Bertelsmann Stiftung: Deutschlands und Chinas Wirtschaft sind stark voneinander abhängig




Das schnelle Wachstum des Handels zwischen Deutschland und China in den vergangenen 20 Jahren hat zu einer hohen gegenseitigen Abhängigkeit der deutschen und der chinesischen Wirtschaft geführt. Deutschland ist vor allem bei Computern, Laptops und Texti­lien abhängig von chinesischen Einfuhren. Umgekehrt ist die chinesische Industrie besonders stark auf den Import deutscher Maschinen angewiesen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen durch die Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

„Der deutsche Maschinenbau spielt für Chinas Industrie eine Schlüsselrolle“, sagte Helmut Hauschild, Direktor des Programms Deutschland und Asien der Bertelsmann Stiftung. China wiederum sei für Deutschland der wichtigste Lieferant von Konsumgütern. „Diese hohe gegenseitige Abhän­gigkeit ist ein Appell an die Bundesregierung und die neue Regierung in Peking, stärker als bisher auf offene Märkte und gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutsche und chinesische Unterneh­men in beiden Ländern hinzuarbeiten“, betonte Hauschild.

Die Studie von Prognos und Bertelsmann Stiftung zeigt, dass China strategisch stark von deut­schen Exportgütern abhängt. Sollte Deutschland zum Beispiel als Lieferant für Maschinen ausfal­len, stünde die chinesische Wirtschaft vor großen Schwierigkeiten. Denn viele der deutschen Ma­schinen werden in Branchen eingesetzt, in denen China einen hohen Anteil seiner Produktion ex­portiert. Käme es zu Lieferengpässen im deutschen Maschinenbau, dann wäre vor allem Chinas Exportsektor betroffen und damit eine tragende Säule des chinesischen Wirtschaftswachstums. Verstärkt wird laut der Studie die Abhängigkeit Chinas dadurch, dass hochspezialisierte und tech­nologieintensive Güter wie Maschinen sich nur begrenzt durch Importe aus anderen Ländern er­setzen lassen.

Für Deutschland wiederum ist China wichtig als Lieferant von Textilien und Bekleidung. Betrug der chinesische Anteil der deutschen Textilimporte aus China 1992 nur knapp sieben Prozent, so liegt er inzwischen bei über 31 Prozent. Noch stärker stieg Deutschlands Abhängigkeit von chinesi­schen Büromaschinen, Computern und Laptops. Hier wuchs der Anteil chinesischer Lieferungen seit 1992 von unter einem Prozent auf nahezu 44 Prozent.

Da es sich bei einem Großteil der Importe aus China allerdings um Konsumgüter handelt und China kein Monopol in der Herstellung aufweist, ist die strategische Abhängigkeit Deutschlands von China geringer als die Abhängigkeit Chinas von Deutschland, analysiert die Studie. Selbst bei einem starken Rückgang der Lieferungen aus China stünden Deutschland durch den insgesamt intensivierten Welthandel zumeist gleich mehrere Lieferländer als Alternative zur Auswahl.

Bisher ist der deutsch-chinesische Handel von dem Muster hochspezialisierte Investitionsgüter aus Deutschland gegen kostengünstige Konsumgüter aus China geprägt. Daher standen die gegen­seitigen Ein- und Ausfuhren in der Vergangenheit meist auch nicht in direkter Konkurrenz zur hei­mischen Industrie, sondern stellen eine Ergänzung zu den im Inland produzierten Gütern dar.

Für die Zukunft prognostizieren die Verfasser der Studie allerdings einen Wandel in den deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sich chinesische Unterneh­men weiter in Richtung technologischer Weltspitze bewegen werden, heißt es in der Studie. Damit wird in Zukunft der sogenannte intraindustrielle Handel dominieren, wie er zwischen Industrielän­dern auf vergleichbarem Entwicklungsstand (z. B. Deutschland und Frankreich) Normalität ist. Der Trend zeigt bereits deutlich in diese Richtung. 1992 betrug der Anteil des intraindustriellen Handels am gesamten deutsch-chinesischen Handelsvolumen nur etwa fünf Prozent, 2010 waren es be­reits 20 Prozent.

Die Fortschreibung dieser Entwicklung bedeutet, dass künftig immer mehr deutsche Unternehmen in direkter Konkurrenz mit Wettbewerbern aus China stehen werden. Für den deutschen Außen­handel mit China hat das weit reichende Konsequenzen, analysiert die Studie. „Deutsche Firmen werden nur dann ihre aktuellen Erfolge auf dem Mega-Markt China bewahren können, wenn sie ihren technologischen Vorsprung bewahren und damit – zum Beispiel im Investitionsgüterbereich – auch künftig für ihre chinesischen Kunden unverzichtbar sind“, sagte Stiftungsprogrammdirektor Helmut Hauschild. „Die Studie zeigt, dass die deutsche Wirtschaft mehr in Forschung und Ent­wicklung investieren muss, um langfristig gegenüber der Konkurrenz aus China zu bestehen.“


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