Berlin. Bei der Aufklärung des Anschlags auf die Nord-Stream-Pipelines wächst der Ärger deutscher Behörden über Polen. Wie die "Welt am Sonntag" berichtet, sind die Bundespolizei und der Generalbundesanwalt darüber verstimmt, dass ein europäischer Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen samt Durchsuchungsbeschluss nicht vollstreckt wurde.
Der Tauchlehrer konnte sich von Polen aus in die Ukraine absetzen. "Offensichtlich hat ihn die polnische Regierung laufen lassen, um die eigene Beteiligung bei dem Anschlag auf die Pipelines zu vertuschen", sagte der frühere BND-Präsident August Hanning der "Welt am Sonntag". Er ist überzeugt davon, dass die Präsidenten Polens und der Ukraine, Andrzej Duda und Wolodymyr Selenskyj, über den Terrorakt unterrichtet gewesen seien. "Operationen von einer derartigen Dimension sind ohne Billigung der politischen Spitzen der beteiligten Länder nicht vorstellbar", erklärte Hanning.
Der Chef des Büros für Nationale Sicherheit in Polen, Jacek Siewiera, gleichzeitig Sicherheitsberater des Präsidenten Duda, weist die Vorwürfe zurück. Siewiera sagte der "Welt am Sonntag": "Die Behauptung, die Ukraine habe diese Aktion mit polnischem Wissen durchgeführt, entbehrt jeder Grundlage." Er spricht von Anschuldigungen und Unterstellungen, die von Privatpersonen kämen. Bei diesen handele es sich um einen engen Kreis von ehemaligen prorussischen Beamten, die kein Amt mehr bekleideten.
"Ich hoffe, dass wir es nicht mit einer organisierten Desinformationskampagne zu tun haben, bei der sich Menschen haben dazu benutzen lassen, Polen die Verantwortung zuzuschieben", so Siewiera. Polen gehe allen Hinweisen nach. Dass Russland an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, werde dabei nach wie vor als eine Hypothese angesehen.
Generalbundesanwalt Jens Rommel soll verärgert sein, weil sensible Details des Verfahrens mehrfach an die Öffentlichkeit durchgestochen wurden. "Die Bundesregierung äußert sich nicht und kommentiert auch nicht Berichte über angebliche `detaillierte Ermittlungsergebnisse` in den Medien", heißt es in einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU). Das Ministerium ist zuständig für Rommels Behörde.
Kiesewetter weist noch auf einen anderen Aspekt hin: Auf die Nachricht, dass der Anschlag auf die Pipelines von Kiew aus gesteuert worden sein soll, sei nur wenige Tage später die Ankündigung der Bundesregierung gefolgt, der Ukraine keine neuen Militärhilfen zu gewähren. "Die Botschaft soll offenbar lauten: Der Ukraine ist nicht zu trauen, deshalb geben wir nicht noch mehr Geld. Der Verdacht soll wohl gezielt auf die Ukraine gelenkt werden, um eine Rechtfertigung für zurückgehende Unterstützung zu haben", sagte Kiesewetter der "Welt am Sonntag".
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