Wolfenbüttel. Das Strafgefängnis Wolfenbüttel war während der Zeit des Nationalsozialismus die zentrale Haftanstalt des ehemaligen Freistaates Braunschweig. Neben den Gebäuden in Wolfenbüttel verfügte das Strafgefängnis über so genannte Außenorte, die über den ganzen früheren Freistaat Braunschweig verteilt waren.
Ziel des auf zwei Jahre angelegten Projektes ist die Erforschung dieser Orte sowie die Errichtung eines Leitsystems für Besucherinnen und Besucher, das die Außenorte mit dem Strafgefängnis Wolfenbüttel verbindet. Die Außenorte sollen durch Stelen mit Informationen zum jeweiligen Ort in der Landschaft sichtbar werden. Die Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, Martina Staats, konkretisiert: „Das Strafgefängnis Wolfenbüttel war kein abgeschlossener Haftort und keine geheime Hinrichtungsstätte, sondern durch sein Netzwerk von Außenorten in der Gesellschaft des Nationalsozialismus verankert. Durch das Projekt ‚outSITE Wolfenbüttel‘ wird dieses Netzwerk historischer Orte erneut sichtbar und Bezüge einer eigentlich verschlossenen Vergangenheit werden zur Gegenwart geöffnet.“ Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, machte deutlich, dass die Erfassung der Netzwerke des Strafgefängnisses Wolfenbüttel auch Vorbildcharakter für zukünftige Untersuchungen zu anderen Tatorten im heutigen Land Niedersachsen haben werde: „Spätestens mit der Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg drangen die NS-Verbrechen immer mehr in die Gesellschaft ein. Es waren öffentliche Verbrechen.“
Im neuen Dokumentationszentrum der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel werden die Ergebnisse des Projektes „outSITE Wolfenbüttel“ gleich im Eingangsbereich platziert. Eine interaktive Medienwand wird die Außenorte und die Vernetzung des Strafgefängnisses vermitteln und detaillierte Informationen bieten. Landrätin Christiana Steinbrügge von der „Stiftung Zukunftsfonds Asse“ ist überzeugt: „Für uns ist das eine zeitgemäße Form der Geschichtsvermittlung und der Stärkung von Geschichtsbewusstsein, die unseren Stiftungszielen entspricht.“ In der neuen Dauerausstellung wird zudem anhand von Biografien die Bedeutung der Orte weiter verdeutlicht. Auf diese Weise wird auch die europäische Dimension der nationalsozialistischen Verfolgungsorte in der Region deutlich.
Fabian Bruns, Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz; Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel; Jannik Sachweh, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „outSITE Wolfenbüttel“; Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätte; Landrätin Christiana Steinbrügge, Zukunftsfonds Asse und Die Braunschweigische Stiftung (v.l.) bei der Pressevorstellung des Projekts Foto:
Zusätzlich sollen die Ergebnisse des Projekts Bestandteil der Bildungsarbeit der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel werden. In die modernen Multi-Touch-Tische, welche in der Gedenkstätte auch derzeit schon für die pädagogische Vermittlungsarbeit genutzt werden, sollen die Forschungsergebnisse integriert werden. Den Nutzer_innen wird dadurch ermöglicht, selbst mit Dokumenten, Bildern und Karten zu arbeiten sowie einen Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit herzustellen. Steinbrügge, die auch „Die Braunschweigische Stiftung“ als Vorständin vertrat, betonte: „Die Installationen an den authentischen Orten und die umfangreichen Bildungsangebote leisten einen wichtigen Beitrag zur historisch-politischen Bildung, um das Wissen über Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus sowie deren Reflexion.“
Der neue wissenschaftliche Mitarbeiter im Projekt „outSITE Wolfenbüttel“, Jannik Sachweh, verdeutlichte die Notwendigkeit der historischen Forschung: „Durch die Verbindung von landes- und regionalgeschichtlicher Forschung mit der Bildungs- und Vermittlungsarbeit und der neuen Dauerausstellung der Gedenkstätte besteht eine Chance, das Netzwerk des Strafgefängnisses Wolfenbüttel sichtbar zu machen.“
Die Bedeutung der Erinnerungskultur stellte auch Tobias Henkel, Direktor der „Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz“, heraus: „Der Umgang einer Gesellschaft mit der Erinnerungskultur offenbart, wie zukunftsfähig sie ist. Entscheidungen der Gegenwart können nur dann nachhaltig sein, wenn sie im Bewusstsein historischer Zusammenhänge getroffen werden.“
Das Konzept für „outSITE Wolfenbüttel: Das Strafgefängnis Wolfenbüttel und sein Netzwerk im Land Braunschweig“ wurde in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel entwickelt. Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Die Braunschweigische Stiftung und die Stiftung Zukunftsfonds Asse fördern das Projekt mit insgesamt 165.000 €.
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