Berlin. Nach dem größten Gefangenenaustausch zwischen Russland, Deutschland, den USA und weiteren westlichen Staaten seit dem Ende des Kalten Krieges fürchten Politiker, dass die Geiseldiplomatie Schule machen könnte. "Dieser Austausch von rechtsstaatlich verurteilten Straftätern auf westlicher Seite und politischen Geiseln auf der Seite Russlands und Belarus muss der letzte gewesen sein", sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Hardt, dem "Tagesspiegel".
Er habe die große Sorge, dass Putin weitere westliche Staatsbürger als Geisel nehmen könnte, "um gegebenenfalls weitere russische Kriminelle freizupressen". Der CDU-Politiker forderte die Bundesregierung auf, Konsequenzen aus dem Fall zu ziehen: "Jetzt muss die Bundesregierung geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Geschäftsmodell Erpressung mit deutschen Staatsbürgern im Keim zu ersticken", sagte Hardt.
Eine erschwerte Ausreise sei jedoch schwer umsetzbar, da viele Deutsche, vor allem Aussiedler, dort Familie hätten. "Es wäre besser, auf Aufklärung und verstärkte Kontrollen bei der Ausreise zu setzen, um auffällige Personen zu identifizieren."
Auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, warnte vor Reisen nach Russland und Weißrussland. "Zumindest rate ich zu erhöhter Wachsamkeit. Denn konstruierte Vorwürfe und juristische Anschuldigungen wie zum Beispiel in Steuerstrafsachen sind keine Seltenheit", sagte er dem "Tagesspiegel". Zur Praxis der hybriden Kriegsführung von Putins Russland gehöre auch die Instrumentalisierung von unschuldigen Menschen, die zu Unrecht inhaftiert werden. "Dies kann Einzelpersonen, aber auch Unternehmen treffen, deren tagtägliches Geschäft wegen vermeintlicher Finanzermittlungen lahmgelegt wird", sagte Wiese. "Das müssen wir uns klar machen."
Auch der Innenpolitiker der Grünen, Marcel Emmerich, wante vor der Gefahr von Russland. "Deswegen muss gewährleistet werden, dass durch gründliche und strikte Visa-Prüfungen russische Spione und Saboteure keinen Zugang erhalten", sagte er dem "Tagesspiegel" und ergänzte: "Vor diesem Hintergrund bereiten die in Ungarn angedachten Lockerungen für Russen und Belarussen große Sorge und könnten Handlungsbedarf erfordern."
Noch deutlicher wurde der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Russische Visa seien wichtig für die progressiven Elemente der russischen Zivilgesellschaft, sagte Hardt: "Das sind aber zunehmend wenige. Für Profiteure des Kreml-Regimes und betuchte russische Touristen sollten Europas Grenzen geschlossen werden."
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