Wolfsburg. Anlässlich des Holocaust-Gedenktags 2025 fand im Wolfsburger Kulturzentrum Hallenbad eine bewegende Veranstaltung zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft statt. Im Mittelpunkt stand eine szenische Darstellung von Auszubildenden der Volkswagen AG, die die symbolische Enthüllung der „Walter-Lübcke-Straße“ am Berliner Kurfürstendamm nachstellten und die dauerhafte Umbenennung einer Straße in Wolfsburg nach dem ermordeten Regierungspräsidenten anregten. Dies teilte die Stadt mit.
Der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke wurde am 2. Juni 2019 von einem Rechtsextremisten wegen seines Engagements für Demokratie und Menschenrechte ermordet. Sein Tod erschütterte die Bundesrepublik tief und markierte einen besorgniserregenden Höhepunkt rechtsextremer Gewalt in Deutschland. Zum fünften Jahrestag seines Todes hatte das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) gemeinsam mit Volkswagen-Auszubildenden eine besondere Gedenkaktion initiiert: Für eine halbe Stunde wurde eine Seitenstraße des Kurfürstendamms in Berlin symbolisch in „Walter-Lübcke-Straße“ umbenannt – ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und für demokratische Werte.
Erinnerung macht Mut - Junge Generation setzt Zeichen
Die Azubis der Volkswagen-Standorte Braunschweig und Salzgitter, die bis Mitte Juni an einem Gedenkstättenprojekt des IAK in Auschwitz mitwirken, nahmen bewusst an der Aktion in Berlin teil, bevor sie ihre Reise nach Polen fortsetzten. In Wolfsburg stellten sie die Berliner Aktion eindrucksvoll nach und riefen die Stadtgesellschaft dazu auf, sich aktiv für eine dauerhafte Umbenennung einer Straße nach Walter Lübcke einzusetzen.
Ines Doberanzke-Milnikel, Projektleiterin der Gedenkstättenprojekte der Volkswagen AG, zeigte sich beeindruckt vom großen Engagement der Volkswagen-Führungskräfte sowie der Auszubildenden und betonte: „Es ist ermutigend zu sehen, wie tief sich die jungen Menschen mit der Geschichte auseinandersetzen und daraus Verantwortung für die Zukunft ableiten. Ihr Engagement zeigt, dass Erinnerung lebendig bleibt und dass sie bereit sind, aktiv für demokratische Werte einzutreten.“ Besonders berührend sei die kreative Auseinandersetzung der Auszubildenden mit diesem ernsten Thema, die ein starkes Zeichen gegen das Vergessen setze.
Bedeutung der Erinnerungskultur für die Zukunft
In seinen Grußworten verwies Oberbürgermeister Dennis Weilmann auf die Bedeutung der Erinnerungskultur für die Demokratie: „Das Gedenken an Auschwitz ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern ein Auftrag für die Gegenwart. Es mahnt uns, aktiv gegen Antisemitismus, Rassismus und Populismus einzutreten, um unsere Demokratie zu schützen. Gerade in Zeiten, in denen extremistische Strömungen wieder an Einfluss gewinnen, ist es unsere gemeinsame Verantwortung, klare Zeichen zu setzen und unsere demokratischen Werte zu verteidigen. Unsere Stadt steht für Vielfalt, Respekt und Zusammenhalt – Werte, die wir gemeinsam bewahren und verteidigen müssen.“
In ihren Grußworten unterstrich Daniela Cavallo, Betriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, das gemeinsame Engagement mit dem Internationalen Auschwitz Komitee und erinnerte an die Worte von Sara Frenkel:
„Viele von Ihnen und Euch werden sie kennen. Frau Frenkel war Zwangsarbeiterin im Volkswagenwerk. Und 2018 hat sie in einem Interview mit unserer Betriebsrats-Zeitung das hier gesagt: Die Wahlerfolge von rechtsextremen Parteien, von den hohlköpfigen Populisten, die machen mir Sorgen, große Sorgen! Sie zeigen mir, wie brüchig unsere Gesellschaften und der menschliche Zusammenhalt sind. Sie suchen schon wieder nach Sündenböcken! Ich bitte Euch: Wehret den Anfängen, indem Ihr Euch einmischt! Zeigt Gesicht, bezieht Position und bleibt nicht still und passiv.“
Cavallo schloss ihr Grußwort mit einem eindringlichen Appell und zitierte Primo Levi: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Sie betonte, dass dieser Satz keine bloße Theorie für Gedenkstunden sei, sondern ein klarer Auftrag für unseren Alltag:
„Es geht heute nicht mehr nur darum, dass wir niemals vergessen, was geschehen ist. Sondern es geht verstärkt darum, dass wir nicht vergessen, was wieder geschehen kann, wenn wir nicht wehrhaft genug sind.“
Ein vielfältiges Programm zur Stärkung der Demokratie
Das Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) begleitete die Beiträge der Schülerinnen. Soey Marie Ekarius der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule berichtete von ihren bewegenden Eindrücken eines Besuchs in Auschwitz und Lisa Abagat und Johanna Klemt von der Eichendorffschule und setzten sich in einem eindringlichen Poetry Slam mit dem Thema „Kindheiten in der NS-Zeit“ auseinander. In einer mitreißenden Rede „In uns allen fließt dasselbe Blut“ betonte Lisa Abagat die Bedeutung von wirklichem Aktivismus in der heutigen Zeit, sich aktiv für die Demokratie einzusetzen und gegen das Vergessen anzugehen.
Das Tanzende Theater Wolfsburg brachte mit Gesang und Tanz aus ihrem Engagement heraus das beeindruckende Kooperationsprojekt „Licht in der Dunkelheit“, das in Zusammenarbeit mit der IG Metall entstanden ist, auf die Bühne. Die Darbietung vermittelte auf künstlerische Weise Hoffnung und Mut in dunklen Zeiten und rief zu Solidarität und gesellschaftlichem Zusammenhalt auf.
Weitere Höhepunkte der Veranstaltung waren die Grußworte von Rabbiner Yakov Yosef Harety von der Orthodoxen Jüdischen Gemeinde Wolfsburg sowie bewegende Lesungen von dem Verantwortlichen für Entwicklung, Kooperation und Soziale Verantwortung des Scharoun Theaters Wolfsburgs Herrn Bernd Upadek und die Leitung des Jungen Theaters Wolfsburg Herrn Jürgen Beck-Reebholz aus dem Buch der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. Die Anregung kam von einem Mitglied der Erwachsenengruppe des Sharoun Theaters Frau Korzonnek nach einer beeindruckenden Begegnung mit Margot Friedländer.
Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, schilderte in einer ergreifenden Erzählung – begleitet von musikalischer Untermalung – persönliche Erlebnisse von Holocaust-Überlebenden und erinnerte an die bleibende Verantwortung, die aus ihren Geschichten erwächst.
Auf dem begleitenden „Markt der Möglichkeiten“ im Foyer informierten zahlreiche Initiativen über ihre Arbeit zur Stärkung von Demokratie und Erinnerungskultur.
Die Veranstaltung wurde von der Stadt Wolfsburg in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Auschwitz Komitee, der Volkswagen AG, dem Verein zur Förderung der Jugendbegegnungsstätte Oświęcim/Auschwitz e. V., dem Wolfsburger Verein Erinnerung und Zukunft e. V. sowie dem Hallenbad – Kultur am Schachtweg organisiert.
Mit der eindrucksvollen szenischen Darstellung und der symbolischen Umbenennung einer Straße setzen die Volkswagen-Azubis und das Internationale Auschwitz Komitee ein klares Zeichen: Die Demokratie braucht aktive Verteidiger – Erinnerung macht Mut!