Rechtschreibrat erteilt Gender-​Stern eine Abfuhr

Die Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren hat laut dem Vorsitzenden des Rats der deutschen Rechtschreibung tiefgreifende Auswirkungen auf die Wortbildung, Grammatik und Rechtschreibung.

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Symbolfoto | Foto: Anke Donner

Region. Gendern ist derzeit buchstäblich in aller Munde. Vor allem die Frage, ob Schüler gendern sollen oder dürfen, sorgt vielerorts für Redebedarf. Niedersachsens Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) spricht sich dafür aus, dass Lehrkräfte im Unterricht gendern und erklärte kürzlich, dass Schüler in Klassenarbeiten in dieser Frage freie Hand hätten. Sie wies aber darauf hin, dass eine `gendergerechte` Schreibweise "ausdrücklich nicht als Rechtschreibfehler zu werten" sei. Dr. Josef Lange ist Vorsitzender des Rats der deutschen Rechtschreibung und hat eine ganz klare Meinung zu dem Thema.



Gegenüber regionalHeute.de äußerte Dr. Josef Lange auf Nachfrage seine Bedenken bezüglich der aktuellen Praxis in Niedersachsen und erklärt, warum Sonderzeichen nicht in ein Wort gehören. Sie hätten seiner Meinung nach tiefgreifende Auswirkungen auf die Wortbildung, Grammatik und Rechtschreibung.

Sonderzeichen gehören nicht ins Wort


Dr. Lange unterstreicht, dass solche Wortbinnenzeichen nicht zum festen Bestandteil der deutschen Rechtschreibung gehören und nicht im offiziellen Regelwerk enthalten sind. "Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich 2018, 2021 und zuletzt in seiner Sitzung am 14. Juli 2023 mit der Frage geschlechtergerechter Schreibung beschäftigt. Das sogenannte „Gendern“ bezeichnet die Nutzung von Sonderzeichen im Wortinneren wie Doppelpunkt, Unterstrich oder Asterisk (Stern), um auszudrücken, dass damit Personen aller Geschlechter gemeint sind. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am 14. Juli 2023 festgestellt, dass solche Wortbinnenzeichen nicht zum Kernbestand der deutschen Rechtschreibung gehören. Sie sind im Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung nicht enthalten. Dieses Regelwerk gilt in allen deutschsprachigen Ländern für die Schulen und die Verwaltung. Darauf haben sich die Deutschsprachigen Länder – Österreich, Schweiz, Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Liechtenstein, Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und Deutschland – in einer internationalen Vereinbarung verständigt. Diese gilt für die Rechtschreibung seit dem 01.08 2005", so Lange.


Auswirkungen auf die Wortbildung


Die Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren sieht Dr. Lange kritisch, da sie tiefgreifende Auswirkungen auf die Wortbildung, Grammatik und Rechtschreibung hat. Dies könne zu komplizierteren grammatikalischen Formen und damit zu vermehrten Fehlern in Rechtschreibung und Grammatik führen. In Bezug auf geschlechtergerechte Schreibung betont Dr. Lange, dass diese nicht von der Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren abhängt. Stattdessen können Formulierungen verwendet werden, die das generische Maskulinum vermeiden. Dies kann durch geschlechtsspezifische Formulierungen oder auch durch die Vermeidung geschlechtsspezifischer Benennungen erreicht werden. "Die Nutzung von Sonderzeichen im Wortinneren ist ein grundlegender Eingriff in Wortbildung, Grammatik und Rechtschreibung. Dies führt zu einer erheblich komplizierteren Bildung korrekter grammatischer Formen und damit zu Folgefehlern in Rechtschreibung und Grammatik", macht Lange deutlich.

Sprache muss leicht und klar sein


Abschließend hebt Dr. Lange hervor, dass die geschriebene Sprache sachlich korrekt, klar und bürgerfreundlich sein muss. Darüber hinaus dürfe sie das Erlernen der deutschen Sprache nicht erschweren, sondern sollte im Gegenteil eine behutsame inhaltliche Vereinfachung fördern.

"Sie muss verständlich und lesbar sein, damit sie von allen Menschen in gleicher Weise verstanden werden kann. Sie muss vorlesbar sein, da Blinde oder erheblich Sehbehinderte darauf angewiesen sind, dass Texte barrierefrei vorgelesen werden. Sie muss Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten. Sie muss so formuliert und geschrieben sein, dass sie korrekt in andere Sprachen – möglichst automatisiert – übersetzbar ist; dies gilt nicht nur im Hinblick auf die weitreichende internationale Verflechtung des deutschsprachigen Raums, sondern ist insbesondere entscheidend für deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen. Sie muss die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen, wie dies vor allem für Nachrichten unerlässlich ist.

Schließlich darf die geschriebene Sprache, auch die geschlechtergerechte Schreibung, nicht das Erlernen der deutschen Sprache erschweren. Denn die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung war 2004 ausdrücklich mit einer behutsamen inhaltlichen Vereinfachung der Rechtschreibung begründet worden, macht er deutlich.


Keine Änderung des Regelwerks


So wie in Niedersachsen, ist es nicht in allen Bundesländern. Während in Niedersachsen die Schüler selber entscheiden können, ist es in drei Bundesländern (Schleswig-Holstein, Sachsen und Sachsen-Anhalt) verboten, Sonderzeichen wie Doppelpunkt, Genderstern und Unterstrich zu benutzen. Dazu erklärt Lange abschließend: "Die deutschsprachigen Länder haben sich auf ein amtliches Regelwerk verständigt, um die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu gewährleisten. Der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt in diesem Punkt keine Änderung des Regelwerks. Wenn sich ein Land dennoch anders entscheidet, muss es dies mit den anderen deutschsprachigen Ländern klären. Eine solche Entscheidung liegt bisher nicht vor", so Lange, der von 2003 bis 2013 Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur war. "


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