Braunschweig. Im Dezember letzten Jahres wurde in der Braunschweiger Nordstadt ein zehnjähriges Mädchen vergewaltigt. Gegen einen 27-Jährigen wurde jetzt Anklage erhoben. Laut Staatsanwaltschaft Braunschweig handelt es sich dabei um einen Asylbewerber aus Burundi. Dieser sei wegen Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Wohnungseinbruchdiebstahl vorbestraft. Der Fall wirft die Frage auf, welche Konsequenzen Straftaten auf ein laufendes Asylverfahren haben können. Wir fragten bei den verantwortlichen Behörden nach.
Das Landgericht Braunschweig bestätigte gegenüber regionalHeute.de, dass man die Anklage inzwischen angenommen habe. Das Verfahren gegen den 27-Jährigen werde bereits im Juni beginnen - aus Opferschutz vor einer Jugendkammer. Wird er wegen Vergewaltigung schuldig gesprochen, könnte eine lange Freiheitsstrafe die Folge sein. Doch wäre damit auch sein Antrag auf Asyl automatisch gescheitert?
Keine Angaben zum Einzelfall
"Personenbezogene Angaben zu Einzelfällen können aus datenschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht mitgeteilt werden", teilt das Niedersächsische Innenministerium mit. Genauso sieht es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Hinzu komme, dass es sich in diesem Fall zusätzlich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele, heißt es von dort.
Doch Aufschluss könnten hier auch allgemeine Antworten geben. So teilt das BAMF mit, dass die Asylberechtigung und der Flüchtlingsschutz ausgeschlossen werden könnten, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sei. Das Bundesamt müsse zur Einschätzung kommen, dass auch zukünftig eine Gefahr von der Person ausgehe, vergleichbare Straftaten erneut zu begehen. Im Jahr 2016 sei diese Regelung dahingehend verändert worden, dass bei bestimmten Delikten wie Körperverletzung oder Sexualstraftaten, bereits eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr zum Ausschluss oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung führen könne.
Automatismus gibt es nicht
Ein Automatismus - schwere Straftat führt zu Ablehnung des Asylantrags - könne dadurch aber nicht abgeleitet werden. Es handele sich um eine sogenannte „Kann“-Bestimmung. Es sei eine Ermessensentscheidung erforderlich, bei der dem Bleibeinteresse des Straftäters das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr gegenüberzustellen und abzuwägen sei, so das BAMF.
Straftaten von erheblicher Bedeutung führten dazu, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde ausgeschlossen sei und dem Ausländer lediglich eine Duldung ausgestellt werde. Komme das Bundesamt zu dem Schluss, dass der Betroffene nicht in sein Herkunftsland zurückgeführt werden könne, weil ihm dort erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohe, werde ein Abschiebungsverbot ausgesprochen. Der verurteilte Asylsuchende werde in dem Fall nicht in sein Heimatland zurückgeführt, sondern müsse seine Strafe in Deutschland verbüßen.
Keine Abschiebung bei laufendem Verfahren
Das Niedersächsische Innenministerium stellt klar, dass während eines laufenden Asylverfahrens eine Abschiebung generell nicht möglich sei, da zunächst die asylrechtliche Entscheidung des BAMF abzuwarten sei. Diese könne auch eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung beinhalten. Wenn von dem Betreffenden eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, könne auf die bei Abschiebungen übliche Frist von sieben bis 30 Tagen verzichtet werden.
Generell sei es aber Aufgabe der zuständigen Ausländerbehörde des betroffenen Landkreises oder der betroffenen Stadt, die Abschiebung einzuleiten. Der tatsächliche Vollzug der Abschiebung werde dann von der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen übernommen, so das Innenministerium.
Dauer des Verfahrens variiert stark
Abschließend stellt sich angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte im Braunschweiger Vergewaltigungsfall laut Staatsanwaltschaft bereits seit 2014 in Deutschland lebt, die Frage, wie lange so ein Asylverfahren in der Regel dauert. Die Dauer der Bearbeitung hänge immer von der Komplexität des jeweiligen Einzelfalls ab, heißt es seitens des BAMF. Maßgeblich für die Bearbeitungskomplexität und -dauer seien dabei Herkunftsland, Gesundheitszustand oder Verfügbarkeit und Validität von Ausweisdokumenten. Komplexe Verfahren, deren Bearbeitung aufwändiger sei, erforderten zum Beispiel umfangreiche Recherchen, Anfragen beim Auswärtigen Amt oder medizinische Gutachten. Auch Anfragen bei Mitgliedstaaten, Gerichtsverfahren oder eine Änderung der persönlichen Umstände des Asylsuchenden könnten zu einer längeren Verfahrensdauer führen.
Die Gesamtverfahrensdauer der Asylerst- und Folgeanträge für Niedersachsen betrage laut BAMF im Zeitraum Januar bis April 2023 im Schnitt sechs Monate. Bei den Jahresverfahren, welche alle Entscheidungen über Erst- und Folgeanträge mit Antragstellung in den vergangenen zwölf Monaten umfasst, habe die Dauer durchschnittlich 3,2 Monate betragen. Das BAMF selbst weist aber darauf hin, dass Verfahren nicht zwingend in der Bearbeitungszuständigkeit des Bundesamts liegen müssten, beispielsweise könnten auch Ausländerbehörden oder Gerichte verantwortlich sein.
mehr News aus der Region