Taten seien verschwiegen und vertuscht worden. Laut der Pressemitteilung zeigt die Studie auch, dass während der Amtszeit Bischof Janssens die Personalakten ohne inhaltliche Ordnung geführt wurden und gravierende Mängel aufweisen. In den Jahren 2015 und 2018 wurden Missbrauchsvorwürfe zweier Betroffener gegen den verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen dokumentiert. Die Gruppe der Fachleute hat keine weiteren, zusätzlichen Hinweise für durch Bischof Janssen selbst verübte, sexualisierte Gewalt gefunden. Ebenso fanden die Experten keine Hinweise auf Kooperationen mutmaßlicher Missbrauchstäter.

Die Untersuchung mache sichtbar, dass es offenkundig massives Unrecht gegenüber Minderjährigen in katholischen Heim-Einrichtungen im Bistum Hildesheim gab. Insbesondere in Bezug auf den Bernwardshof in Hildesheim-Himmelsthür gebe es Berichte über physische, psychische und sexualisierte Gewalt. Bischof Janssen hat diese "erzieherische Verantwortungslosigkeit“ über viele Jahre geduldet und mitgetragen, so das Bistum in seiner Pressemitteilung. Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ sagte während der Vorstellung der Studie, der Bericht konfrontiere das Bistum und ihn „mit einem Systemversagen, mit Mängeln in der Leitung, der Personalführung, der theologischen Reflexion und der Zusammenarbeit mit einem Rechtsstaat“. "Der Bericht zeigt auf, wie die damalige Bistumsleitung bei diesen in den Heimen verübten Verbrechen, aber auch bei denen, die in den Pfarrhäusern und Pfarreien geschahen, wegschaute. Es ging vor allem um den Schutz der Institution und der Priester. Die Geschädigten tauchten nicht auf. Priester als Täter wurden verschont“, so Wilmer.

Es werden weitere Aufarbeitungen geben



Der Bischof machte deutlich, dass nun eine umfassende Lektüre und Auswertung der Studie bevorstehe, um anschließend Konsequenzen aus den Berichtsergebnissen zu ziehen. Fest stehe aber bereits, dass es weitere Aufarbeitungsvorhaben geben und dass das Bistum Hildesheim den Bereich der Aufarbeitung, Intervention und Prävention umbauen und personell aufstocken werde. So werde die Diözese für die Aufarbeitung und Vorbeugung sexualisierter Gewalt eine neue Stabsstelle einrichten. Darin werde die bisherige Fachstelle Prävention eingegliedert. Sie werden damit Ansprechpartner für unabhängige Experten werden, so das Bistum. Darüber hinaus sei eine Verzahnung der neuen Stabsstelle mit der Präventionsarbeit im Diözesan-Caritasverband geplant. Die neue Stabsstelle werde eng mit der Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenrat kooperieren, die das Bistum Hildesheim auf Ebene der norddeutschen Metropolie gemeinsam mit dem Erzbistum Hamburg und dem Bistum Osnabrück etablieren werde. Die Deutsche Bischofskonferenz erarbeite derzeit eine Rahmenordnung für die Führung der Personalakten von Klerikern. Das Bistum Hildesheim werde diese Ordnung, die wahrscheinlich auf der Vollversammlung der deutschen Bischöfe Ende September beschlossen wird, übernehmen und zeitnah in Kraft setzen. Die Personalaktenordnung definiere verbindliche Regeln zur Führung der Personalakten, die vollständig und fälschungssicher zu führen seien. Die bisherigen Personalakten würden im Rahmen eines Sonderprojekts paginiert und in ihrer bisherigen Form geschlossen.

Kontakte für Betroffene



Für Betroffene von sexualisierter Gewalt gibt es im Bistum Hildesheim professionelle Ansprechpartner, die von der Kirche unabhängig seien. Die Kontaktdaten sind hier zu finden. Der Beraterstab in Fragen sexualisierter Gewalt ist telefonisch unter der Nummer 05121-17 48 266 und per E-Mail erreichbar.

Die externe Untersuchung sei interdisziplinär angelegt gewesen. Leiterin der externen Untersuchung ist die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht a. D. und ehemalige niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) gewesen. Mit ihr zusammen arbeiteten der Leitende Oberstaatsanwalt a. D. Kurt Schrimm aus Stuttgart, der 15 Jahre lang Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gewesen ist, sowie Fachleute des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) aus München. Das IPP ist ein sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut, das in der Vergangenheit bereits mehrere unabhängige Studien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch in kirchlichen Institutionen vorgelegt hat, so auch im Bistum Hildesheim. Bischof Wilmer hatte die Fachleute im April 2019 mit dem Gutachten beauftragt. Den Ausgangspunkt für das Vorhaben bildeten die in den Jahren 2015 und 2018 dokumentierten Missbrauchsvorwürfe zweier Betroffener gegen den verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen.


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