Braunschweig. In der Moschee der Deutschen Muslimischen Gemeine Braunschweig wird ein Islam gepredigt, der nur schwer mit modernen Werten vereinbar ist. Beweis dafür ist der YouTube-Kanal der Gemeinde, auf dem salafistische Szenegrößen, wie Pierre Vogel und Abul Baraa predigen. Wo manches skurril erscheint, zeugen andere "Lebenshilfen" der sogenannten Gelehrten von einem Weltbild wie aus dem Mittelalter.
Im Verfassungsschutzbericht 2020 widmen die Niedersächsischen Schlapphüte ihr einen ganzen, eigenen Abschnitt: Der Deutschen Muslimischen Gemeinde Braunschweig, kurz DMG. Da heißt es, dass die Gemeinde, deren Moschee an der Hamburger Straße liegt, aktuell versuche, eine Lücke in der salafistischen Szene zu füllen, die sich in den letzten Jahren aufgetan habe. Durch die Schließungen mehrerer Moscheen in Nordrhein-Westfalen, Berlin und andern Teilen Niedersachsens habe die salafistische Szene ihre Anlaufpunkte verloren, ebenso charismatische Führer, die an diesen Orten predigen.
Abul Daraa, alias Ahmed Ahrmi, hat beim Verfassungsschutz seine eigene Seite. Auf dem Kanal beantwortet der Prediger Fragen seiner Zuhörer. Foto: Youtube/DMG-BS
Immerhin sind in den letzten Jahren einige Szenegrößen ausgeschieden. So begab sich Sven Lau, ehemals Protegé von Pierre Vogel und Initiator der "Scharia-Polizei", in ein Aussteigerprogramm, dem Hildesheimer IS-Prediger Abu Walaa wird aktuell am Landgericht Celle der Prozess gemacht. Den übrigen bietet aber die DMG einen Anlaufpunkt. Seit Jahren lädt die Braunschweiger Gemeinde etwa Pierre Vogel ein. Der ehemalige Profiboxer erklärte etwa das "westliche" Verständnis von Menschenrechten in der "Genfer Blablabla" (gemeint ist die Genfer Konvention) für ungültig, weil sie weder im Koran, noch in den Hadithen vorkämen. Auch Abul Baraa, bürgerlich Ahmad Armih, ist gern gesehener Prediger in der Braunschweiger Gemeinde. Ihm widmet der Niedersächsische Verfassungsschutz eine eigene Seite auf seiner Webpräsenz. Immerhin hat er die meisten Auftritte bei der DMG.
Der Verfassungsschutz glaubt laut seines Berichts aber, dass die salafistische Szene auf dem absteigenden Ast sitzt, zumindest in der Öffentlichkeit. Ausstiege, Festnahmen und Razzien hätten die Szene nachhaltig in ganz Deutschland geschwächt. Gebannt sei die Gefahr aber noch nicht: Wo früher offen in den Moscheen gepredigt wurde, konspiriere der harte Kern nun verdeckt. Zudem geht der Niedersächsische Verfassungsschutz davon aus, dass die Szene sich vornehmlich legaler Mittel bedienen wolle, um ihre Ziele durchzusetzen. Auch wenn also kaum mit Anschlägen aus diesem Milieu zu rechnen sei, würden sie weiterhin versuchen, sich hart von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen. Integration, das bestätigt auch Pierre Vogel in seinen Videos, wird als Schleimerei und Sünde gesehen. Jeder, der dies kritisiert, sei nichts weiter als ein christlicher Missionar und Islamhasser.
Lebenshilfe mit Abul und Pierre
Wer sich jetzt den YouTube-Kanal der DMG Braunschweig ansieht, der wird schnell von der puren Masse an Videos erschlagen. Jeden Tag werden mehrere Videos hochgeladen, von langen Vorträgen, über die ausführliche Beantwortung einzelner Fragen bis hin zu Shorts, also kurzen Fragen mit kurzen Antworten. Dabei können dem ungläubigen Leser manche Themen absurd vorkommen: Ob Gott es erlaube, die eigene Katze kastrieren zu lassen, fragt da einer. Ja, antwortet da Abul Baraa, unter Umständen. Wenn es nötig sei, ist es völlig in Ordnung, aber zum Spaß dürfe man den Stubentiger nicht zeugungsunfähig machen. Die Rache des Tiers hat man vermutlich ohnehin nicht zu fürchten, immerhin kommen Tiere auch nicht ins Paradies, wie Baraa in einem anderen Video erklärt. Übrigens bringt es deswegen auch nichts, für seinen Goldfisch ein Totengebet zu sprechen. Aber das nur am Rande. Wem das Angebot auf dem DMG Kanal nicht reicht, der wird auch auf den eigenen Kanälen von Vogel und Baraa fündig. Auch hier werden Videos aus Braunschweig hochgeladen, deutlich gekennzeichnet als Kooperation mit der DMG.
Weit entfernt von harmlosen Kuriositäten sind aber die Antworten zu Fragen, die den Umgang mit Frauen, Homosexuellen, dem Rechtsstaat oder einfach Nichtmuslimen beschreiben: Abul Baraa erklärt etwa, dass es natürlich in Ordnung sei, wenn die Frau des Hauses Gäste begrüße, danach müsse sie sich aber umgehend in ihr Zimmer zurückziehen. Sowieso, wenn eine fremde Frau und ein fremder Mann zu zweit in einem Zimmer seien, sei immer auch Satan mit anwesend. Und dass sich eine Frau verdecken müsse, mindestens unter dem Hijab, also dem Kopftuch, sei ohnehin klar. Ein anderer Prediger, der sich selbst Ibrahim nennt, stellt auch fest, dass es theoretisch für eine Frau möglich sei, Hosen zu tragen. Allerdings nur, wenn sie die Figur nicht erahnen lassen. Und eine solche Hose, konstatiert Ibrahim ernst, gibt es nun mal nicht. Eine Frau, die zudem einen Dutt unter ihrem Hijab trage, bezeichnet Abul Baraa als verdorben. Allein dadurch verderbe sie aber auch weitere Frauen.
Pierre Vogel beurteilt in einem anderen Video dagegen die "LGBT-Bewegung". Eine Welle sei das, Kinder würden schon im jüngsten Alter dorthin gezwungen. Wer das ausspreche, so Vogel sei gleich homophob. Homosexualität, erklärt er weiter, sei mit "dem Islam" nun mal nicht vereinbar. Entsprechend urteilt der Rheinländer über liberale Muslime: Einen homosexuellen Muslim, der in die liberale Moschee gehe und für sich beansprucht, von Allah akzeptiert zu werden, verlacht Vogel. Wenn Gott nicht mit seiner sexuellen Orientierung klarkomme, so ein liberaler Muslim, den Vogel während seines Vortrages einspielt, dann sei für ihn der Damm gebrochen. Er falle vom Glauben ab. Für Vogel eine unglaubliche Anmaßung. "Es kann doch nicht sein", so Vogel in seiner Reaktion, "dass im Fernsehen so ein Schwachsinn erzählt wird."
Staat und Gesellschaft werden abgelehnt
In ihren Videos setzen sich die selbsternannten Gelehrten aber auch mit dem Verhältnis zwischen dem deutschen Staat und den nach ihrer Auffassung "rechtgeleiteten" Muslimen auseinander. Abul Baraa war zum Anfang der Pandemie selbst in eine Kontroverse um die Unterschlagung von Coronahilfen verwickelt. Er erklärt aber nun das Verhältnis des "gläubigen", heißt seinen Lehren folgenden, Muslims zu einem deutschen Gericht: Ja, man dürfe sich an die Gerichte der Ungläubigen wenden, aber nur, wenn kein islamisches Gericht zur Verfügung stehe. Dann sei das, weltliche Gesetze hin oder her, immer dem staatlichen Rechtssystem überstellt. Da es aber auf der ganzen Welt kein ordentliches islamisches Gericht gebe, müsse man sich wohl oder übel an das deutsche Gericht wenden, um an sein Recht zu kommen. Wichtig sei nur, dass man mangels Alternativen dazu gezwungen sei.
Die Teilnahme an Wahlen seien dagegen vollständig auszuschließen, es sei denn, man müsse aus Selbsterhaltung dafür sorgen, dass die muslimische Gemeinde erhalten bleibt. Da hier aber aktuell keine Gefahr bestehe, müsse man auch nicht wählen. Wer es als Muslim trotzdem tue, dem drohe das Höllenfeuer. Besonders deutlich tritt das Verhältnis zwischen dem, was Baraa als Muslime sieht, und dem Rest der Gesellschaft, das in der DMG-Moschee gepredigt wird, aber bei einer Antwort auf die Frage eines kleinen Jungen zutage. Da fragt der Junge, ob er denn auch mit Nichtmuslimen befreundet sein dürfe. "Nein", antwortet Abul Baraa ohne zu zögern. Respektvoll und gerecht dürfe er sein, ja. Aber mit anderen Kindern befreundet sein, die keine Muslime sind, das sei verboten, bekräftigt der Salafist. Ein Muslim und ein Ungläubiger könnten nun mal nie Freunde sein.
Eine Anfrage und mehrere Versuche der Kontaktaufnahme von regionalHeute.de zu ihren Predigern und deren Inhalten ließ die DMG Braunschweig unbeantwortet.
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