Berlin. Angesichts eines milliardenschweren Defizits in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung werden Rufe in der Ampelkoalition lauter, Besserverdiener stärker zu belasten. Es sei sinnvoll, über eine "deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze" in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu diskutieren, sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt dem "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe).
Die Grenze liegt derzeit bei 4.987,50 Euro Bruttolohn im Monat, bis zu der Kassenpatienten Beiträge zahlen müssen. Es sei kein Geheimnis, dass die SPD die Anhebung auf das Niveau der Rentenversicherung befürworte, sagte Schmidt. Dieses liegt derzeit bei 7.100 Euro in den neuen Bundesländern und 7.300 Euro in den alten. Hintergrund ist der Streit um den Haushalt und der von Finanzminister Christian Lindner (FDP) verordnete Sparkurs.
Schmidt sagte, es stelle "sich die Frage, wie die Koalition ihre gesundheitspolitischen Vorhaben finanzieren will". Dazu zählen eine solide Pflege- und Krankenversicherung, die anstehenden Versorgungsgesetze und die Klinikreform. "Der Finanzminister sieht sich derzeit nicht in der Lage, dafür Mittel bereitzustellen", sagte sie mit Blick auf den von Lindner verordneten Sparkurs. "Weil Leistungskürzungen keine Alternative sind, müssen wir die Einnahmen der Sozialversicherung verbessern."
Hier müsse auch die FDP Kompromisse eingehen, sagte sie. "Der Finanzminister will ja auch eine Mehrheit für seinen Haushalt erhalten." Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink: "Dies würde für die gesetzliche Krankenversicherung deutliche Mehreinnahmen bedeuten und - anders als höhere Beitragssätze - lediglich Gutverdiener belasten", sagte sie dem "Handelsblatt". Die FDP lehnte die Vorstöße hingegen ab - auch, weil sie am dualen System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung (PKV) rütteln. Der Wirtschaftsweise Martin Werding spricht gar von einer "Bürgerversicherung durch die Hintertür".
Steige die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung, könnten nur noch sehr wenige Arbeitnehmer die gesetzliche Krankenversicherung verlassen. Damit ändere sich die Geschäftsgrundlage der PKV. "Ihr würden neue Mitglieder genommen, die PKV würde ausbluten", sagte Werding dem "Handelsblatt".
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