Erst digitaler Hass – Dann echte Gewalt

Der Weiße Ring in Salzgitter weist mit Plakataktion auf die Problematik hin.

Ein Plakat gegen Hass und Gewalt befindet sich an der Rheinstraße Einmündung Breite Straße in Salzgitter-Bad.
Ein Plakat gegen Hass und Gewalt befindet sich an der Rheinstraße Einmündung Breite Straße in Salzgitter-Bad. | Foto: Weißer Ring / Markus Müller

Salzgitter. „Man darf ja gar nicht mehr seine Meinung sagen…“, behaupten seit Monaten zunehmend mehr Menschen, die dann aber in der scheinbaren Anonymität der sozialen Medien ganz ungehemmt Hass und Hetze verbreiten, so Markus Müller, Außenstellenleiter des Weißen Rings in Salzgitter. Hass im Netz wirke sich auf die Wirklichkeit aus, so Müller weiter. Aus digitalem Hass werde echte Gewalt bis hin zu Mord. Und so freue er sich, dass das Jahresthema des Weißen Rings nun auch auf Plakaten in Salzgitter visualisiert werde. Das teilt der Weiße Ring in einer Pressemitteilung mit.


"Wir sehen nicht nur mit großer Sorge die verbale Verrohung in der Politik und sonstigen Auseinandersetzungen, sondern, dass sich das auch niederschlägt bei psychisch labilen Persönlichkeiten“, sagte der Bundesvorsitzende des Vereins, Jörg Ziercke, der Deutschen Presseagentur zu Jahresbeginn. Und zum „Tag der Kriminalitätsopfer“ bekräftigte er: „Wer sich gegen Hass und Hetze stellt, betreibt aktiven Opferschutz". Er forderte: "Wir müssen uns einer Verrohung der Gesellschaft gemeinsam entgegenstellen!"

Hass und Hetze gegen Ortsratskandidatin


Jüngst sagte Innenminister Boris Pistorius aus gegebenem Anlass in einer öffentlichen Gesprächsrunde auf Einladung der Landtagsabgeordneten Dunja Kreiser und Stefan Klein zu diesem Thema, dass sich viele von Hass und Hetze betroffene Ehrenamtliche hierdurch entmutigen ließen. Und weiter: „Dadurch stirbt die Demokratie von unten“. Hintergrund sei die von Hass, Hetze, Beleidigungen und Drohungen begleitete Kandidatur von Amal El Dorr für den Ortsrat gewesen. Auf ihren Wahlplakaten habe sie nämlich ein Kopftuch getragen.

Beweise sichern, Anzeige erstatten


Betroffenen Mut machen wollen Polizeichef Volker Warnecke und Markus Müller. Warnecke betonte, dass die Ermittlungsmöglichkeiten und angewendete Techniken mittlerweile auf dem Stand seien, nahezu jeden Verfasser von strafrechtlich relevanten Botschaften und Aufrufen zu ermitteln. Wer glaube, nachts und vielleicht unter Alkoholeinfluss einmal so richtig hetzen und drohen zu können, der irre sich gewaltig. Er ermutigt Betroffene, Anzeige zu erstatten und Beweise zu sichern. Das fange damit an Screenshots zu fertigen und die Botschaften nicht zu löschen, sondern sie der Polizei zur Verfügung zu stellen.

Der Weiße Ring könne Opfern bei Bedarf eine kostenlose anwaltliche Erstberatung ermöglichen und im Einzelfall Rechtsbeistand gewähren. Auch begleiteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Opfer auf Wunsch zur Gerichtsverhandlung. Wertvolle Hilfe biete auch der Verein „HateAid“ an. Er berate ausschließlich Betroffene digitaler Gewalt. Neben der Beratung unterstütze der Verein sie im Strafverfahren und bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegen Beschuldigte. Nähere Informationen dazu unter https://hateaid.org. Der Weiße Ring selbst informiere umfänglich mit der Broschüre „100 % Rückhalt für Betroffene – Die unterschwellige Gefahr: Hass und Hetze“. Diese könne in der Bundesgeschäftsstelle in Mainz angefordert oder von der Homepage www.weisser-ring.de/hassundhetze heruntergeladen werden. Weitere Informationen und Hilfen würden auch unter #100%Rückhalt angeboten.

"Rückzug verändert Meinung im öffentlichen Raum"


Hass im Internet richte sich oft gegen Minderheiten, zum Beispiel gegen Menschen mit Migrationshintergrund, Homosexuelle oder Behinderte. Aber auch Frauen seien Hass und digitaler Gewalt ausgesetzt, einfach weil sie Frauen wären. Bei einer Umfrage des Kinderhilfswerk Plan International hätten 70 Prozent der in Deutschland befragten Mädchen und junge Frauen angegeben, bereits im Internet beschimpft, belästigt oder bedroht worden zu sein. Das hätte Folgen für die Meinungsfreiheit: Einer Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft zufolge würden sich 54 Prozent der Befragten wegen Hass im Internet seltener zu ihrer politischen Meinung bekennen. 15 Prozent der Befragten hätten wegen Hasskommentaren ihr Profil deaktiviert oder gelöscht. Bei den unter 24-jährigen gelte das sogar für jeden Vierten. Auch dieser Rückzug verändere die abgebildete Meinung im öffentlichen Raum.

Hass und Hetze erfolge weiterhin aufgrund des sozialen Status, zum Beispiel gegen Obdachlose. Aufgrund der Berufsgruppe, zum Beispiel Einsatzkräfte und Journalisten. Aufgrund der Religion und des Glaubens, zum Beispiel gegen Muslime oder Juden. Aufgrund der Herkunft oder Nationalität, zum Beispiel Migranten, Sinti und Roma, Geflüchtete oder dunkelhäutige Menschen. Oder wegen politischer Einstellung, zum Beispiel Politiker, Amtsträger und politisch Andersdenkende. Die Beispiele könnten lange fortgesetzt werden.


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