Wolfenbüttel. Es klingt schon fast nach Stoff für eine neue Crime-Serie auf Netflix, ist jedoch pure Realität. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Wolfenbüttel wird von innen heraus angegriffen. Während die Polizei ermittelt, machen die Täter scheinbar unbeirrt weiter. Am Donnerstag wurden sensible Daten öffentlich.
Bereits Mitte Oktober schlugen die Sicherheitsmechanismen beim DRK Kreisverband in Wolfenbüttel an. Vom Computer eines nicht anwesenden Mitarbeiters aus wurde versucht, eine E-Mail mit vertraulichen Daten an die gesamte Belegschaft zu versenden. Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass im Haus irgendetwas Merkwürdiges vor sich gehen muss.
Datenklau beim DRK - Täter agierten wie in Spionagefilmen
Das gesamte Ausmaß und das, was folgen sollte, überblickte da jedoch noch niemand. Mitarbeitern - davon geht man beim DRK inzwischen fest aus - war es gelungen, sensible Daten von Klienten des Roten Kreuzes abzugreifen. Dies betrifft sicher den Bereich der Schulassistenz sowie des Familienentlastenden Dienstes (FED). Darunter vor allem Kontaktdaten, aber auch Diagnosen der betreuten Menschen. Ob auch Daten von Patienten des Rettungsdienstes abgegriffen wurden, ist derzeit noch unklar. Lediglich ein Einsatzprotokoll aus dem Jahr 2021 ist aufgetaucht, das aber möglicherweise über andere Wege aufgefunden worden sein könnte.
Die Methoden, mit denen die Täter offenbar versucht haben an Daten zu kommen, erinnern an klassische Spionagefilme. So wurden Netzwerkdosen in den Räumlichkeiten des DRK Am Exer verwanzt und Geräte mit Spionagesoftware manipuliert. Betroffen davon war zumindest ein Tablet des Rettungsdienstes, auf dem Protokolle über Patienten erfasst werden. Ob hiervon tatsächlich und falls ja, welche Daten abgegriffen werden konnten, ist noch nicht geklärt.
Zumindest das Ziel der Täter scheint dagegen aber klar zu sein. In Erpresserschreiben sollen sie neben einer geringen Summe Geld vor allem die Entlassung zweier oberster Führungskräfte gefordert haben. Doch das DRK spielte nicht mit, machte deutlich, dass man sich nicht erpressen lasse. Die eingeschaltete Polizei nahm die Ermittlungen auf und auch eine verdächtige Mitarbeiterin ins Visier. Insgesamt drei Objekte in Braunschweig und Wolfenbüttel wurden in der vergangenen Woche von der Polizei durchsucht. Dabei habe man elektronische Speichermedien und Kommunikationsgeräte sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Auch ein ehemaliger Mitarbeiter des DRK spielt bei den Ermittlungen eine Rolle.
Täter machen Ernst - Gestohlene Daten verschickt
Doch die Attacken auf das DRK Wolfenbüttel und die beiden ins Ziel genommenen Führungskräfte endeten damit nicht, gehen unbeirrt weiter. Die Täter bringen gefälschtes, vermeintlich kompromittierendes Material in den Umlauf und würden in neuen Erpresserschreiben sogar Gewalt androhen. "Psychoterror", sagt das DRK. Am gestrigen Donnerstag dann verleihten die Täter ihren Forderungen Nachdruck und versandten mit gefälschten E-Mail-Adressen bundesweit eine Auswahl der gestohlenen Daten an verschiedenste Empfänger. Darunter mehrere Zeitungsredaktionen.
Aus diesem Grund lud das DRK am heutigen Freitag kurzfristig zu einem Pressegespräch. Vorständin Aline Gauder und der Vorsitzende des Präsidiums, Björn Försterling, schilderten detailliert die Vorkommnisse der letzten Wochen und zeigten sich erschüttert. Für beide völlig unverständlich ist, wie offensichtliche Unzufriedenheit an zwei obersten Führungskräften zu solchem Hass und solch krimineller Energie führen kann, dass man seine eigene Zukunft dafür aufs Spiel setzt. Denn dass die Täter gefasst werden, davon gehen Gauder und Försterling fest aus. Wer die Täter hingegen sind, ist für sie völlig unklar. Auch die ins Visier der Ermittlungen geratene Mitarbeiterin betrachten sie weiterhin als unschuldig. Möglich, dass sie selbst Opfer ist. Fest steht für sie nur, dass es sich aufgrund der Vorkommnisse in unterschiedlichen und voneinander getrennten Fachbereichen des DRK nicht um einen Einzeltäter handeln kann.
Björn Försterling und Aline Gauder gehen fest davon aus, dass die Täter gefasst werden. Foto: Werner Heise
Rund 450 Mitarbeiter zählt der DRK Kreisverband Wolfenbüttel insgesamt. Für viele von ihnen sei der Angriff aus den eigenen Reihen zu einer Belastung geworden. Sei es die quälende Frage, wem man noch trauen kann oder die Einschränkungen, die die nun erforderlichen Arbeiten an den technischen Einrichtungen im beruflichen Alltag mit sich brächten. Wichtig ist dem DRK zu vermitteln, dass das Tagesgeschäft in allen Bereichen absolute Priorität hat und trotz der Vorkommnisse normal weitergeführt wird. Alle Klienten und Kunden des DRK seien über den Datenabgriff informiert wurden. Viele hätten verständnisvoll reagiert. Möglich wäre, dass die Täter es auch darauf abgesehen hätten, dem Roten Kreuz durch provozierte Kündigungen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Björn Försterling will nicht ausschließen, dass die Attacken und Angriffe auf das DRK weitergehen könnten. Man setze jedoch alles daran, dass es zu keinem weiteren Datenverlust kommen werde und sichert mit finanziellem Aufwand alle Systeme weiter ab. Und Försterling bekräftigt: "Wir werden der Erpressung nicht Folge leisten. Wir stehen hinter allen Führungskräften und lassen uns nicht erpressen."
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