Braunschweig. Vor der großen Strafkammer am Landgericht Braunschweig sollte am heutigen Dienstag der Prozess im Mordfall Karsten Manczak starten. Doch bis zur Anklageschrift kam es nicht, der Prozess wurde abgebrochen. Wohl zur Freude einiger Journalisten, muss man sagen. Denn die dürfen nun darauf hoffen, dass sie vielleicht beim nächsten Mal einen Platz im Gerichtssaal bekommen. Denn die waren rar, am ersten Prozesstag. Auf ein so großes öffentliches Interesse war man im Landgericht offenbar nicht vorbereitet.
Seit dem Verschwinden des 51-jährigen Karsten Manczak aus Groß Döhren bei Liebenburg im April 2021 wuchs das öffentliche Interesse an dem Fall quasi von Tag zu Tag. Immer mysteriöser wurde der Fall, immer größer das Interesse der Medien und der Bevölkerung. Spätestens, als bekannt wurde, dass Manczak offenbar getötet wurde, die Leiche bis heute unauffindbar ist, wenige Wochen später ein mutmaßlicher Täter präsentiert und sogar ein Aufruf in der Sendung Aktenzeichen XY... ungelöst gestartet wurde, hatte man wohl auch im letzten Zipfel des Landes von dem Fall gehört. Entsprechend war zu erwarten, dass das Landgericht auf den Prozess und den Andrang im Gerichtssaal vorbereitet ist. Doch weit gefehlt. Gerade einmal fünf Presseplätze und etwa zehn bis zwölf weitere Zuschauerplätze waren eingerichtet worden. Für einen Fall, der weit über die Region hinaus für Aufsehen sorgte, nur wenige Plätze. Coronabedingt zum einen, sagen die Gerichtssprecher. Zum anderen habe man mit solch einem Andrang dann wohl doch nicht gerechnet. Es habe schon ähnliche medienwirksame Prozesse gegeben und da sei es nie zu Platzproblemen gekommen, sagt der Gerichtssprecher, der auch den Tipp gab, eine Halbe- bis Dreiviertelstunde vor Prozessbeginn da zu sein, würde ausreichen.
Windhund-Prinzip
Den Zugang in den Gerichtssaal hatte man dem Zufall überlassen. Über das Windhund-Prinzip - wer zuerst kommt, mahlt zuerst - sollte alles geregelt werden. Hätte man geahnt, dass es nur etwa 20 Plätze gibt, hätten einige Medienvertreter vielleicht ein Zelt vor dem Gerichtsgebäude aufgeschlagen. Die "Zuschauerkarten" sind schon früh am Morgen weg gewesen, verrät eine Gerichtsmitarbeiterin. Schon ab sieben Uhr in der Frühe hätten die ersten Menschen vor dem Gerichtsgebäude auf Einlass gewartet. Die Pressekarten waren vorab an einige Medien verteilt worden, die offenbar sehr früh ihr Interesse bekundet hatten und an so etwas wie einem Akkreditierungsverfahren teilgenommen haben, das es offiziell aber nicht gab. Darunter dpa, BILD, Sat1 und RTL. Die regionale Presse guckte mitunter in die Röhre. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Platz hätte es gegeben
Platz-Potential sei aber durchaus vorhanden gewesen. Doch die Empore im Gerichtssaal - auf der vier bis sechs Reporter oder Zuschauer auch unter Coronabedingungen Platz gehabt hätten - war keine Option an diesem Tag. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Verhandlung ohnehin auf der Kippe stand. Und so mussten einige Pressevertreter kurz nach Verhandlungsbeginn den Saal verlassen, zwar mit einigen Fotos im Kasten, aber ohne Informationen aus erster Hand - wäre der Prozess weitergeführt worden. Zuschauer ohne Platzkarte wurden direkt am Eingang wieder weggeschickt.
Dass Kapazitäten beschränkt sind, gerade unter den derzeit herrschenden Bestimmungen, ist klar. Doch hätte das Landgericht in diesem Fall nicht für mehr Kapazität sorgen müssen oder können? Bei einem Prozess, der seit einem halben Jahr die Medien und die Bevölkerung beherrscht? Vielleicht hat man aus dem heutigen Platzmangel gelernt. Denn, dass man sich Gedanken über künftige Verhandlungstage machen wolle, versprach Gerichtssprecher Stefan Bauer-Schade.
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