Sexuelle Übergriffe über Chats nehmen immer mehr zu

In der Region sind die Fälle um beinahe 70 Prozent angestiegen.

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Immer häufiger kommt es vor, dass Kinder und Jugendliche über Nachrichtendienste sexuell belästigt und genötigt werden.
Immer häufiger kommt es vor, dass Kinder und Jugendliche über Nachrichtendienste sexuell belästigt und genötigt werden. | Foto: Anke Donner

Region. Wie die Polizei schon in ihrer Kriminalstatistik für 2019 berichtete, sind durch die vermehrte Nutzung von Smartphones und soziale Netzwerke die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei Kindern und Jugendlichen stark angestiegen.


Erst kürzlich fand vor dem Landgericht Hannover der Prozess gegen einen Mann statt, der ein elfjähriges Mädchen aus Wolfenbüttel zu sexuellen Handlungen aufgefordert und am Ende sogar vergewaltigt haben soll. Über die Plattform "Schüler-VZ" hatte der heute 43-Jährige den Kontakt zu seinen Opfern aufgenommen. Unter Vorspiegelung einer falschen Identität soll der Angeklagte die zur Tatzeit zwischen 10 und 13 Jahre alten Opfer per Video-Chat dazu aufgefordert haben, ihren nackten Körper zu filmen oder sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen. Der Fall liegt inzwischen zehn Jahre zurück.

Täter erschleichen sich Vertrauen


Heute ergeben sich durch Nachrichtendienste wie WhatsApp und Facebook für die Täter weitere Möglichkeiten, ihre kranken Phantasien auszuleben. Immer häufiger kommt es zu sexuellen Nötigungen und Belästigungen bis hin zu körperlichen Übergriffen. Die Kinder und Jugendlichen trauen sich oft aus Scham oder Angst nicht, über die Sache zu sprechen und ihre Peiniger zu verraten. Eine "klassische" Masche scheint es nach Aussagen der Polizei nicht zu geben, jedoch sei die Kontaktaufnahme mit den Opfern über Social Media mit Freundschaftsanfragen oder durch Chatgruppen relativ einfach. "Eine klassische Masche gibt es nicht. Bei dem verwendeten Profilbild des Täters muss es sich nicht um den Täter handeln", erklärt Tim Holzhausen, Sprecher der Polizeidirektion Braunschweig, auf Nachfrage von regionalHeute.de. Und genau so war es auch im vorgenannten Fall: Der heute 43-Jährige habe sich damals als gut aussehender, gleichaltriger Junge ausgegeben und so den Kontakt zu seinen Opfern gesucht.

Und nicht nur Erwachsene suchen sich ihre jungen Opfer über Facebook und Co. Auch Jugendliche und Kinder erpressen sich über die sozialen Medien Nacktbilder oder Videos. Dass diese Fälle eine erschreckende Richtung einschlagen, zeigt auch die Kriminalstatistik der Polizeidirektion Braunschweig aus dem Jahr 2019. Hierin wird deutlich, dass die Belästigung und Nötigung durch Gleichaltrige - von 88 im Jahr 2018 auf 148 Fälle in 2019 - um fast 70 Prozent. Vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Snapchat können Videos, Bilder oder Links einfach vervielfacht und weitergeleitet werden. "Letztlich kommt es natürlich auf den konkreten Sachverhalt an, ob der Straftatbestand „gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ auch tatsächlich erfüllt ist", betont Tim Holzhausen und erklärt weiter, dass zwar die Zahlen im vergangenen Jahr deutlich höher ausgefallen seien, eine Tendenz aber schlecht auszumachen sei. "Die Zahlen sind häufig abhängig vom Anzeigeverhalten der Opfer beziehungsweise der Eltern. Es sind im Vergleich zu den Vorjahren ab 2017 schwankende Fallzahlen im mittleren zweistelligen Bereich", erklärt er. Betroffen seien in solchen Fällen Mädchen und Jungen gleichermaßen.

Vertrauensvolle Gespräche und Aufklärung sind das A&O


Die Polizei rät in solchen Fällen zu sofortigem Handeln und einer Anzeigenerstattung. Kinder und Jugendliche sollten sich in jedem Fall Eltern, Lehrern oder anderen erwachsenen Vertrauenspersonen anvertrauen. Dann könne gegebenenfalls Anzeige bei der Polizei erstattet werden, rät Holzhausen. Die Polizei könne dann bei Sichtung der Inhalte schließlich feststellen, ob Straftatbestände erfüllt sind, um dann erste Ermittlungen einzuleiten. Durch eine offene Kommunikation in den jeweiligen Chatgruppen gibt es häufig Ermittlungsansätze. Die Aufklärungsquote lag zwischen 2016 und 2019 zwischen 90 und 100 Prozent, so Holzhausen.

Wichtig sei aber ebenso die Aufklärungsarbeit. Daher wird durch die Präventionsdienststellen der Polizei empfohlen, gemeinsam mit den Kinder den Umgang mit den Chatsystemen und dem Internet zu üben. "Eltern sollten auf die Gefahren hinweisen und auf auffälliges, verändertes Verhalten der Kinder umgehend reagieren. Ein Vertrauensverhältnis zum Kind ist wichtig", betont Tim Holzhausen abschließend.


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