Wie viele ausreisepflichtige Personen gibt es in unserer Region?

In den vergangenen Wochen wurde viel darüber diskutiert, wie man Abschiebungen beschleunigen kann. regionalHeute.de fragte nach, wie viele Menschen davon bei uns betroffen wären.

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Symbolbild | Foto: pixabay

Region. In den vergangenen Wochen wurde viel darüber diskutiert, wie man die Abschiebung ausreisepflichtiger Personen beschleunigen kann. Doch wie viele Menschen in unserer Region wären davon überhaupt betroffen? In welchen Fällen können Personen überhaupt abgeschoben werden? Betrifft dies nur Asylbewerber? Und was hat es mit der sogenannten Duldung auf sich? regionalHeute.de fragte bei der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB), die in letzter Konsequenz auch für die Abschiebungen zuständig ist, sowie bei den Städten und Landkreisen, deren Ausländerbehörden eine Abschiebung veranlassen müssen, nach.



"Ausländische Staatsangehörige, die entweder nach einem erfolglosen Asylverfahren oder aus asylverfahrensunabhängigen Gründen, weil sie die Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllen, sind zur Ausreise verpflichtet", stellt Hannah Hintze, Pressesprecherin der LAB Niedersachsen klar. Den Personen werde eine Frist gewährt, innerhalb derer sie selbstbestimmt in ihr Herkunftsland zurückkehren können. "Wenn sie dieser Verpflichtung nicht freiwillig nachkommen, ist die Abschiebung gemäß § 58 Aufenthaltsgesetz einzuleiten. Es handelt sich dabei um eine zwingende Rechtsfolge. Ein Ermessen haben die Ausländerbehörden nicht", betont Hintze.

Tatsächliche oder rechtliche Hindernisse


Wenn dem zeitnahen Vollzug der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, sei der Aufenthalt bis zum Wegfall dieses sogenannten inlandsbezogenen Vollzugshindernisses zu dulden. Diese Vollzugshindernisse könnten sich beispielsweise aus einer ungeklärten Identität, fehlender Dokumente oder auch einer temporären Reiseunfähigkeit ergeben. Zuständig für die Erteilung von Duldungen seien die Ausländerbehörden. Die Duldungsgründe seien individuell und würden einzelfallbezogen von der zuständigen Ausländerbehörde geprüft.

Darüber, wie viele Menschen, die ausreisepflichtig wären oder eine Duldung haben, es in den Städten und Landkreisen unserer Region gibt, lägen der LAB keine Zahlen vor. Es wird an die zuständigen Ausländerbehörden der Städte und Landkreise verwiesen. Diese äußern sich folgendermaßen (Die Reihenfolge entspricht dem Eingang der Antwort):

Helmstedt: Alle haben Duldung


Im Landkreis Helmstedt hielten sich mit Stand 2. November 148 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer auf, berichtet Landkreissprecher Sebastian Dettmer. Die Gründe für die Ausreisepflicht seien eine unanfechtbare Ablehnung des Asylantrags, strafrechtliche Verurteilungen oder wenn die Voraussetzungen für die Erteilung beziehungsweise Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr vorlägen.

Allerdings haben alle 148 ausreisepflichtigen Personen eine Duldung. Diese werde ausgestellt, wenn die Durchführung der Abschiebung vorübergehend nicht möglich sei. Die Gründe, die die Ausstellung einer Duldung notwendig machten seien vielfältig, zum Beispiel ungeklärte Identität, fehlende Reisedokumente für die Rückführung, Reiseunfähigkeit aufgrund einer vorgetragenen und nachgewiesenen Erkrankung, Inhaftierung, Eingabe bei der Niedersächsischen Härtefallkommission, familiäre Gründe, etc. Die vorgetragenen Duldungsgründe würden bei jedem Antrag auf Verlängerung der Duldung überprüft. Dies geschehe in der Regel in Zeitintervallen von drei bis höchstens sechs Monaten.

Seit dem 1. Januar 2021 wurden im Landkreis Helmstedt 38 Personen abgeschoben. Eine Statistik über freiwillige Ausreisen werde nicht geführt.

Peine: Verfahren zur Identitätsklärung


Im Landkreis Peine verweist man auf den aktuellen Flüchtlingsbericht (Stand 1. November). Demnach gibt es im Landkreis 271 ausreisepflichtige Personen (abgelehnte Asylbewerber oder sonstige illegal Eingereiste). Diese hätten aber eine Duldung oder eine Grenzübertrittsbescheinigung, das heißt, dass sie das Bundesgebiet demnächst freiwillig verlassen wollen. Quantifiziert wird dies im Bericht nicht. Außerdem gibt es 222 abgelehnte Asylbewerber im laufenden Klageverfahren und 430 Asylbewerber, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde.

"Duldungsgründe sind größtenteils ungeklärte Identität, Passlosigkeit und damit verbundene nicht vorhandene Rücknahmebereitschaft des vermeintlichen Heimatstaates, Reiseunfähigkeit, familiäre Gründe, Asylfolgeverfahren etc.", ergänzt Landkreissprecher Fabian Laaß. Die Duldungen würden maximal für ein bis drei Monate verlängert (lediglich in Ausnahmefällen für sechs Monate oder länger) und die Duldungsgründe würden regelmäßig und fortlaufend überprüft. Parallel laufe in vielen Fällen ein Verfahren zur Identitätsklärung und Passersatzpapierbeschaffung.

Im Jahr 2021 gab es im Landkreis Peine 45 Abschiebungen beziehungsweise aufenthaltsbeendende Maßnahmen. 2022 waren es 35 und in diesem Jahr bisher 68. Freiwillige Ausreisen wurden 2021 36 verzeichnet, 2022 67 und 2023 bisher 44.

Goslar: 85 freiwillige Ausreisen


Im Landkreis Goslar sind aktuell 135 abgelehnte Asylbewerber ausreisepflichtig, hinzu kommen weitere 41 ausreisepflichtige Personen, die vorher kein Asylverfahren betrieben haben. 157 Personen sind tatsächlich im Besitz einer Duldung, berichtet Landkreissprecher Maximilian Strache. Die anderen 19 ausreisepflichtigen Personen hätten einen Antrag auf erstmalige Erteilung einer Duldung gestellt, der noch nicht entschieden wurde, trotz Ablauf der Duldung noch keinen Verlängerungsantrag gestellt oder eine sogenannte Grenzübertrittsbescheinigung, weil sie das Bundesgebiet demnächst freiwillig verlassen wollen.

Strache weist darauf hin, dass Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber mit Duldung aus bestimmten Staaten aufgrund politischer Vorgaben ausgesetzt seien (Irak, Iran, Afghanistan). Zu den bereits genannten Duldungs-Gründen kämen auch Personen in Ausbildung und Beschäftigung (so genannte Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung) und deren Angehörige. Die Duldungen würden in Abhängigkeit von Duldungsgrund individuell, längstens jedoch für sechs Monate ausgestellt. Die Voraussetzungen für eine Duldung würden bei jeder Verlängerung überprüft.

In den vergangenen drei Jahren gab es im Landkreis Goslar sieben Abschiebungen und 85 freiwillige Ausreisen.

Braunschweig: 20 Abschiebungen 2023


In der Stadt Braunschweig gibt es aktuell (Stand 3. November) 165 ausreisepflichtige Asylbewerber, wovon 163 eine Duldung haben. Insgesamt gibt es 318 ausreisepflichtige Personen mit Duldung, teilt Stadtsprecher Rainer Keunecke mit. Überwiegende Duldungsgründe seien fehlende Reisedokumente, Reiseunfähigkeit und familiäre Gründe. Eine Überprüfung, ob die Duldungsgründe noch vorliegen, erfolge regelmäßig bei Verlängerung. Duldungen würden in der Regel für 3 bis 6 Monate ausgestellt.

In den Jahren 2021 bis 2023 (31. Oktober) sind insgesamt 198 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer freiwillig ausgereist, davon 63 abgelehnte Asylbewerber. Abschiebungen gab es 2021 15, 2022 acht und in diesem Jahr bislang 20.

Gifhorn: 444 ausreisepflichtige Menschen


Im Landkreis Gifhorn wohnen derzeit 444 ausreisepflichtige Menschen. Wie viele davon aufgrund eines abgelehnten Asylantrags ausreisepflichtig seien, könne nicht erhoben werden, teilt Anja-Carina Riechert aus der Pressestelle des Landkreises mit. Im Kreisgebiet wohnten 373 Duldungsinhaber. Die Duldung werde mit variablen Gültigkeitszeiträumen von bis zu maximal 6 Monaten erteilt. Die Gültigkeit bemesse sich am individuellen Einzelfall. Bei jeder Verlängerung würden die Gründe und Voraussetzungen neu überprüft.

Im Jahr 2021 gab es im Landkreis Gifhorn 15 Abschiebungen und 31 freiwillige Ausreisen, 2022 waren es 13 Abschiebungen und 75 Ausreisen und bis Oktober dieses Jahres acht Abschiebungen und schon 107 freiwillige Ausreisen.

Salzgitter: Duldung ist kein Aufenthaltstitel


Am 31. Oktober gab es in der Stadt Salzgitter 173 abgelehnte Asylbewerber und zusätzlich 13 ausgewiesene Ausländer und 50 anderweitig Ausreisepflichtige. Zum Stand 8. November haben 108 Personen eine gültige Duldung, 35 Personen haben eine abgelaufene Duldung.

Stadtsprecher Dr. Martin Neumann weist darauf hin, dass die Duldung eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Personen ist. Eine Duldung werde Personen erteilt, die sich zwar nicht rechtmäßig in Deutschland aufhalten, deren Abschiebung jedoch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sei. Eine Duldung sei kein Aufenthaltstitel und verschaffe auch keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland, so dass diese Personen weiterhin ausreisepflichtig bleiben. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Duldung würden bei jeder Verlängerung überprüft. Die Dauer der Gültigkeit hänge vom jeweiligen Einzelfall ab und könne von vier Wochen bis zu sechs Monaten betragen.

Eine freiwillige Rückkehr hat in Salzgitter in den vergangenen drei Jahren so gut wie keine Rolle gespielt. Lediglich 2021 hat es einen Fall gegeben. Vollzogene Abschiebungen und Rücküberstellungen gab es 2021 13, 2022 fünf und bis Oktober 2023 sechs. Neumann weist daraufhin, dass die letzten drei Jahre aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht repräsentativ gewesen seien.

Wolfenbüttel: Eine Abschiebung in drei Jahren


Im Landkreis Wolfenbüttel gibt es derzeit 260 Personen, die ausreisepflichtig wären, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Doch genauso viele haben eine Duldung. Eine Duldung gelte einzelfallbezogen teilweise nur wenige Tage bis maximal sechs Monate, in einigen Fällen auch länger, zum Beispiel bei der sogenannten Ausbildungsduldung für die Zeit der Ausbildung, teilt Landkreissprecher Andree Wilhelm mit. Nach Ablauf der Gültigkeit werde erneut geschaut, ob eine Verlängerung erfolgen muss oder ob sich die Voraussetzungen geändert haben.

Zu den bereits genannten Gründen, erhielten auch Menschen eine Duldung, von denen nicht erwartet werden könne, dass sie ausreisen, wie zum Beispiel Eltern aufenthaltsberechtigter minderjähriger Kinder, unbegleitete Minderjährige oder Menschen, die zum Zwecke der Ausbildung oder Beschäftigung geduldet sind. Auch gesundheitliche oder persönliche Härtefallgründe könnten gegen eine Abschiebung sprechen.

In den vergangenen drei Jahren wurde eine Person aus dem Landkreis Wolfenbüttel abgeschoben, zehn Personen reisten freiwillig wieder aus.

Wolfsburg: Identitätsprüfung alle drei Monate


In Wolfsburg, gibt es 480 Personen, die ausreisepflichtig wären, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Alle haben eine Duldung. Gründe hierfür seien zum Beispiel eine ungeklärte Identität, Passlosigkeit, gesundheitliche Gründe, familiäre Gründe oder Ausbildung. Alle Gründe würden regelmäßig, etwa alle sechs Monate überprüft. Eine Ausnahme bilde die Identitätsklärung, hier erfolgt die Überprüfung alle drei Monate.

In den letzten drei Jahren wurden insgesamt zwölf Personen abgeschoben. Zur freiwilligen Ausreise werden keine Statistiken geführt, da diese in den meisten Fällen eigeninitiativ ohne Beteiligung der Ausländerstelle erfolgen.


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