Schöppenstedt. Amar Koraki (35) und sein Bruder Wasim Koraki (30) gelang gemeinsam mit Cousin Mohammed Hafiz (19) und dem befreundeten Ahmed Jaber (35) die Flucht nach Deutschland. Jetzt leben sie in einer Flüchtlingsunterkunft in Schöppenstedt, die der DRK-Kreisverband Wolfenbüttel eingerichtet hat. Sie erzählen in einer Gesprächsrunde mit Hilfe eines Dolmetschers von ihrer Flucht aus Syrien - über 3700 Kilometer.
In ihrer Heimatstadt Aleppo in Syrien konnte die Familie Koraki nicht länger bleiben, weil dort seit vier Jahren der Ausnahmezustand herrscht. „Durch ständige Angriffe der Isis und des Assad-Regimes wurde die Stadt komplett zerstört", erzählte Amar Koraki, "die meisten Häuser sind dem Erdboden gleich.“ In seinem Haus konnte er seit Jahren nicht mehr leben, da sich in der Nachbarschaft eine Rebellenfront gebildet hatte, mit dem Versuch gegen die Assad-Anhänger zu kämpfen. "Aus dem ständigen Kampf resultierten zahlreiche Leichen und Verletzte in direkter Nachbarschaft. Sicher dort zu leben war in keinem Fall mehr möglich."
Verletzt durch Bombensplitter
Der 19-jährige Hafiz sei bei einem Luftbombenangriff auf den Marktplatz, bei dem 50 Menschen starben, schwer verletzt worden. "Er verlor fast all seine Zähne und sein Mund war regelrecht zerfetzt, weil er einen Bombensplitter abbekam." Medizinische Versorgung im Krankenhaus blieb unmöglich, da es zu viele Menschen mit schwereren Verletzungen gegeben habe. In einer Art Apotheke wurde er weniger professionell notversorgt. Die Gruppe sah keine andere Möglichkeit mehr, als ihr Land zu verlassen. Erst in ein Lager in der Türkei. Dort sahen sich die Koraki-Brüder, ihr Cousin und weitere Bekannte gezwungen, ihre verletzten oder zu schwachen Familienmitglieder in der Türkei zurückzulassen. Sie aber traten die gefährliche Reise Richtung Deutschland an. „Merkel sagt, sie heißt alle Kriegsflüchtlinge aus Syrien in Deutschland Willkommen“, zitieren die Ankömmlinge einen Leitsatz, den sie immer wieder zu hören bekamen.
"Wir mussten teure Schlepper bezahlen"
Ihre wochenlange Reise brachte sie zunächst über die Türkei nach Griechenland. "Wir mussten teure Schlepper bezahlen, wofür wir Gold und Schmuck aus Familienbesitz hergaben." Viele Flüchtlinge seien an Griechenland gescheitert. "Die Busfahrten und Lebensmittel waren so teuer. Einmal zahlten wir zehn Euro für eine Busfahrt von fünf Minuten. Aber da unser Ziel von Anfang an Deutschland hieß, zahlten wir die hohen Preise“, so Wasim Koraki. Ihre Reise führte sie weiter durch Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich und schließlich zur Endstation Deutschland. Sie schliefen während der langen Reise auf Böden und hungerten über Tage, doch ihr Wille war nicht zu brechen. „Ab Österreich veränderte sich plötzlich alles. Wir fühlten uns willkommen. Als wir endlich in Deutschland ankamen, war alles noch besser als erwartet. Als wir in Bayern einen Zug verpassten, brachte uns eine Frau mit ihrem Auto bis zum nächsten Bahnhof und wartete, bis wir in den Zug einstiegen. Das rührte uns zu Tränen, wir waren ihr so dankbar“, berichtet Amar Koraki.
Eigene Schlafplätze
Zunächst wurde die Flüchtlingsgruppe um die Korakis in Braunschweig untergebracht. Dort mussten sie noch ein letztes Mal eine Nacht auf dem Boden verbringen. Umso größer war die Freude schließlich über die Unterbringung in Schöppenstedt. „Die Unterkunft übertrifft all unsere Erwartung. Wir haben eigene Schlafplätze und bekommen regelmäßig zu Essen. Am meisten freuen wir uns aber über die vielen freundlichen Helfer. Ständig wird man mit einem netten Lächeln begrüßt“, betont Amar Koraki. „Wir sind für die freundliche Aufnahme so dankbar und wollen dem Land gern etwas dafür zurückgeben, wir wissen nur nicht wie. Auf alle Fälle möchten wir schnell die deutsche Sprache erlernen“, erzählt Wasim Koraki. Wenn in Syrien die Diktatur unter Assad vorbei sein sollte und die Isis an Macht verliere, wollen sie aber zurück in ihr Land. „Syrien wird uns brauchen. Wir müssen unser zu Hause dann wieder neu aufbauen. Dafür werden wir eines Tages zurückkehren“, so die Flüchtlingsgruppe. Starke und bewegende Worte von Menschen, die gerade alles zurücklassen mussten, was bisher ihre Heimat war. Menschen, die Angst davor haben, eine Last für Deutschland zu sein.
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