Niedersachsen. Der Frühling ist da. Dabei hat der Winter - von Anfang Dezember und ein paar Tagen im Januar abgesehen - eigentlich gar nicht richtig stattgefunden. Das lässt nicht nur Klimaforscher in den Alarm-Modus fallen, auch einen weiteren negativen Effekt bringt dies mit sich: Für Zecken sind die Lebensbedingungen optimal.
Dass von den kleinen Blutsaugern eine Gefahr für Mensch und (Haus)tier ausgeht, darüber wurde schon vielfach berichtet. regionalHeute.de fragte daher beim Niedersächsischen Landesgesundheitsamt sowie dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach einer Einschätzung, wie man dort die Populationsentwicklung und Gefährdung durch Zecken bewertet.
Hohe Zeckenpopulation erwartet
Wärmere Temperaturen machten es den Zecken leichter, zu überwintern und böten außerdem auch den potenziellen Wirten der Zecken bessere Bedingungen, sodass die Zecken ein größeres Nahrungsangebot haben, was zu einer vergrößerten Zeckenpopulation führe, heißt es in der Antwort aus Hannover. "Aufgrund des bisher milden Winters ist daher mit einer hohen Zeckenpopulation zu rechnen", so ein Sprecher des Landesgesundheitsamtes.
Weltweit gibt es über 900 verschiedene Zeckenarten. Davon komme aber nur ein äußerst geringer Bruchteil bei uns vor. Der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) sei niedersachsenweit verbreitet. Weitere Zeckenarten würden nur sporadisch festgestellt (zum Beispiel die Auwaldzecke, Dermacentor reticulatus) oder in sehr seltenen Fällen durch Vogelflug eingeschleppt die große Schildzecke Hyalomma marginatum. Zu diesen Arten gebe es keine Populationszahlen.
Erreger in unterschiedlichen Kombinationen
Das Problem: Alle der genannten Zeckenarten könnten human- oder veterinärmedizinisch relevante Erreger in unterschiedlichen Kombinationen übertragen. Neben Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kann ein Zeckenstich eine Borreliose zur Folge haben. Die durch Bakterien verursachte Borreliose ist im Gegensatz zur FSME überall verbreitet. Laut Landesgesundheitsamt sind 10 bis 40 Prozent aller Zecken mit Borrelien infiziert. Auftreten können Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Kopfschmerz, Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen. Bei zirka jeder zweiten Infektion kommt es zu einer kreisförmigen Hautrötung um die Stichstelle, die sich weiter ausbreitet. Als Spätfolgen können chronische Erkrankungen der Haut, der Nerven und einzelner Gelenke auftreten. Borreliose könne, wenn sie rechtzeitig erkannt wird, mit Antibiotika gut behandelt werden.
Gegen FSME gibt es dagegen sogar eine Impfung. Bricht die durch Viren verursachte Krankheit aus, ist allerdings nur noch eine Bekämpfung der Symptome möglich. In mehr als 70 Prozent der Fälle würden leichte Symptome vergleichbar einer Sommergrippe auftreten. Allerdings sei auch ein schwerer Erkrankungsverlauf mit Entzündungen des Gehirns, der Hirnhäute oder des Rückenmarks möglich, was zu bleibenden Lähmungen führen könne. FSME ist allerdings eher im Süden und Südosten Deutschlands verbreitet. Doch das Virus ist auf dem Vormarsch in Richtung Norden.
Anzahl der Fälle überschaubar
In Niedersachsen sind die bekannten Fälle bislang aber überschaubar. In den Jahren 2021 und 2022 gab es jeweils acht FSME-Fälle, 2023 waren es elf. Das Land weist darauf hin, dass sich die Betroffenen nicht unbedingt in Niedersachsen infiziert haben müssen. Unsere Region gehört in jedem Fall nicht zu den Risikogebieten.
"Für die Ausweisung eines FSME-Risikogebietes durch das RKI werden die im jeweiligen Kreis aufgetretenen FSME-Infektionen in den letzten Jahren betrachtet – dabei muss eine Mindestanzahl von Infektionen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl im jeweiligen Landkreis erfüllt werden", erklärt das Landesgesundheitsamt. In einem Zeitraum von fünf Jahren müsse mehr als eine Infektion pro 100.000 Einwohner aufgetreten sein. Diese Definition erfülle in Niedersachsen aktuell nur der Landkreis Emsland.
Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt beobachte die Entwicklung der FSME in Niedersachsen seit Jahren sehr genau und untersuche stichprobenartig Zecken auf FSME-Viren. Dabei konnte neben dem Emsland auch in anderen Orten in Niedersachsen (beispielsweise Landkreis Cuxhaven, Landkreis Nienburg und in der Region Hannover) das FSME-Virus in den letzten Jahren vereinzelt in Zecken nachgewiesen werden.
Trend Richtung Norden
Auch in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt seien in den letzten Jahre neue FSME-Risikogebiete ausgewiesen worden, während zuvor Risikogebiete überwiegend in Süddeutschland bekannt gewesen seien. Dies zeige, dass der Trend grundsätzlich Richtung Norden gehe, aber eine genaue Prognose, wie sich die regionale Situation in den kommenden Jahren verändern werde, sei nicht möglich.
Dass Zecken auch eine Gefahr für Haustiere darstellen, darüber haben wir im vergangenen Jahr berichtet. Die sogenannte Hunde-Malaria war damals das Thema. Mehr lesen Sie hier.
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