Würzburg. Der Würzburger Staatsrechtsprofessor Kyrill-Alexander Schwarz warnt die Ampel-Koalition davor, der Haushaltskrise infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils mit einer weiteren Aussetzung der Schuldenbremse auf Basis einer Notlage begegnen zu wollen. "Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts ist das nur schwer darstellbar", sagte der Staatsrechtler der "Welt".
"Es müsste sich tatsächlich um eine Katastrophe oder eine vergleichbare Notlage handeln, die sich der Kontrolle des Staates entzieht. Und nun zu behaupten, dass durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Notlage entstanden sei, wäre sicherlich das schlechteste Argument, das man zur Legitimierung verwenden könnte", so Schwarz. "Man könnte natürlich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag überlegen, ob man die Schuldenbremse ändert, modifiziert, sie ganz aufhebt oder um eine Investitionsklausel erweitert. Aber all das lädt natürlich am Ende zu Tricksereien - insbesondere beim Investitionsbegriff - ein."
Den Vorstoß von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, eine solche Notlage mit den hohen Kosten für den Wiederaufbau in der Ukraine und in Gaza zu begründen, hält der Staatsrechtsprofessor für nicht stichhaltig. Man könne die Kosten für einen solchen Wiederaufbau nicht abschätzen, ebenso wenig wie den Anteil Deutschlands. "Davon abgesehen sind das Szenarien, die wohl nicht mit einer Situation vergleichbar sind, die gemäß dem Grundgesetz als außerordentliche Notlage gelten können", so Schwarz. Der Jurist geht davon aus, dass das Verfassungsgerichtsurteil massive Auswirkungen auf die Finanzplanung für das kommende Jahr hat.
"Es bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, den Haushalt für 2024 in diesem Jahr in der jetzt geplanten Form zu verabschieden. Dafür müsste das Haushaltsgesetz beschlussreif sein." Beschlussreif bedeute, dass das Parlament sich darüber Gedanken machen müsse, welche Einnahmen und Ausgaben überhaupt in den Haushalt eingestellt werden. "Und das ist auf der jetzt unsicheren Grundlage, die sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, überhaupt nicht möglich."
Trotz der Haushaltskrise sei der Staat aber weiterhin in der Lage seine Aufgaben zu erfüllen, so Schwarz. "Die Haushaltssperre ist etwas anders als ein Government Shutdown, wie wir es aus den USA kennen. Sie bedeutet, dass die Bewilligung von Ausgaben jetzt grundsätzlich einer zustimmenden Erklärung der Bundesregierung bedarf. Der Staat ist dadurch nicht handlungsunfähig."
Laufende Kosten, die aus Bundesmitteln finanziert werden, seien davon nicht betroffen, sagte der Staatsrechtler. "Bei allen anderen größeren Planungsvorhaben, die länger in der Pipeline sind, wirkt sich das allerdings sofort aus. Große Infrastrukturprojekte werden jetzt zunächst einmal auf Eis gelegt."
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