Regionale Ärzteversorgung unter der Lupe: Sind wir unterversorgt?

Eine Abfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen zeigt die ärztliche Versorgung in der Region. Dabei kommen große Unterschiede zum Vorschein.

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Symbolfoto. | Foto: Pixabay

Region. Der Ärztemangel ist ein wachsendes Problem, das die Gesundheitsversorgung auch in der Region beeinträchtigt. Insbesondere in ländlichen Gebieten und bestimmten Fachrichtungen fehlt es an genügend Ärzten. Doch wie stark ist die Region von einer solchen Unterversorgung betroffen? Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) hat Antworten.



Der demografische Wandel, mit einer alternden Bevölkerung und vielen Ärzten, die in den Ruhestand gehen, trägt wesentlich zum Ärztemangel bei. Aber auch fehlende Anreize und laut KVN zu wenige Studienplätze seien weitere Gründe. Die Folgen können Versorgungslücken und eine Überlastung des medizinischen Personals sein. Um dem entgegenzuwirken, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Welche das sind, erklärt die KVN.

Was ist die KVN?


Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) regelt, wie viele Ärzte sich in einem Gebiet niederlassen dürfen. Dies geschieht auf einer gesetzliche Grundlage – der sogenannten Bedarfsplanung. Durch diese Bedarfsplanung wird das Verhältnis von Bevölkerung zu Ärzten festlegt. Liegt der Versorgungsgrad einer Fachrichtung unter 110 Prozent, können sich dort weitere Ärzte niederlassen. Ist er über 110 Prozent, wird ein Zulassungsstopp verhängt. Bei Unterversorgung (unter 75 Prozent für Hausärzte und 50 Prozent für Fachärzte) muss die KVN aktiv werden, um Ärzte zu etablieren, erklärt Detlef Haffke von der KVN.

Wieviel Niederlassungen möglich sind hänge vom Versorgungsgrad ab. Dieser berechne sich aus der Einwohnerzahl in einer Region und der jeweiligen Anzahl von Ärzten einer Fachgruppe. Zur Berechnung liege immer eine Verhältniszahl zugrunde. Beispielsweise soll ein Hausarzt 1.609 Einwohner versorgen, ein Augenarzt 12.460 Einwohner, ein Frauenarzt 6.980. Die Verhältniszahlen können jedoch in den einzelnen Bereichen leicht variieren, erläutert Haffke weiter.

Ursachen des Ärztemangels


Grundsätzlich werden zu wenig Mediziner an den Hochschulen ausgebildet. Darüber hinaus ziehe es junge Ärzte nicht unbedingt in ländliche Regionen. Außerdem seien gerade junge Ärztinnen nicht mehr bereit 50 oder 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Bei der Besetzung von Arztsitzen heiße das Zauberwort "work-life-balance". Viele Faktoren, wie Schul- und Betreuungsangebote, ÖPNV-Struktur, und Freizeitmöglichkeiten würden eine Rolle bei der Entscheidung spielen, ob und wo sich ein Arzt niederlässt. Ebenso wichtig sei die Frage, wie häufig Bereitschafts- und Wochenenddienste anstünden und ob der Partner einen einen adäquaten Arbeitsplatz findet.

Was tun gegen den Ärztemangel?


Die KVN unternehme schon eine Menge, macht Haffke deutlich. So fördere sie beispielsweise Neuniederlassungen mit bis zu 60.000 Euro. Zusätzlich zu finanziellen Förderungen kann in bestimmten Gebieten eine Umsatzgarantie gewährt werden. Außerdem werbe man für die Niederlassung bei Medizinstudierenden, Ärzten in Weiterbildung und in Krankenhäusern.

Die KVN dränge schon seit langem darauf, die seit Jahrzehnten immer weiter zusammengekürzten Kapazitäten der medizinischen Fakultäten zur Sicherstellung des medizinischen Nachwuchses aufzustocken. Hier sei leider zu viel Zeit verschwendet worden und eine Gelegenheit vertan, dem drohenden und teils bereits realen Ärztemangel zu begegnen und die ambulante Versorgung mittel- und vor allem langfristig zu stärken. Selbst wenn ab sofort alle mehr oder minder konkret angekündigten Maßnahmen - mehr Studienplätze und eine Landarztquote - vollständig umgesetzt würden, würden dies bis 2035 keine nennenswerten positiven Effekte auf die Versorgung haben. Erst nach 2035 wäre langsam mit spürbaren Effekten zu rechnen. Trotzdem brauche man pro Jahr rund 500 Medizinstudienplätze zusätzlich in Niedersachsen.

Außerdem fordert die KVN den Ausbau des Bedarfsverkehrs in ländlichen Regionen und den Ausbau der Internetstrukturen. Der Weg zur Arztpraxis für die Bürgerinnen und Bürger müsse einfacher werden und neue Formen der digitalen Kommunikation mit der Arztpraxis müssen störungsfrei und stabil aufgebaut werden. Dazu seien gute Breitband-Internetverbindungen notwendig.

Wichtig sei dabei die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Landkreisen, um vor Ort die Rahmenbedingungen für Niederlassungen zu verbessern.

So ist die ärztliche Versorgung in der Region


Die KVN betrachtet bei der Bedarfsplanung keine einzelnen Orte oder Stadtteile, sondern sogenannte Mittelbereiche für Hausärzte und Landkreise für die fachärztliche Versorgung, macht Haffke deutlich. Daher werden Gebiete nicht zwangsläufig nach Landkreisen und Städte eingeteilt.

Braunschweig (Mischregion mit Teilen der Stadt Braunschweig und den Landkreisen Wolfenbüttel und Helmstedt):
Im Mittelbereich Braunschweig leben 287.630 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.617 Patienten versorgen. 185 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 104 Prozent. Es könnten sich 11 weitere Hausärzte niederlassen.

Braunschweig-Umland (Mischregion mit den Landkreisen Gifhorn und Peine:


Im Mittelbereich Braunschweig-Umland leben 53.864 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.615 Patienten versorgen. 30,25 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 90,7 Prozent. Es könnten sich 6,5 weiteren Hausärzte niederlassen.

Wolfsburg Stadt:
Hier leben 126.213 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.583 Patienten versorgen (Verhältniszahl). 69,75 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 87,5 Prozent. Es könnten sich 18 weitere Hausärzte niederlassen.

Wolfsburg-Umland (Mischregion mit Teilen der Landkreise Gifhorn und Helmstedt):
Im Wolfsburger Umland leben 41.258 Bürgerinnen und Bürger. Ein Hausarzt soll 1.613 Patienten versorgen. 20 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 78,2 Prozent. Es können sich 8,5 weitere Hausärzte niederlassen.

Salzgitter (Mischregion Salzgitter-Stadt und Teilen der Stadt Wolfsburg und des Landkreises Peine):
Im Mittelbereich Salzgitter leben 125.562 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.547 Patienten versorgen. 68,25 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 81,5 Prozent. Es könnten sich 24 weitere Hausärzte niederlassen.

Wolfenbüttel:
Im Mittelbereich Wolfenbüttel leben 86.335 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.529 Patienten versorgen. 53,25 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 94,3 Prozent. Es könnten sich 9 weitere Hausärzte niederlassen.

Helmstedt:
Im Mittelbereich Helmstedt leben 66.944 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.519 Patienten versorgen. 37,5 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 85,1 Prozent. Es könnten sich 11 weitere Hausärzte niederlassen.

Peine:
Im Mittelbereich Peine leben 95.479 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.570 Patienten versorgen 57 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 93,7 Prozent. Es könnten sich 10 weitere Hausärzte niederlassen.

Bad Harzburg
Im Mittelbereich Bad Harzburg leben 21.604 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.344 Patienten versorgen. 17 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 105,8 Prozent. Es könnte sich 1 weiterer Hausarzt niederlassen.

Clausthal-Zellerfeld:
Im Mittelbereich Clausthal-Zellerfeld leben 20.938 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.547 Patienten versorgen. 12,5 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 107,1 Prozent. Es könnten sich 2,5 weiteren Hausärzte niederlassen.

Goslar:
Im Mittelbereich Goslar leben 72.884 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.508 Patienten versorgen. 51,75 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 104 Prozent. Es könnten sich 1,5 weiteren Hausärzte niederlassen.

Seesen:
Im Mittelbereich Seesen leben 19.181 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.443 Patienten versorgen. 15 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 112,9 Prozent. Der Mittelbereich ist für weitere Niederlassungen gesperrt.

Gifhorn:
Im Mittelbereich Gifhorn leben 107.148 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.609 Patienten versorgen. 59,25 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 89 Prozent. Es könnten sich 14,5 weiteren Hausärzte niederlassen.

Wittingen
Im Mittelbereich Wittingen leben 20.435 Bürger. Ein Hausarzt soll 1.524 Patienten versorgen. 13,25 Hausärzte sind in dem Bereich niedergelassen. Der Versorgungsgrad beträgt 98,8 Prozent. Es könnten sich 2 weiteren Hausärzte niederlassen.


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