Region. Nach den enormen Belastungen durch die Coronapandemie und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat sich die Stimmung der regionalen Wirtschaft zum Winter hin stabilisiert. Zwar kämpfen die Unternehmen weiterhin mit außerordentlich hohen Preisen für Energie und Vorprodukte, mit gestörten Lieferketten sowie mit einem Mangel an geeignetem Personal – die schlimmsten Befürchtungen, die im Herbst Ängste vor einer massiven Rezession geschürt hatten, haben sich bisher jedoch nicht bewahrheitet. Dennoch bleiben erhebliche Abwärtsrisiken präsent und drücken auf die geschäftlichen Perspektiven für 2023. Dies ergibt sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das vierte Quartal 2022. Das berichten die beiden IHK in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Demnach erreichte der IHK-Konjunkturklimaindikator, der sowohl die derzeitige geschäftliche Lage der Unternehmen als auch ihre Geschäftserwartungen abbildet, zum Jahreswechsel einen Wert von 91. Gegenüber dem Vorquartal verzeichnete er damit ein durchaus beachtliches Plus von 19 Punkten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Indikator zuvor fünf Mal in Folge abgesackt war und im Herbst 2022 einen ausgesprochen schwachen Stand aufwies. Niedriger hatte er lediglich im tiefsten Tal der Coronakrise gelegen. Auch nach seinem jüngsten Anstieg bewegt er sich immer noch deutlich unterhalb des fünfjährigen Durchschnitts.
Dienstleistungswirtschaft an der Spitze
Immerhin konnten zum registrierten Indikatoranstieg alle befragten Wirtschaftszweige ihren Beitrag leisten. An die Spitze des Konjunkturzugs setzte sich dabei die Dienstleistungswirtschaft mit einem sektoralen Konjunkturklimaindikator von 105, satte 30 Punkte mehr als im Vorquartal. Es folgen die Industrie mit einem Indikatorstand von 93 (+14 Punkte) sowie der Großhandel mit einem Indikatorwert von 90 (+22 Punkte). Der Einzelhandel, der im Herbst in besonderem Maße unter Inflationsängsten und der Kaufzurückhaltung seiner Kunden zu leiden hatte, konnte zwar stolze 28 Punkte gutmachen, bleibt aber mit einem Indikatorstand von 64 weiterhin das Schlusslicht.
Die über alle Branchen hinweg zu verzeichnende Stimmungsaufhellung beruht auf zwei Faktoren: Zum einen auf verbesserten Lagebeurteilungen und zum anderen auf den nicht mehr ganz so düsteren Geschäftsprognosen der regionalen Wirtschaft. Derzeit bezeichnen 29 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als gut. Mehr als die Hälfte sieht sie zumindest als befriedigend an. 16 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre Situation hingegen als schlecht. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen beträgt +13 und legt damit nach steilem Abfall infolge des Ukraine-Krieges erstmals wieder zu. Dennoch sind die Aussichten der Unternehmen auf die Geschäftsentwicklung im angebrochenen Jahr weiter von Skepsis geprägt. Aktuell rechnen noch 39 Prozent der befragten Unternehmen mit geschäftlichen Einbußen. Der Anteil der Betriebe, die meinen, ihr Geschäftsniveau halten zu können, ist mittlerweile jedoch auf knapp die Hälfte angewachsen. Und an eine Aufhellung ihrer Geschäftstätigkeit glauben inzwischen wieder 12 Prozent der Unternehmen. Die negativen Vorhersagen überwiegen damit zwar immer noch deutlich, der Blick nach vorn fällt aber nicht mehr so umfassend pessimistisch aus wie noch vor drei Monaten.
"Lage weiter angespannt"
„Die aus unserer Konjunkturumfrage ersichtliche Stimmungsaufhellung ist erfreulich, darf aber nicht fehlinterpretiert werden“, kommentiert Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, die Umfrageergebnisse. „Durch den milden Winter und die gut gefüllten Gasspeicher ist uns der befürchtete Energienotstand bisher erspart geblieben. Energie ist – wenn auch zu hohen Preisen – immerhin verfügbar. Und die Lieferkettenprobleme haben sich zumindest partiell abgeschwächt. Dennoch bleibt die Lage stark angespannt. Rekordinflation, ein absehbar hohes Preisniveau bei Energie, Rohstoffen, Vor- und Endprodukten, steigende Zinsen und die träge Weltkonjunktur bereiten vielen Unternehmen große Sorgen. Und eine Eskalation des Krieges in der Ukraine oder eine Verschärfung der Corona-Verhältnisse in China haben jederzeit das Zeug, zusätzliche Preisschübe bei Energie und Rohstoffen hervorzurufen und Lieferketten erneut zu unterbrechen.“
Beschleunigter Ausbau der Infrastruktur gefordert
Auch IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert thematisiert die Energiepreisentwicklung: „Die exorbitanten Preissteigerungen sind zwar vorläufig gestoppt, das erreichte Preisniveau ist für große Teile der Wirtschaft aber kaum erträglich. Eine Weitergabe der Energiekosten an die Kunden ist vielen Unternehmen nicht möglich, denn diese würden dann auf andere, vor allem ausländische Anbieter ausweichen. Nicht wenige Unternehmen – insbesondere aus der Industrie – mussten ihre Produktion und ihr Angebot wegen der hohen Energiepreise bereits reduzieren. Einige erwägen sogar, ihre Produktion selbst ins Ausland zu verlagern. Solchen Entwicklungen müssen wir unbedingt entgegenwirken, zumal die heimische Wirtschaft auch noch den allgegenwärtigen Fach- und Arbeitskräftemangel sowie die immensen Herausforderungen bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität bewältigen muss“, so der IHKLW-Chef. „Um all dies zu meistern und schnellstmöglich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad umzuschwenken, gehört ein beschleunigter Ausbau der Infrastruktur mit zukunftsfähigen Netzen für Verkehr, Energie und Datentransfer auf die politische Agenda. Der zügige Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven stimmt uns zuversichtlich und zeigt, dass Deutschland und Niedersachsen schneller werden können.“
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