Nach Urteil zu Schottergärten: Das planen die Städte der Region

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte einer Kommune recht gegeben, die den Rückbau eines solchen Gartens angeordnet hatte. Welche Signalwirkung hat dies auf die regionalen Entscheidungsträger?

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Symbolbild | Foto: pixabay

Region. Mitte Januar hatte sich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht erstmals mit der bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit von Schottergärten befasst und einer Kommune recht gegeben, die den Rückbau eines solchen Gartens angeordnet hatte. regionalHeute.de nahm dies zum Anlass, in den Städten unserer Region nachzufragen, wie dort mit dem Thema umgegangen wird und ob das Urteil aus Lüneburg irgendeinen Einfluss auf künftige Maßnahmen hat.



Die Niedersächsische Bauordnung ist eigentlich eindeutig. In Paragraph 9 Absatz 2 heißt es, dass nicht überbaute Flächen von Baugrundstücken Grünflächen sein müssen, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich seien. Dennoch sind Schottergärten auch in unserer Region kein seltenes Bild. Nun wurde auf oberster verwaltungsrechtlicher Ebene noch einmal klargestellt, dass die Kommunen das Verbot solcher Steingärten bis zur letzten Konsequenz durchsetzen können. Hat dies noch einmal Signalwirkung auf die jeweiligen Verwaltungen?

Rund 100 Hinweise in Braunschweig


In Braunschweig ist dies nicht der Fall, da man auch vorher schon in der Sache aktiv gewesen sei. "Das Urteil des OVG Lüneburg führt bei der Stadt Braunschweig zu keiner veränderten Handlungspraxis. Auch bisher ist sie davon ausgegangen, dass nicht genutzte Grundstücksflächen zu begrünen sind", teilt Stadtsprecher Rainer Keunecke mit. Verstöße können bauordnungsrechtlich verfolgt werden durch Verpflichtung zur Begrünung.

Seit 2019 sei die Braunschweiger Stadtverwaltung rund 100 Hinweisen nachgegangen. In rund der Hälfte der Fälle habe kein Verstoß vorgelegen, weil die Flächen zum Beispiel als Zuwegung genutzt würden. Bei rund einem Viertel seien geforderte Begrünungsmaßnahmen bereits umgesetzt worden, und bei dem letzten Viertel stünde die Begrünung noch aus. Es seien aber entsprechende Maßnahmen angekündigt worden. Zu den Fragen, welche Mittel der Ahndung man habe, sollten Schottergärten nicht zurückgebaut werden, und ob man aktiv nach solchen Verstößen suche, äußert sich die Verwaltung nicht.

Wolfenbüttel will intensiver vorgehen


In Wolfenbüttel hat das Lüneburger Urteil dagegen schon Auswirkungen. "Die Stadt Wolfenbüttel ist bisher nur vereinzelt gegen Schottergärten vorgegangen", teilt Pressesprecher Thorsten Raedlein mit. Zahlen seien dazu nicht erfasst worden. Vorrang hätten Hinweise und Empfehlungen gehabt. "Angesichts der in Fachkreisen eher nicht erwarteten Eindeutigkeit und Tragweite des Urteils wird die Stadt das Vorgehen intensivieren", kündigt Raedlein an. Dabei würden aber zunächst weiterhin Hinweise im Vordergrund stehen. Alle Eigentümer von Schottergärten seien aber sehr gut beraten, im Laufe dieses Jahres ihre Gärten konsequent zu Grünflächen umzugestalten. Dazu gebe es bei Planungsbüros und Gartenbauern, aber auch in der Literatur und im Internet eine Vielzahl von Ratschlägen und Empfehlungen.

Auch die Stadt Wolfenbüttel habe dazu schon seit ein paar Jahren einen Flyer mit Alternativmöglichkeiten für eine Gartengestaltung. Eine solche Umgestaltung müsse nicht teuer sein, und es gebe sehr pflegeleichte Lösung, die zugleich einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität leisten könnten. „Angesichts des eindeutigen Urteils werden in Wolfenbüttel in diesem Jahr sehr viele Schottergärten zu Grünflächen umgestaltet“, ist sich Stadtbaurat Klaus Benscheidt sicher, „im ersten Schritt setzen wir auf Freiwilligkeit.“ Wie mit den dann verbleibenden Schottergärten umgegangen wird, die ja leicht durch Begehung oder über Luftbilder erkennbar sind, wird die Verwaltung in den nächsten Monaten entscheiden.

Stadt Goslar will überzeugen


Für die Stadt Goslar habe das Lüneburger Urteil lediglich die herrschende Rechtsauffassung bestätigt, am Vorgang der Ahndung ändere sich jedoch nichts, teilt die Stadt mit. Wenn Rechtsverstöße bezüglich Schottergärten auffallen oder angezeigt würden, würden die entsprechenden Anzeigen im zuständigen Fachdienst Bauordnung der Stadt Goslar bearbeitet. Der Fokus liege hier aber auf Beratung, Sensibilisierung und Motivation. Es werde zuerst auf Überzeugungsarbeit gesetzt, ehe mit Verwaltungszwang oder Bußgeld gedroht wird. Die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens sei erst möglich, wenn gegen eine konkrete Anordnung verstoßen werde.

Bevor solche Maßnahmen angeordnet werden könnten, müsse die Angelegenheit mit den Betroffenen erörtert werden. Im Wege der Anhörung werde den Betroffenen Gelegenheit gegeben, „freiwillig“ rechtmäßige Zustände zu schaffen, so dass der Erlass einer Anordnung entbehrlich ist. Im Zeitraum von 2019 bis 2021 wurden der Stadt sechs Fälle von Schottergärten bekannt. Ein Rückbau musste bisher nicht verfügt werden. Auch suche man nicht selbst nach Verstößen. Der personelle Aufwand einer systematischen Recherche mit anschließender verwaltungsrechtlicher Abarbeitung sei derzeit nicht leistbar, heißt es. Stattdessen werde Überzeugungsarbeit in Sachen insektenfreundlicher Gärten geleistet - durch Beratung, Flyer und Broschüren. Man betont auch, dass nicht alle Alternativen zu Schottergärten, etwa ein getrimmter Rasen, auch insektenfreundlich seien.

Stadt Peine sieht Konkretisierung


Da man bei der Stadt Peine Verstöße gegen das Bauordnungsrecht nicht differenziert erfasst, können keine konkreten Zahlen zu dem Phänomen Schottergärten genannt werden. "Es ist in den letzten Jahren jedoch die Tendenz feststellbar, dass Grundstücksflächen stark und teilweise auch über das zulässige Maß hinaus bebaut und versiegelt werden", erklärt Moritz Becker für die Stadt Peine. Es gehe hierbei nicht immer um sogenannte Schottergärten, sondern auch um großflächige Anbauten, Pflasterungen für Wege, Zufahrten und Terrassen. Im aktuellen Urteil des OVG sehe man eine Konkretisierung der Anforderungen an Grünflächen, die in der Formulierung der Niedersächsischen Bauordnung etwas unscharf seien.

In seiner Urteilsbegründung habe das Gericht unter anderem dargelegt, was unter einer Grünfläche zu verstehen sei beziehungsweise, dass gewisse Flächen diese Anforderungen nicht erfüllten. Damit werde eine Abgrenzung unzulässiger Gartengestaltungen etwas klarer und es sei auch ein Signal damit verbunden, dass gegen grobe Verstöße mit Rückbauanordnungen vorgegangen werden könne. In Peine wolle man den Schwerpunkt aber vorerst weiter auf Aufklärung legen. Auch gebe es erste Vorschläge aus dem Rat, Anreize zu schaffen, um für dieses Thema zu sensibilisieren und gegebenenfalls auch mit kleinen Wettbewerben zusätzlich zu motivieren für eine nachhaltige lebenswerte Umwelt. Dazu werde es vorab noch eine Diskussion und Meinungsbildung in den Gremien geben.

Landkreis Peine arbeitet an Konzept


In Peine ist auch der Landkreis sehr aktiv beim Vorgehen gegen Schottergärten. "Bei Verstößen muss der Landkreis ein Verwaltungsverfahren eröffnen, in welchem der Rückbau des Schottergartens angeordnet wird. Diese Anordnung ist mit der Androhung eines Zwangsgeldes verbunden, das bei Zuwiderhandlung festgesetzt wird", teilt Landkreissprecher Fabian Laaß mit. Darüber hinaus werde im Vorfeld und proaktiv beraten. Zudem erfolge ein Hinweis in der Baugenehmigung. Der Landkreis habe zunächst in einem Neubaugebiet begonnen, Verstöße aufzunehmen. Es sei geplant, die Prüfung auf weitere Gebiete auszuweiten. Des Weiteren müsse bei eingehenden Beschwerden anlassbezogen gehandelt werden. Der Landkreis entscheide im Rahmen seines Ermessens, wann ein Einschreiten geboten ist.

Bislang habe es nur vereinzelte Verfahren gegeben. Es seien aber bereits Rückbauverfügungen mit Zwangsgeldandrohungen erlassen worden. "In der vorgeschalteten Anhörung wurde mit den Verantwortlichen individuell besprochen, bis wann ihnen der Rückbau des Schottergartens möglich ist. Zwei Grundstückseigentümer haben freiwillig ihren Schottergarten zurückgebaut", berichtet Laaß. Der Landkreis arbeite gerade an einem Konzept zum Einschreiten gegen Schottergärten.

Stadt Wolfsburg sieht Unsicherheiten ausgeräumt


Die Stadt Wolfsburg begrüßt die Entscheidung des OVG, weil diese Unsicherheiten beim bauaufsichtlichen Einschreiten ausräume. "Zudem macht die Entscheidung deutlich, dass ein Einschreiten gegen bereits seit mehreren Jahren bestehende Schottergärten erfolgen kann und dies nicht ermessensfehlerhaft ist", so Pressesprecher Ralf Schmidt. Bisher sei man gegen Schottergärten als isoliertes Problem in Einzelfällen eingeschritten, bei denen keine Rechtsunsicherheit vorgelegen habe und die Stadt sicher gewesen sei, im Falle einer gerichtlichen Überprüfung nicht zu unterliegen. In den wenigen Fällen, gegen die vorgegangen wurde, seien die Schottergärten zurückgebaut worden.

Ein systematisches „Suchen“ nach Verstößen erfolge nicht. Es handele sich beim bauaufsichtlichen Einschreiten um eine Ermessensentscheidung, die auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen müsse. Daher könne die Aufnahme eines Verstoßes dazu führen, dass ähnlich gelagerte Fallkonstellationen in einem begrenzten Bereich ebenfalls zu überprüfen seien. Dieses erfordere dann erhebliche personelle Ressourcen und gehe über die Ahndung eines Einzelfalls hinaus. Die Stadt Wolfsburg betreibe seit 2020 eine verstärkte Präventionsarbeit in Sachen Schottergärten, insbesondere in den Neubaugebieten. Über baugebietsbezogene Informationsbroschüren und persönliche Beratung der Bauherren zur Gartengestaltung sollen Schottergärten bereits in der Entstehung vermieden werden. In neuen Bebauungsplänen erfolge als Klarstellung der vorhandenen Regelungen ein Verbot von Schottergärten.

Stadt Gifhorn will im Vorfeld verhindern


Auch in der Stadt Gifhorn setzt man vor allem darauf, Schottergärten im Vorfeld zu verhindern. "Um der häufig praktizierten Gartengestaltung mit Schotter und Kies vorzubeugen, werden auch wir in den neuen Bebauungsplänen sogenannte Schottergärten ausschließen", erklärt Pressesprecherin Annette Siemer. Außerdem sei im letzten Jahr vom Fachbereich Stadtentwicklung der Informationsflyer „Grün statt Grau“ herausgegeben worden. Dieser liege jeder Baugenehmigung bei, die erteilt werde und informiere kurz und knapp über die gravierenden negativen Auswirkungen von Schottergärten und veranschauliche die Vorzüge eines nachhaltig gestalteten Vorgartens für die Bewohner und die Umwelt.

Bislang sucht die Bauaufsichtsbehörde noch nicht aktiv nach Verstößen. Man wolle sich nicht dem Vorwurf der Willkür aussetzen, heißt es. "Inzwischen stoßen aber bei immer mehr Bürgerinnen und Bürger Schottergärten auf Ablehnung, was dazu führt, dass wir vermehrt Hinweise auf den Bau von Schottergärten erhalten und wir diesen dann nachgehen", so Annette Siemer. Bisher habe die Stadt auf den freiwilligen Rückbau und die Umgestaltung von Schottergärten gesetzt. Grundsätzlich seien bauordnungsrechtliche Verfügungen und Bußgelder möglich. Die Stadt Gifhorn sehe dies jedoch nur als äußerstes Mittel und suche zunächst immer das persönliche Gespräch, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Bislang habe man noch keinen Rückbau eines Schottergartens verfügen müssen. Das aktuelle Urteil des OVG nehme man aber zum Anlass, weitere Regelungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Stadt Helmstedt sucht flächendeckend


In Helmstedt wird flächendeckend und aktiv nach Schottergärten gesucht. "Es erfolgt seit Mitte 2022 eine Sichtung des gesamten Stadtgebietes inklusive aller Ortsteile durch Abfahren und Ablaufen aller Straßen und Wege und somit eine Begutachtung (Fotodokumentation) aller Schottergärten“, berichtet Klimaschutzmanager André Mollenhauer. Des Weiteren fänden in regelmäßigen Abständen Befliegungen (mit einer Drohne) durch die Abwasserentsorgung Helmstedt bezüglich versiegelter Flächen statt. Diese Bilder seien auch in Bezug auf Schottergärten nutzbar. Im letzten Jahr wurden in zirka 300 Fällen erste Maßnahmen ergriffen (schriftliche Aufforderung zum Rückbau). In früheren Jahren seien vereinzelt bereits Rückbauverfügungen erlassen und durchgesetzt worden.

Vorerst seien die Betroffenen lediglich aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von einem Jahr ihren sogenannten Schottergarten zurückzubauen und zu begrünen. "Wird dieser Aufforderung nicht nachgekommen (Kontrolle nach einem Jahr), folgt eine rechtskräftige Rückbauverfügung (innerhalb einer Frist)", so André Mollenhauer. Da dieses offensive Vorgehen Mitte vergangen Jahres angelaufen sei, gebe es noch keine Aussage in wie vielen Fällen eine Rückbauverfügung notwendig werden könnte. In den früheren Jahren gab es im Durchschnitt ein bis zwei Fälle pro Jahr im Bereich „unzulässige Versiegelung“. Viele Betroffene seien anfangs sehr aufgebracht und teilweise ungehalten gewesen über die schriftliche Rückbauaufforderung. "Nach vielen Gesprächen und einem Bürgerinformationsabend (nur für die Betroffenen) zeigte sich jedoch, dass die meisten der Aufforderung wahrscheinlich nachkommen werden", so der Klimamanager. Im Kernstadtgebiet sowie in allen Ortsteilen seien nach dem Start der Offensive bereits einige Schottergärten zurückgebaut worden. Die Frist läuft noch bis September 2023.

Das Urteil des Oberverwaltungsgericht habe keine direkte Auswirkung für die Stadt. "Unsere Strategie stand lange vorher fest. Wir versuchen weiterhin die Menschen über lange Fristen und einen freundlichen Umgang zur Einsicht zu bewegen", so Mollenhauer. Der juristische Weg sei für die Stadt Helmstedt die letzte (wenn auch sicherlich in einigen Fällen notwendige) Option. Die Gerichtsentscheidung sei insofern wichtig, dass man als Kommune sicher sein könne, bei möglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen zu bestehen.

Keine Antwort aus Salzgitter


Auch die Stadt Salzgitter wurde zu dieser Thematik angefragt. Leider liegt auch nach fast zwei Wochen noch keine Antworten vor. Diese wird gegebenenfalls ergänzt.


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