Tauben nicht füttern - Dringender Appell der Taubenengel Salzgitter

Aktuell sind die Taubenengel ganz besonders aktiv - sie haben eine Sondergenehmigung, um die Tauben in der Krise zu versorgen.

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Beherztes Taubengreifen in der Salzgitteraner Innenstadt.
Beherztes Taubengreifen in der Salzgitteraner Innenstadt. | Foto: Rudolf Karliczek

Salzgitter. Seit März legt das Coronavirus die Republik lahm - und beeinflusst auch das Leben der Stadttauben und die Arbeit der Taubenengel. Inga Gröschler, engagiert im Verein Stark für Tiere für die Stadttauben, appelliert trotz der aktuellen Krise und des mangelnden Nahrungsangebotes jedoch, die Tiere nicht zu füttern. In Absprache mit der Stadt werde eine professionelle Versorgung durch den Verein sichergestellt.


Noch im Februar hatten die Taubenengel Salzgitter mit einem Ausbruch der Paramyxovirose (PMV-Virus) unter den Stadttauben zu kämpfen. (regionalHeute.de berichtete), jetzt kämpft der Mensch mit einem Virus und die Stadttaube ums Überleben. "Dass die Leute alle wildfüttern, ist gerade ein großes Problem", berichtet Inga Gröschler im Gespräch mit unserer Online-Zeitung.

Die Stadt Salzgitter habe dem Verein eine Sondergenehmigung erteilt, damit die Taubenengel in täglichen Streifzügen durch die Städte die Tauben an festen Futterstellen artgerecht versorgen können. "Leider ist es so, dass wir auf unseren Rundgängen täglich Butterkekse, Haferflocken, altes Brot und Essensreste finden, die hingeworfen werden, weil die Leute denken, dass die Tiere verhungern", so Gröschler. Schon mehrere Tiere seien daher mit Symptomen bei ihr vorgeführt worden, die zweifellos auf falsche Ernährung hinwiesen. Gröschler sieht darin aber auch etwas Positives: "Ich weiß ja, die Leute meinen das gut. Ich freue mich andererseits, dass so viele Leute sich sorgen - nur ist die Wildfütterung gerade etwas kontraproduktiv." Wer in Städten ohne einen Taubenschutzverein wie beispielsweise Wolfenbüttel oder Goslar füttern wolle, sollte dies laut Gröschler mit gemischtem Körnerfutter tun: "Die Tiere sind reine Körnerfresser. Das ist im Grunde die artgerechte Verpflegung."

Wie die Tierschützerin verrät, sei die aktuelle Situation mit den Futterstellen eigentlich ein guter Schritt in Richtung Ziel: "Unser Ziel sind ja Taubenschläge für Salzgitter. Da sind die betreuten Futterstellen ideal. Wenn die Tauben sich daran gewöhnen, könnten wir sie später eventuell in einen Taubenschlag verlagern."

"Durch diesen hohen Brutzwang ist Dezimierung so gut wie unmöglich, eine Wildtaube brütet ein oder zweimal im Jahr, die Stadttaube achtmal. Der einzige Ausweg wären betreute Taubenschläge."

- Inga Gröschler, Taubenengel Salzgitter



Unverhoffter Schritt zum großen Ziel


In einem Taubenschlag könnte auch eine gezielte Populationskontrolle erfolgen. In Braunschweig wird dies bereits praktiziert - Tierpfleger legen Eier-Attrappen in die Nester. Die Tauben legen dadurch keine neuen. Außerdem verspricht ein zentraler Taubenschlag bis zu 80 Prozent weniger Taubenkot in den Städten. Dieses Modell strebe Stark für Tiere auch für Salzgitter an. Denn das mangelnde Nahrungsangebot sorge laut Taubenengel Inga keinesfalls für einen Rückgang bei der Zahl der Nachkommen: "Das Brutverhalten eines Wildtieres ist vom Nahrungsangebot abhängig, Stadttauben allerdings wurde der hohe Brutzwang angezüchtet, der ist völlig unabhängig vom Nahrungsangebot. Die brüten, wann immer sie können, auch wenn sie daran sterben."

Bei den Stadttauben handele es sich nicht um Wildtiere, sondern um Nachkommen der vom Menschen gezüchteten Tauben, die früher unter anderem für die Entwicklung von Nachrichten eingesetzt wurden. Rechtlich gesehen handelt es sich so um Fundtiere, ihnen stehe die gleiche Behandlung zu wie Fundhunden und Fundkatzen, wie Gröschler erklärt: "Die Kommunen sind also eigentlich dazu verpflichtet, die Tiere in dieser Notsituation zu verpflegen und zu versorgen. Vielfach wird auch gesagt, dass die Tauben ja einfach woanders hinfliegen, wenn in der Stadt die Nahrung ausbleibt. Aber das werden sie nicht tun, Stadttauben sind standorttreu, wenn die Nahrung ausbleibt, setzen sich die Tiere in die Ecke und verhungern."

Beschimpfungen sind schlimmer geworden


Wie bereits berichtet, sehen sich die Taubenengel noch immer drastischen Beschimpfungen ausgesetzt, wenn sie sich in der Stadt um die Tiere kümmern. "Durch die Corona-Krise ist das sogar noch schlimmer geworden, weil wir ja täglich unterwegs sind", berichtet Gröschler und erzählt von den letzten Ereignissen: "Erst kürzlich hat eine Kollegin Schläge angedroht bekommen. Man hat sie mehrfach bedroht und beleidigt. Was man sich da anhören muss, ist wirklich traurig." Die Tierschützerin könne sich nicht erklären, wo dieses aggressive Gebaren herkommen könnte: "Wenn jemand mit einem Affenzahn auf dem Rad durch die Fußgängerzone rast, sagt niemand was, aber wenn die Tauben artgerecht versorgt werden, muss jeder seinen Senf dazugeben."

Salzgitter ist Vorreiter


Dass die Tierschützer von Stark für Tiere sich überhaupt so für das Wohlergehen der Tauben engagieren dürfen, sei der Stadt Salzgitter zu verdanken. "Ich finde es von der Stadt Salzgitter absolut vorbildlich, dass sie uns die Genehmigung so schnell erteilt haben. Salzgitter ist damit eine von nur neun Städten in Deutschland, die so eine Genehmigung ausgestellt haben." In Hildesheim gebe es hingegen große Probleme, wie Gröschler aus dem Kontakt mit anderen Tierschützern weiß. In Peine wird gerade ein Stadttaubenverein aufgebaut, eine kleine Gruppe lernt den richtigen Umgang: "Das Fangen von Tauben ist spannend - entweder man ist da relativ talentiert und in der Lage beherzt zuzugreifen, oder eben nicht. Eine Helferin, die in Peine gerade angelernt wird, hat das relativ schnell gelernt", berichtet die Tierschützerin über die "Schulung" der neuen Taubenengel und ergänzt: "Es gibt aber auch Leute, die da Monate brauchen."

Die Taubenleben selbst in die Hand nehmen


Helfen kann jeder - dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten. Gröschler bedauert, dass das große Ziel des Taubenschlages derzeit vor allem an den finanziellen Mitteln scheitere: "Wir sind da aktuell für jede Spende dankbar. Die Tierarztkosten trägt ja der Verein, und durch die schlimme PMV-Welle sind die ins Unermessliche gestiegen." Auch wenn man mit der Stadt in guten Gesprächen stehe, sei eine Aufnahme der Mittel in den Doppelhaushalt nicht mehr möglich. Doch es gibt auch einfachere Wege zu helfen.

Taubenschlag im eigenen Garten


Dringend benötigt werden unter anderem Volierenplätze - sogenannte Handicapvolieren - für Tiere, die nicht mehr in die "Wildnis" entlassen werden können. Diese könne sich jeder in den eigenen Garten stellen. Die Grundfläche dabei sei variabel, pro Taube, die man aufnehmen möchte, würde ein Quadratmeter Grundfläche ausreichen: "Man muss nur ein- bis zweimal am Tag Futter und Wasser wechseln, das sind fünf Minuten. Für eine Käfigreinigung alle paar Wochen fallen nur 20 Minuten an. Tauben sind wirklich sehr pflegeleicht und stinken nicht!", erklärt Gröschler. Sie selbst habe aktuell 40 Tiere in der Pflege und sei immer wieder verwundert, wie genügsam sie seien.


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