Region. Die niedersächsischen Regierungsfraktionen SPD und CDU wollen Nazi-Propaganda von den Straßen verbannen und sogenannte sittenwidrige Autokennzeichen landesweit verbieten. Einen entsprechenden Antrag haben die Parteien im niedersächsischen Landtag gestellt.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass bestimmte Ziffern- und Nummernfolgen auf Autokennzeichen für die Verherrlichung des Nationalsozialismus stehen können. Die Kombination "HH 88" steht in der rechtsextremen Szene beispielsweise für "Heil Hitler", wobei die 88 einzeln betrachtet jeweils für den achten Buchstaben im Alphabet steht - das "H". Weitere Beispiele sind die Kombinationen "AH 18" und "HH 1933".
Doch nicht jedem, der ein Fahrzeug mit einem solchen Kennzeichen fährt, darf automatisch eine rechtsextreme Gesinnung unterstellt werden. Denkbar wäre ja auch, dass die Kombinationen vom Halter des Fahrzeuges unbewusst, oder eben mit einem gänzlich anderen Bezug, wie beispielsweise den eigenen Namensinitialen und Geburtstagszahlen gewählt wurden.
Liste soll erstellt werden
Die Regierungsparteien wollen jedenfalls, dass die genannten Kombinationen verboten werden. Verfassungsschutz und polizeilicher Staatsschutz sollen zudem beauftragt werden, eine Liste mit weiteren entsprechenden Zahlen- und Buchstabenkombinationen zu erstellen.
Nach Darstellung von SPD und CDU habe die Bedeutung von Zahlen- und Buchstabencodes in der rechtsextremen Szene erheblich zugenommen, um die nationalsozialistische Gesinnung straflos in der Öffentlichkeit zur Schau stellen zu können. Die Wolfenbütteler Landtagsabgeordnete und Innenpolitikerin der SPD-Landtagsfraktion Dunja Kreiser sagt: "Um den Spielraum von rechtsradikalen Akronymen und NS-Propaganda auf Kennzeichen möglichst gering zu halten, plädieren wir für eine Verschärfung dessen, was an Buchstaben- und Zahlenkombinationen erlaubt ist. Auf unseren Straßen ist kein Platz für NS-Propaganda!"
Bundesweite Verbote können erweitert werden
Bundesweit gilt bereits ein Verbot für Autokennzeichen welche die Buchstabenkombination KZ, SA, HJ oder SS enthalten. Darüber hinaus kann jedes Bundesland und nachfolgend jede Zulassungsbehörde zusätzliche Kombinationen für ein Verbot festlegen. So ist zusätzlich zu der Bundesregelung in Niedersachsen das Kennzeichen "NS" verboten.
In unserer Region haben sowohl der Landkreis Goslar als auch die Stadt Wolfsburg bereits verschärfte Regeln. So habe man sich in Wolfsburg bereits vor Jahren dafür entschieden, die Liste der untersagten Kennzeichen um die Kombinationen AH und HH zu erweitern. Im Landkreis Goslar werden Kennzeichen mit den Kombinationen "HH 88", "HH 1933" sowie "AH 18" nicht ausgegeben. Dies ergab eine Anfrage von regionalHeute.de. Der Landkreis Peine teilte mit, dass man bei einem "schlechten Gefühl" den Kennzeichenwunsch mit dem Antragsteller erörtern würde.
Manch ein unbedarfter Bürger hat, nachdem ihm die Bedeutung des Kennzeichenwunsches erörtert wurde, von seinem ursprünglichen Wunsch auch schon Abstand genommen.
Nazi-Kennzeichen auch in der Region unterwegs
In der Region sind bis auf eben Goslar und Wolfsburg einige der oben aufgeführten beispielhaften Kennzeichen unterwegs. Zwar hat der Landkreis Gifhorn mit Verweis auf den Datenschutz als einzige Behörde keine Auskunft darüber erteilt, doch über die öffentlich zugängliche Wunschkennzeichen-Reservierung sind genau diese Kennzeichen nicht mehr erhältlich.
Die Stadt Braunschweig teilt mit, dass das Kennzeichen AH 18 an eine Firma ausgegeben wurde, HH 88 an eine Privatperson. Das Kennzeichen HH 1933 sei nicht vergeben, vorsorglich aber für eine erneute Vergabe gesperrt worden.
Ist ein Widerruf von Kennzeichen möglich?
Der nun vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen sieht vor, dass die Kfz-Zulassungsstellen bereits zugelassene Kennzeichen bei einem Halter- und/oder Fahrzeugwechsel ändern sollen. Doch warum warten? Ließen sich bereits ausgegebene Autokennzeichen nicht einfach von Amtswegen widerrufen?
In dieser Frage sind sich die Zulassungsbehörden in unserer Region uneinig. Während die Landkreise Goslar und Peine, sowie die kreisfreien Städte Salzgitter und Wolfsburg die Möglichkeit sehen dies durchzusetzen, verneinen die Landkreise Gifhorn, Helmstedt und Wolfenbüttel, sowie die kreisfreie Stadt Braunschweig das.
Am Ende muss dies möglicherweise rechtlich geprüft werden, wobei dann sicherlich auch ein Referenzurteil vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht eine Rolle spielen dürfte. Hier hatte der Landkreis Viersen in Nordrhein-Westfahlen das Autokennzeichen "HH 1933" einkassiert, nachdem sich ein Bürger darüber beschwert hatte. Der Halter klagte dagegen und verlor den Prozess, da das Gericht das Kennzeichen für sittenwidrig befand.
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