Region. „Sie wollen doch nicht abstreiten, dass jetzt bald die kalten Nächte kommen!“ Die Dame klang geradezu hysterisch. Ihr Anruf galt einer NABU-Geschäftsstelle, und sie teilte mit, dass sie vier Igel „gerettet“ und sie hereingeholt habe, „weil es ja nun kälter wird und die Tiere es gut haben sollen“, und bat den NABU nun um Aufnahme der kleinen Stachelritter. Doch dort erntete sie Fassungslosigkeit, wie Rüdiger Wohlers vom NABU Niedersachsen berichtet, der damals den Anruf entgegennahm – an einem 4. Juli. „Das war der früheste Termin, an dem uns jemals angeblich untergewichtige und vom Winter bedrohte Igel gemeldet wurden“, sagt der Naturschützer, und schüttelt noch heute den Kopf, entsetzt darüber, was falsche Tierliebe ohne Wissen anrichten kann. In einer Pressemitteilung möchte der NABU nun aufklären-
Und so schlägt der NABU Niedersachsen Alarm, was den Igel zwischen der Krummhörn und dem Eichsfeld betrifft – allerdings nicht nur aufgrund der „Einsammelmentalität einiger Menschen“: Noch schwerwiegender seien Lebensraumverluste und der damit verbundene Nahrungsmangel, betont Wohlers. In den meisten Bereichen Europas sei festzustellen, dass der Igel in seinem Bestand rapide zurückgehe. In Ländern wie Großbritannien sei dies beispielhaft illustriert worden. „Es sieht düster aus für den von den Menschen eigentlich sehr geliebten Igel, der als Sinnbild für Klugheit steht. Aber so wehrhaft er gegen Feinde ist, indem er sich zu stacheligen Kugel zusammenrollt, so wenig hilft ihm dies und hat ihn in einigen Bundesländern sogar bis in die so genannte Vorwarnliste der Roten Liste der gefährdeten Arten vordringen lassen“, unterstreicht der Naturschützer.
„Igel finden durch den dramatischen Rückgang der Insekten immer weniger Nahrung, denn auch Käfer, Raupen und Ameisen stehen auf seinem Speisezettel. In einer ausgeräumten Landschaft, in der blühende Wegraine, Hecken, Feldgehölze und Brachen untergepflügt oder weggespritzt werden, kann er weder Insekten als Nahrung noch Unterschlupf finden. Hier liegt die Hauptursache. Hinzu kommt der Klimawandel, der sich auch ganz exemplarisch bei diesem Wildtier auswirkt: Durch Hitze und Trockenheit haben Igel viel weniger Möglichkeiten, Schnecken oder Regenwürmer zu finden“, sagt NABU-Mitarbeiter Wohlers.
Weitere Gefährdungsfaktoren kommen hinzu, unter anderem durch Überbauung: „Viele Orte wachsen nicht mehr, sie wuchern geradezu in die Landschaft“, zeigt sich Rüdiger Wohlers besorgt über die Entwicklung. „Täglich werden in Niedersachsen gut neun Hektar Fläche unter Beton und Asphalt genommen, das entspricht der Größe von fast 13 Fußballfeldern verschwundener Natur. Auch viele neu angelegte Gärten sind völlig igelfeindlich, weil in ihnen überwiegend immergrüne Exoten ohne Wert für die heimische Tierwelt gepflanzt werden; viele von ihnen werden auch hermetisch abgedichtet, sodass Igel und Co. keine Chance haben, den Garten zu erreichen. Weitere Gefahrenquellen sind neben dem Autoverkehr offene Lichtschächte und Kellertreppen sowie steilwandige Teiche ohne Ausstiegsmöglichkeiten, sodass darin Igel und andere Tiere ertrinken können“, zählt Rüdiger Wohlers auf. „Der Igel hat‘s schwer!“
Auch falsch verstandene Tierliebe gefährdet Igel
Hinzu komme die beschriebene „Einsammelmentalität“ mancher wohlmeinender Tierfreunde, die auch in diesen Tagen bereits Igel in das NABU-Artenschutzzentrum in Leiferde geraten lässt. „Igel sind Wildtiere. Nur, wenn sie wirklich krank oder verletzt sind, dürfen sie ausnahmsweise der Natur entnommen und gepflegt werden – und sollten unbedingt erfahrenen, kompetenten Händen zugeleitet werden, zu denen zuallererst stets der örtliche Tierarzt gehört“, mahnt Wohlers. Bei fehlenden Ansprechpartnern oder Unsicherheit darüber, wie einem mutmaßlich in Not geratenen Igel geholfen werden kann, könnten sich besorgte Igelfreunde auch an die Tierrettung der Feuerwehr oder an die Polizei wenden. Der wirksamste Igelschutz ist aber der, ihre Lebensraumsituation zu verbessern, „natürlich am stärksten in der freien, ausgeräumten Landschaft, durch Anlage von Hecken und weiteren Feldgehölzen, durch blühende Wegraine und eine Reduzierung von Dünger und Pestiziden – das kommt vielen Arten zugute. Deshalb verdient der biologische Landbau die Unterstützung der Verbraucher!“
Hilfe für Igel im eigenen Garten
Zudem könne auch im eigenen Garten oder Kleingarten einiges getan werden – von der Pflanzung heimischer Sträucher, Stauden und anderer Pflanzen über die Anlage einer Blumenwiese und der Entschärfung von Gefahrenstellen bis hin zum Bau einer so genannten „Igelburg“, in der die jungen Igel das Licht der Welt erblicken könnten und der Igel ein geeignetes Winterquartier finde. Mit Laub und Reisig überdeckt und an einem trockenen Plätzchen, möglichst unter Sträuchern, im Garten aufgestellt, sei „eine Igelburg eine perfekte Einladung an den Igel im Garten“, ruft Rüdiger Wohlers auf, jetzt aktiv zu werden. „Es ist fünf vor zwölf für den Igel, auch in Niedersachsen.“
Der NABU Niedersachsen halte für alle, die für den Igel aktiv werden wollen, ein kleines Igel-Paket bereit, das aus der Farbbroschüre „Der Igel – Artenschutz vor der Tür“ mit vielen Informationen zur Lebensweise und Pflanztipps, dem Faltblatt „Igel – was ihnen wirklich hilft“ des bayerischen NABU-Partners Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) und der ausführlichen Bauplansammlung für Nisthilfen aller Art, darunter auch der Igelburg, bestehe.
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