Harz. Regenschauer ohne Ende - trotzdem bleiben die Talsperren leer. In den sozialen Medien kritisieren Leserinnen und Leser vermeintlich unwahre Schauermeldungen über Dürren und werfen den Harzwasserwerken vor, aus purer Gier einfach immer mehr Wasser zu verkaufen. regionalHeute.de hat die Harzwasserwerke mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Die gelieferten Daten zeigen, dass Wasserverbrauch und Zulauf in den letzten sechs Jahren tatsächlich völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Woran liegt das?
Im langjährigen Mittelwert der Jahre 1981 bis 2016 lag die Abgabe von Trinkwasser aus dem Harz bei 62 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Dieser Wert wurde in den Jahren 1999 bis 2011 bisweilen deutlich unterschritten. 62 Millionen Kubikmeter Wasser entsprechen übrigens etwa dem doppelten maximalen Stauinhalt der Granetalsperre und etwa einem drittel des Volumens aller Talsperren im Harz.
Rekorddürre erfordert Rekordabgabe
Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass es sich dabei nur um Durchschnittswerte im Verhältnis zum maximalen Stauvolumen der Talsperren handelt. Derzeit (Stand 20. Mai) sind die Talsperren mit 116,47 Millionen Kubikmetern nur zu etwa 64 Prozent gefüllt. Im besonderen Dürrejahr 2018 sank der Füllstand bereits auf 56 Prozent, bisweilen musste beispielsweise die Okertalsperre gleichzeitig aber das siebzehnfache dessen abgeben, was ihr zugeführt wurde, um ein Trockenfallen der Oker zu verhindern. Dem historisch niedrigen Zulauf in diesem Jahr stand eine Rekordabgabe von etwa 74 Millionen Kubikmetern Wasser gegenüber. Norman Droste, Pressesprecher der Harzwasserwerke, fasst zusammen: "Der natürliche Talsperrenzufluss in Summe an den Trinkwassertalsperren ist in den letzten zehn Jahren um zirka 20 Prozent zurückgegangen."
Städte boomen, Pro-Kopf-Verbrauch steigt
Demgegenüber steht ein höherer Wasserbedarf während der Trockenheit. Droste erklärt: "Im Jahr 2018 wurden im Monat Juli mit über zehn Millionen Kubikmeter ein neuer Rekordwert bei der Gesamtabgabe erreicht, da die Nachfrage aufgrund des heißen und trockenen Sommers deutlich höher war." Die Zahl der Kunden habe sich dabei nicht geändert, auch die Größe des Versorgungsgebietes ist gleich geblieben. Zugenommen hat aber die Zahl der Wasserabnahmestellen in den Städten, deren lokale Wasserwerke die Talsperren beliefern. Grund dafür ist unter anderem, dass die Städte auch immer mehr Einwohner verzeichnen und der pro-Kopf-Verbrauch seit 2013 insgesamt wieder steigt: "Viele Kunden haben ihre vertraglichen Vorhaltemengen, zu denen die Harzwasserwerke zur Lieferung vertraglich verpflichtet sind, deutlicher ausgeschöpft", stellt Droste dazu fest.
Nicht mehr Gewinn trotz höherem Umsatz
Der Vorwurf in den sozialen Medien lautet, dass die Talsperren leer seien, da die Harzwasserwerke immer mehr Kunden und Versorgungsgebiete erschließen würden, um sich mit dem verkauften Wasser die Taschen zu füllen. Aus den öffentlich einsehbaren Zahlen lässt sich das jedoch nicht ableiten - Zwar stieg der Gesamtumsatz in den letzten Jahren deutlich an und mit ihm auch der Jahresüberschuss, jedoch haben sich auch die Investitionen nahezu verdoppelt. Die Gewinnausschüttung hat sich seit 2016 dabei jedoch fast halbiert.
Extremwetterereignisse und widersprüchliche Aufgaben
Die Talsperren im Harz müssen mehrere, teilweise widersprüchliche Aufgaben bewältigen. Sie dienen als Trinkwasserspeicher für und zwei Millionen Menschen in Niedersachsen und Bremen. Gleichzeitig müssen sie - in Zeiten geringen Niederschlags - sehr viel Wasser abgeben, um die Ökosysteme der Oker und anderer Flüsse zu stützen. Die dritte Aufgabe ist der Hochwasserschutz. Dabei haben Extremereignisse wie Dürren und Hochwasser in den vergangenen Jahren zugenommen. "Die Aufgaben stehen immer mehr in Konkurrenz zueinander. Denn damit die Talsperre Hochwasserspitzen abfangen kann, sollte sie möglichst wenig gefüllt sein. Für die Trinkwasserversorgung und Niedrigwasseraufhöhung ist eine vollgefüllte Talsperre aber am besten", erklärte der technische Geschäftsführer der Harzwasserwerke, Christoph Donner, bereits bei einem Pressetermin im Jahr 2019.
Die Bilanz dieser Konkurrenzproblematik präsentiert Norman Droste, Pressesprecher der Harzwasserwerke: "In den extremen Trockenjahren, die durch extreme Temperaturen und extrem unterdurchschnittliche Niederschläge geprägt waren, ist die Trinkwasserabgabe gestiegen. Die Steigerung lag zum Mittel bei 16 Prozent", und das bei 20 Prozent niedrigerem natürlichen Zulauf als in den Dekaden davor. Droste ergänzt: "Auswirkung auf den Füllstand hat aber nicht nur die Trinkwasserabgabe, sondern auch die Meteorologie (Temperatur, Niederschlag) und in dem Zusammenhang die Talsperrenzuflüsse sowie die Verdunstung und Unterwasserabgaben" Das Versorgungsgebiet der Harzwasserwerke habe sich ebenfalls nicht verändert. Eine Karte des Gebietes kann hier eingesehen werden.
Beim Klimawandel an vorderster Front
"Als Wasservorversorger registrieren wir mittlerweile seit dem Jahr 2008 unterdurchschnittliche Regenfälle und Talsperrenfüllstände. Auch in diesem Jahr bewegen sich unsere Talsperren wieder unter dem langjährigen Vergleichswert, dazu ist schwere Dürre vielerorts in Niedersachsen auch im Boden deutlich vorhanden. Diese Entwicklung ist für uns in der Wasserwirtschaft eine Herausforderung, die aufgrund des Klimawandels aber auch zukünftig aktuell bleiben wird", stellt Droste fest und erklärt weiter: "Generell befassen sich die Harzwasserwerke aber schon viele Jahre mit den Auswirkungen des Klimawandels: Durch langjährige Aufzeichnungen des Wetters und den Daten der Talsperren und Grundwasserwerke können wir intern Auswertungen vornehmen, deren Erkenntnisse wir mit in die Bewirtschaftung der Talsperren einfließen lassen." Alle Talsperren sind untereinander vernetzt.
Die Harzwasserwerke haben daher auch für das Jahr 2021 Vorkehrungen getroffen: "Um einer eventuellen erneuten Dürre in diesem Jahr entgegenzutreten, wurde schon sehr früh in diesem Jahr zum Beispiel Wasser von der Innerstetalsperre in die Granetalsperre übergeleitet, damit es dort für die Trinkwasserproduktion genutzt werden kann. Auch bei den Trinkwassertransportleitungen gibt es ein Verbundsystem, mit dem die Trinkwassermengen im Bedarfsfall verteilt werden können."
Die Talsperren sollen sich dem Klima anpassen
Sollte der Sommer 2021 erneut sehr trocken werden, seien regional aber auch überregional Aufrufe zum Wassersparen möglich. "Langfristig müssen wir uns gesamtgesellschaftlich auf den Klimawandel und weitere Extremwettersituationen einstellen. Wie sich das System der Harzwasserwerke dabei anpassen kann, wird im Forschungsprojekt Energie- und Wasserspeicher Harz untersucht."
mehr News aus der Region