Asse-2-Begleitgruppe: Experte der AGO, Dr. Ralf Erhard Krupp im Interview




Dr. (rer.nat. Habil.) Ralf Erhard Krupp ist Diplom-Geologe, promovierter Geochemiker und in Mineralogie habilitiert. Seit 1997 ist er freiberuflich als Gutachter tätig. Als Wissenschaftler hat er sich größtenteils mit Salzen, Salzgeologie, Lagerstättenkunde und dem Stofftransport in natürlichen Systemen beschäftigt. Als Experte der Arbeitsgruppe Optionen - Rückholung (AGO) ist er Mitglied der Asse-2-Begleitgruppe.

Herr Krupp, wie treffen Sie als AGO denn eigentlich ihre wissenschaftlichen Aussagen? Welcher Methoden bedienen Sie sich?

Das geschieht relativ flexibel. Wir decken mit wenigen Leuten ein breites fachliches Spektrum ab. Manche Experten haben ein tieferes Wissen in bestimmten Bereichen. Da lässt man den Kollegen dann inhaltlich den Vortritt. Grundsätzlich bereitet jeder Textbausteine für eine gemeinsame Stellungnahme vor. Diese werden dann gemeinsam abgesprochen. Das ist ein zeitraubendes Verfahren, aber wir haben noch keine schnellere Methode gefunden. Die Zeit brauchen wir. Wir wollen möglichst einen Konsens erreichen, aber das dauert eben länger. Sondervoten versuchen wir zu vermeiden, doch sie können immer mal wieder notwendig werden. Die AGO setzt sich ja aus Sachverständigen der Asse 2 Begleitgruppe und aus Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zusammen. Letzteres steht in einer gewissen Rechtsnachfolge zu den ehemaligen Abfall-Verursachern. Die Abstimmung ist also nicht immer ganz einfach.

Vor einiger Zeit kritisierten die AGO-Experten der A2B die blasse Berücksichtigung ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeiten durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Wie sehen Sie das?

Das muss man tatsächlich genau so konstatieren. Manche Ergebnisse werden aufgenommen, andere nicht. Die AGO hat in vielen Fällen gute Argumente vorgelegt, die aber nicht berücksichtigt wurden. Auf diese Argumente sollte man eingehen und sich nicht einfach darüber hinwegsetzen. Ein Beispiel ist das Kriterium "Komplexität des Arbeitsprozesses für die Störanfälligkeit". Das ist meiner Meinung nach nicht logisch. Die Komplexität ist oft deswegen da, weil man sich absichert. Doch komplexer ist nicht gleich riskanter, darum ist das kein Bewertungskriterium.

Wie sehen Sie grundsätzlich die Rolle der AGO innerhalb der A2B? Welche Möglichkeiten, sich zu beteiligen, haben Sie als wissenschaftliche Experten?

Die AGO hat verschiedene Aufgaben. Auf der einen Seite beraten und unterstützen wir die Begleitgruppe fachlich . Auf der anderen Seite sollen wir die Vorgänge, die zum Beispiel durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) veranlasst werden, kritisch prüfen und aufpassen, dass keine Dinge geschehen, die den von der Begleitgruppe gewünschten Prozessen zuwiderlaufen. Viele unserer Argumente sind in der Vergangenheit auch schon berücksichtigt worden. Bei unserer Arbeit sind wir stets unabhängig und lassen uns nicht politisch beeinflussen.

Das Unglück im Kali-Bergwerk Sigmundshall in Wunstorf Anfang April brachte die Gefahren, die in Bergwerken lauern, wieder ins öffentliche Interesse. Wie sieht die rein bergmännische Gefahrensituation in der Asse aus?

Das Unglück ist mit der Asse nicht vergleichbar. Aus bergbaulicher Sicht bestehen hier andere Gefahren. Diese sind dadurch gegeben, dass das Bergwerk im Laufe der Zeit doch recht marode geworden ist. Die Pfeiler sind geschädigt, und das Bergwerk wird weiter zusammengedrückt. Dadurch ist das Betreten der Kammern gefährlich geworden. Die Firste müssen verstärkt werden.

Wenn es zur Bergung kommt, darf man die Tragfähigkeit nicht weiter gefährden. Eine Möglichkeit wäre es, einzelne Abfallkammern zunächst teilweise zu räumen und dann den frei gewordenen Teil zuzubetonieren. Also die Sicherheit verbessern, indem man die Stützpfeiler verstärkt. Die Strecken sind größtenteils noch befahrbar und in Ordnung. Grundsätzlich wird der Zustand aber schlechter. Daher halte ich es auch für sinnvoll, dass jetzt ein neuer Schacht abgeteuft wird. Man muss dringend eine neue Infrastruktur schaffen.

Es wird immer wieder von der Einsturzgefahr der Asse gesprochen. Können Sie erklären, wie ein Einsturz vonstatten gehen würde?

Da muss man differenzieren. Besonders bei höher gelegenen  Steinsalz-Abbaukammern in der Südflanke hat man bereits Verbruchs-Erscheinungen. Diese sind aber für die Rückholung nicht relevant. Bei den Einlagerungskammern auf der 750-Meter-Sohle sind etwa 50 Meter mächtige Steinsalz-Barrieren zum Nebengebirge vorhanden. Dort ist die Situation weniger kritisch einzuschätzen als in der Mitte des  Abbaufeldes. Auch die Schweben-Mächtigkeiten sind dort doppelt so dick wie an anderen Stellen.

Zum geplanten Schacht 5 kursieren verschiedene Zahlen. Was meinen Sie, wie lange es dauert, dieses Projekt umzusetzen?

Die Zeiträume, die das BfS genannt hat – zehn Jahre – halte ich für zu lang. Schon vor 100 Jahren hat man Kali-Schächte innerhalb von drei Jahren abgeteuft. Und heute werden in Kanada innerhalb von sieben Jahren ganze Kali-Bergwerke „auf der grünen Wiese“ geschaffen. Auch Uranbergwerke – beispielsweise in Nord-Saskatchewan – werden dort schneller geschaffen. Der Grund ist einfach: Man will dort an das Erz heran. Gute Beispiele sind die McArthur-River und Cigar Lake Uran Lagerstätten.

Bei der Asse, habe ich den Eindruck, gibt es zu viele Bremser. Hier nimmt man teilweise die scharfen Bestimmungen des Atomrechts als Vorwand, um Dinge in die Länge zu ziehen. Ich glaube in diesem Zusammenhang nicht mehr an Versprechungen, sondern nur noch an vollendete Tatsachen.

Auch zu der Frage, wie lange das Bergwerk noch steht, kursieren verschiedene Zahlen. Was ist da dran?

Datumsangaben sind nicht immer hilfreich, weil sie oft falsch verstanden werden. Aus den Messwerten der Verformungsdaten werden gebirgsmechanische Modelle erstellt. Diese sollen den künftigen Verformungsverlauf beschreiben, wobei in die Zukunft hochgerechnet wird. Doch es ist so wie bei der Wettervorhersage: Umso weiter in der Zukunft, umso unpräziser ist auch die Vorhersage. Wenn also von 2020 die Rede ist, dann heißt das einfach, dass darüber hinaus keine präzisen Angaben gemacht werden können.

Bei der Rückholung gehe ich davon aus, dass Abfälle mit ferngesteuerten Maschinen geborgen werden, und nicht etwa Bergleute diese Arbeit vor Ort leisten. Das könnte auf zwei verschiedene Weisen gehen. Entweder auf Sichtweite aus gewisser Entfernung könnten die Maschinen gesteuert werden oder mit Videosystem von über Tage aus – dann hätte man eine virtuelle Präsenz vor Ort. Auf diesem Wege könnte man einige Probleme der Bergsicherheit und des Strahlenschutzes vermeiden. Es wird sich aber nicht ganz vermeiden lassen, dass Menschen dort zum Einsatz kommen - beispielsweise um Maschinen zu reparieren.

Es ist zu beklagen, dass die technischen Details der Rückholung nicht vorliegen. Die benötigten Maschinen gibt es, sie müssten nur umgerüstet werden. Im Laufe der Arbeit würde man dann Optimierungsmöglichkeiten finden und umsetzen. Aber man sollte jetzt langsam mal mit der Rückholung anfangen.

Hermann Hinsch behauptet in seinem Buch „Das Märchen von der Asse“, es gäbe selbst bei einem Einsturz des Bergwerks keine Gefahren für die Umwelt. Was glauben Sie veranlasst einen Wissenschaftler zu solchen Aussagen?

Behauptungen, dass es keine negative Auswirkungen hätte, wenn die Asse vollläuft und radioaktive Stoffe rausgepresst werden, sind überhaupt nicht nachzuvollziehen.

In einer vergangenen Sitzung der Begleitgruppe hatten Sie sich für eine Wiedereinleitung der Lauge in den Gipshut des Gebirges – die Asse - ausgesprochen. Das eintretende Wasser käme also dorthin zurück, wo es herkam. Würde es dort gespeichert oder geriete es langfristig wieder in das Bergwerk? Wo kommt die Lauge eigentlich her?

Bei den Zutrittslösungen handelt es sich um Grundwasser aus dem Deckgebirge. Bereits in  10 Metern Tiefe ist das Grundwasser stark salzig und  über dem Salzspiegel treten gesättigte Steinsalzlösung auf. Die Zutrittslösungen werden von irgendwo aus diesem Reservoir gespeist. So lange sie nicht kontaminiert sind, halte ich meinen Vorschlag für eine gute Lösung. Bei den heutigem Zutrittsmengen wäre das kein Problem. Die Lauge würde zurückkehren in den Kreislauf. Selbstverständlich würde das nicht in der Nähe des Asse-Schachtes geschehen, sondern in einer gewissen Entfernung. Es könnte durchaus sein, dass diese versenkte Lauge irgendwann wieder unten in die Grube eintritt. Das wäre gleichzeitig aber eine gute Möglichkeit, mehr über die Lösungsherkunft und die Fließwege zu erfahren. Dazu würde ich die Lauge mit Farbstoff-Tracern versehen, bevor sie wieder im Gipshut versenkt wird. So kann man gut verfolgen, wo die Lauge eigentlich herkommt.

Wie groß sind die Gefahren für das Grundwasser bei einem Einsturz der Asse? Mit welchen Konsequenzen für Menschen und Umwelt ist zu rechnen?

Ich halte das für einen sehr problematischen Vorgang. Ein Volllaufen würde relativ schnell passieren. Die Schachtanlage Asse II konvergiert und kontaminierte Grubenwässer und Gase aus den Abfallkammern würden in das Grubengebäude gelangen. Von einem druckdichten Verschließen des Schachtes in einem solchen Fall – wie bisher noch vom Betreiber geplant – würde ich abraten, denn bei abgedichteten Schächten würde die kontaminierte Lauge an der Zutrittsstelle ins Grundwasser gedrückt und danach relativ schnell an die Oberfläche gelangen. Ich würde lieber ein Standrohr in einen Schacht einbauen. So könnte man die überschüssige Lauge gezielt fassen und entsorgen. Das Gleiche gilt für radioaktive Gase, die man dort einfangen könnte. Eine solche Maßnahme würde sich aber über viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinziehen, in denen man dort radioaktive Stoffe behandeln müsste. Es ist also kein wünschenswerter Prozess und schon gar keine vierte Option zur Stilllegung, aber im Falle des Volllaufens könnte man so verhindern, dass radioaktive Stoffe unkontrolliert in die Biosphäre gelangen. Vorrang hat aber natürlich die schnelle Rückholung der Abfälle.


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