Schleppen ukrainische Flüchtlinge HIV ins Land?

Die Ukraine hat mit einer sehr hohen HIV-Inzidenz zu kämpfen. Nun gibt es Bedenken, dass mit der Fluchtbewegung das gefährliche Virus auch in Deutschland vermehrt eingeschleppt wird.

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Symbolfoto.
Symbolfoto. | Foto: Alexander Panknin

Niedersachsen. Die Ukraine ist durch den Krieg bereits hart getroffen, allerdings scheint es hier auch ein gesundheitliches Problem zu geben: In kaum einem mitteleuropäischen Land gibt es mehr HIV-Infizierte. Es heißt, 1 Prozent der gesamten Bevölkerung sei betroffen. Dies bereitet nun auch in Deutschland Sorgen. Ist zu befürchten, dass die ukrainischen Flüchtlinge das gefährliche Virus nun vermehrt mit nach Deutschland holen? Mit diesem Szenario beschäftigt sich eine Anfrage der AfD an die Landesregierung - eine entsprechende Einschätzung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung liegt nun vor.



HIV ist eine ernstzunehmende Krankheit. Der Nachweis über eine Infektion ist gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) nichtnamentlich direkt dem Robert Koch-Institut (RKI) zu melden. Der Landesregierung liegen daher - im Gegensatz zu anderen meldepflichtigen Erkrankungen - Daten zu HIV/AIDS nur in dem Umfang vor, wie sie vom RKI veröffentlicht werden. Zu HIV-Diagnosen sei außerdem zu beachten, dass die Diagnose häufig erst Jahre nach der Infektion erfolgt, so heißt es in der Beantwortung.

Die Wahrscheinlichkeit, sich in Deutschland mit HIV zu infizieren ist vergleichsweise gering. Das deutsche Gesundheitssystem hat schon lange entsprechende Maßnahmen eingeleitet, um das Problem in den Griff zu bekommen. In anderen Ländern sieht dies allerdings anders aus. Um sich ein genaues Bild über die Situation verschaffen zu können, ist insbesondere eine Dokumentation der Neudiagnosen hilfreich. Gerade hier gibt es aber hinsichtlich der ukrainischen Flüchtlinge Probleme.

Daten unvollständig


Die Erhebung der Daten sei lückenhaft und es gebe oft nur unzureichenden ärztlichen Unterlagen von Geflüchteten. Eine Abfrage von 47 Kommunen zu mit HIV infizierten Flüchtlingen lieferte kaum verwertbare Zahlen. Lediglich neun Kommunen hätten gemeldet, dass HIV-Infektionen bei dieser Personengruppe bekannt seien beziehungsweise Personen mit einer HIV-Infektion in der Kommune untergebracht seien oder waren.

Dabei habe teilweise auch nicht mitgeteilt werden können, ob die HIV-Infektion erstmalig in Deutschland festgestellt wurde oder schon vor der Einreise vorlag. Nur eine der neun Kommunen konnte sicher sagen, dass die Infektionen vor der Ankunft in der Kommune bekannt waren.

Zahlen steigen


Die Landesregierung teilte auch mit, wie sich die Zahlen anhand der Neudiagnosen in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Demnach gab es zunächst von 2016 (237 HIV-Positive) einen Rückgang bis 2021 (171 Positive). Seit 2022 erfolgte ein sprunghafter Anstieg auf 294 gemeldete Neudiagnosen.

Dieser Anstieg sei auch bundesweit zu verzeichnen. Ein Erklärungsversuch sei, dass sich die Testangebote im Jahr 2022 wieder weitgehend an das vorpandemische Niveau angepasst hätten und vermehrt Routinetestungen stattgefunden hätten - so die Landesregierung.

RKI sieht keine Gefahr


Auf Nachfrage habe das RKI berichtet, dass von den 294 im Jahr 2022 gemeldeten Neudiagnosen aus Niedersachsen 80 Meldungen mit Herkunft Ukraine gezählt wurden. Bei einem überwiegenden Anteil dieser Meldungen handele es sich jedoch nicht um neu diagnostizierte Infektionen, sondern um bereits in der Ukraine diagnostizierte und behandelte Infektionen, die beim ersten Kontakt mit dem deutschen Gesundheitssystem nochmals eine HIV-Diagnostik durchlaufen (da sie häufig aufgrund der Therapie keine Viruslast aufweisen würden).

Eine Gefahr für die deutsche Bevölkerung für eine weitere Verbreitung von HIV aufgrund der Flüchtlingsbewegung bestehe daher nicht, so die Einschätzung des RKI gegenüber der Landesregierung.

Behandlung der infizierten Flüchtlinge


Zudem stünde in den Landesaufnahmebehörden entsprechend geschultes Personal zur Verfügung, um die Infizierten aufzuklären und die medizinische Versorgung zu gewährleisten - dafür gibt es in den Einrichtungen Sanitätsstationen.

Die Behandlung der HIV-Infektion sei überdies eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und könne von den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine mit Versicherungsschutz innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden. Daneben seien auch andere Anspruchsgrundlagen (beispielsweise AsylbLG, SGB XII) für Kriegsvertriebene aus der Ukraine denkbar.

Aktualisiert, 5. Oktober 2023: Im Text wurde zuvor fälschlicherweise die Bezeichnung Neuinfektion statt Neudiagnose verwendet. Während eine Neuinfektion den Zeitpunkt der Infektion beschreibt, steht die Neudiagnose für den Zeitpunkt der erstmaligen ärztlichen Diagnostik. Zwischen den beiden Zeitpunkten können teils Jahre liegen.


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