Die Tragische Legende: Zum 50.Todestag von Jürgen Moll

von Frank Vollmer


296 Spiele und 105 Tore für Eintracht Braunschweig: Jürgen Moll. Anlässlich seines 50. Todestages erinnerten die Fans der Eintracht mit einer tollen Choreo an die Legende. Foto: imago
296 Spiele und 105 Tore für Eintracht Braunschweig: Jürgen Moll. Anlässlich seines 50. Todestages erinnerten die Fans der Eintracht mit einer tollen Choreo an die Legende. Foto: imago | Foto: imago

Braunschweig. Zum letzten Heimspiel des Jahres boten die aktiven Fans von Eintracht Braunschweig in der vergangenen Woche eine imposante Choreografie anlässlich des 50. Todestages von Jürgen Moll und seiner Frau Sigrid dar. regionalSport erinnert an eine Löwen-Legende und die tragische Geschichte dahinter.

"Das Leben ist endlich ..."


Es war nasskalt, windig und einfach ungemütlich.Wirklich Lust hatte Alke Mollnicht, der Einladung des Fanprojektes von Eintracht Braunschweig zum Heimspiel gegen Halle zu folgen. „Karsten König und sein Team blieben hartnäckig“, berichtet sie und ist froh darüber, denn: „Es gab eine kleine Überraschung.“ Diese Worte sind gewisseine Untertreibung. „14 Tage und Nächte haben die Ultras daran gearbeitet“, verrät Jörg Seidel vom Fanprojekt Eintracht Braunschweig. „Mit vollem Einsatz und teilweise bis 3oder 4 Uhr morgens“, ergänzt Ralf Schönherr nicht ohne Stolz.

Herausgekommen ist eine opulente Choreografie, wie sie selbst bei den aktiven Eintracht-Fans eher Seltenheitswert besitzt. Über die gesamte Südkurve botsich so eine Würdigung für Jürgen und Sigrid Moll. Tochter Alke stand vor Block 9 und war sprachlos: „Als die Choreografie losging wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen und ich bin fast zusammengebrochen.“ Die Tränen liefen bei der heute 54-Jährigen, die nicht erwartet hatte, was ihr die Fußballfans da an Emotionalität entgegenwarfen. Doch wer waren ihre Eltern Jürgen und Sigrid Moll überhaupt? Selbst einigen der jüngeren Fans im Block war das in diesem Augenblick nicht bekannt.

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Großartige Choreografie der Eintracht-Fans zum 50. Todestag. Foto: Agentur Hübner


Ein Löwe durch und durch


Jürgen Moll wurde am 16. November 1939 in Karlsbad geboren. Nach den Wirren der Kriegsjahre landete die Familie schließlich in Braunschweig. Dort trug der sportbegeisterte Junge, der auch leidenschaftlich gerne Ski fuhr, 1954 erstmals den schwarzen Löwen des MTV Braunschweig auf der Brust. Über den HSC Leu 06, wo er in der Schülermannschaft 94 Tore in einer Saison erzielte, kam das TalentJürgen Moll 1958 zu Eintracht Braunschweig. Am 12. Januar debütierte er für die Amateurmannschaft der Löwen und traf gleich doppelt.

Der Sohn eines Polizisten absolvierte das Abitur undmeisterte den Spagat zwischen dem Sport und einer Ausbildung zum Bankkaufmann. Später begann der Angreifer ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Hamburg, was sein Leben nachhaltig verändern sollte. Dort lernte Jürgen Moll seine spätere Frau, die Schauspielerin Sigrid Molwitz, kennen. Der „Sunnyboy“ und deraufblühende Bühnenstar wurden schnell zum prototypischen Glamour-Paar der 1960er Jahre. Manfand ihr Konterfei fortan immer wieder auch in den Hochglanz-Boulevard-Magazinen.

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Torwart Horst "Luffe" Wolter (2.v.l) und Jürgen Moll (dahinter) beim Einlaufen 1965. Foto: privat/Moll



Nicht nur privat, sondern auch sportlich lief es bei Jürgen Moll. Bei der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft wurde der damals 18-Jährige in die erste Mannschaft hochgezogenund schnell zur unverzichtbaren Stütze der Löwen. „Jürgen war von seinem Intellekt und seiner ganzen Art her ein Führungsspieler“, erinnerte sich Torwartlegende Horst Wolter vor ein paar Jahren in einem Interview mit dem abseits° Magazin und ergänzte:„Dazu musste er nicht einmal Kapitän sein.“

In der damaligen Oberliga Nord gehörte der Vollblut-Angreifer fortan regelmäßig zu den besten Torschützen seiner Blau-Gelben. Auch beim Trainer erarbeitet er sich so einen Sonderstatus. „Er war für die Trainer der Ansprechpartner auf dem Platz“, erzählte Wolter. Aus dem Mannschaftsgefüge der Löwen ist er da schon lange nicht mehr wegzudenken.Moll gehörtezur Stammelf, die ab 1963 in der neuen Bundesliga auflief.Gleich am zweiten Spieltag der neuen Liga gegen Preußen Münster markierte Moll das erste Heimtor und besiegelt damit den ersten Bundesligasieg der Eintracht.

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Sternstunde: Deutscher Meister 1967. Foto: privat/Moll


Deutscher Meister 1967


Der neue Trainer Helmuth Johannsen hatte sichnach seiner Ankunft 1963 für den flexiblen Angreifer einen besonderen taktischen Kniff ausgedacht. Von der Linksverteidiger-Position aus sollte Moll immer wieder für Verwirrung beim Gegner sorgen. In dieser Rolle erzielt der damals 27-Jährige in der Saison 1966/67 fünf Tore und zwei Vorlagen und hat damit maßgeblichen Anteil am größten Erfolg der Vereinsgeschichte von Eintracht Braunschweig: Der Deutschen Meisterschaft 1967. Tragischerweise sollte es Molls vorletzte Saison im Fußball werden.

Das Auswärtsspiel beim TSV 1860 München im Dezember 1968 war das letzte vor der Winterpause. Jürgen Moll und die Mannschaft trennten sich in der bayrischen Landeshauptstadt. Jeder ging für ein paar wohlverdiente Tage in den Urlaub. Ein Wiedersehenwar für den zweiten Weihnachtsfeiertag geplant. Dann sollte die Vorbereitung auf die Rückrunde beginnen. Jürgen Mollsollte die nicht mehr erleben.

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Familienidyll: Jürgen und Sigrid Moll mit ihren Töchtern Alke und Caroline. Foto: privat/Moll


"Mama und Papa sind jetzt Himmel"


Am 14. Dezember 1968 brachen er und Frau Sigrid zu einer Geschäftsreise auf. „Sie sind damals aufgebrochen, um irgendwelche Verträge zu unterschreiben“, erinnert sich Alke Moll heute. Die ältere der beiden Töchter war damals vier Jahre alt, als sie ihre Eltern zum letzten Mal sah. „Ich wollte unbedingt mitfahren, aber Papa hat gesagt: ‚Wir sind übermorgen schon wieder da’“, schildert Alke Moll den letzten Kontakt, „Und dann sind sie gefahren.“

Es warbitterkalt in diesem Winter. Die Straßenwaren tief zugeschneit. Dennoch machten sich der Fußballer und seine Frau am 16. Dezember 1968 auf den Heimweg nach Braunschweig. Auf der vereisten Fahrbahn der Bundesautobahn 7 verlor der passionierte Autofahrer plötzlich die Kontrolle über seinen Sportwagen. Das Auto schluggegen die Leitplanke, überschlug sich mehrfach und kam auf einem Feld zum Stehen. Jürgen Mollwar sofort tot. Sigrid Moll kämpfte noch um ihr Leben, erlagihren schweren Verletzungenaber wenig später auf der Fahrt ins Krankenhaus.

Alke Moll und ihre Schwester Caroline warteten bei den Großeltern vergebens auf die Rückkehr ihrer Eltern. In dieser Nacht fiel es ihr schwer, zu schlafen. Als sie von Stimmenaus dem Wohnzimmer geweckt wurde, nahmsie ihr Großvater zur Seite: „Er sagte mir, dass Mama und Papa jetzt im Himmel sind.“ Die Nachricht vom tragischenSchicksal des Ehepaars Moll sorgte allerorts für große Bestürzung. Und Solidarität. Die Weltmeister-Elf von 1954 kam für ein Benefiz-Event ein letztes Mal zusammen, an dem auch die Bundesligisten teilnehmen. Am 14. April 1969 kam so vor mehr als 20.000 Zuschauern im Eintracht-Stadion eine Spendensumme von über 120.000 Mark zusammen.

Beim großen Rivalen aus Hannover zeigt man sich derart bestürzt über die Tragödie der Molls, dass die Mannschaft geschlossen bei der Beerdigung erschien, um ihre letzte Ehrerbietung zu erweisen. Die letzte Ruhestätte Jürgen und Sigrid Molls auf dem Hauptfriedhof in Braunschweig stellt noch heute einen Wallfahrtsort für Fußballbegeisterte aus der gesamten Bundesrepublik dar.

... Immer in Erinnerung!


Auch 50 Jahre später ist Jürgen Moll nicht vergessen.Tochter Alke ist den Fans von Eintracht Braunschweig im Nachgang sehr dankbar, dass die an ihre Eltern und deren Geschichte erinnert haben: "Es war eine Wahnsinns-Choreo! Ich fand sehr schön, dass auch meine Mama Teil davon war. Ich bin noch immer tief gerührt", erzählt die adrette Künstlerin, die ihren eigenen Weg gefunden hat, um mit dem Unfall umzugehen, der einst ihr Leben verändert hat. "Dank der Fans werden Mama und Papa in Erinnerung bleiben", hofft sie.Oder wie die Choreografie es ausdrückte: „Das Leben ist endlich. Legenden bleibenimmer in Erinnerung.“

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Zu Tränen gerührt: Alke Moll mit "Kurvenmutti" Christel Neumann. Foto: Olaf Krause/Fanprojekt Eintracht BS




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