Zeitarbeiter haben erheblich an Chancen auf Weiterbildung eingebüßt. Die auf Zeit verliehenen Arbeitnehmer sind unter den fast acht Millionen atypisch Beschäftigten in Deutschland in dieser Hinsicht die Verlierer der vergangenen Jahre: Während in 2012 sowohl die Arbeitnehmer in normalen Beschäftigungsverhältnissen als auch die befristet, geringfügig oder Teilzeit-Beschäftigten etwas öfter an Weiterbildung teilnahmen als sechs Jahre zuvor, stürzte die Weiterbildungsquote bei den Zeitarbeitern von 43 auf 27 Prozent ab. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor, in der der Arbeitsökonom Professor Lutz Bellmann im Auftrag der Bertelsmann Stiftung die Bildungsbeteiligung atypisch Beschäftigter untersucht hat.
Der Anteil der Arbeitnehmer, die eine berufsbezogene Weiterbildung absolvierten, ist seit 2006 nahezu konstant geblieben (von knapp 58 auf 59 Prozent). Die Möglichkeit, an organisierten Kursen oder Seminaren teilzunehmen, hängt allerdings stark vom Beschäftigungsverhältnis ab. Von den Arbeitnehmern in normalen Beschäftigungsverhältnissen geben fast zwei Drittel (64 Prozent) an, sich während der vergangenen drei Jahre beruflich weiterqualifiziert zu haben. Bei den atypisch Beschäftigten hingegen liegt diese Quote lediglich bei knapp 48 Prozent. „Atypisch Beschäftigte sind bei der Weiterbildung benachteiligt. Damit werden ihnen Chancen auf beruflichen Aufstieg vorenthalten“, sagte Frank Frick, Experte für Weiterbildungssysteme in der Bertelsmann Stiftung. Diese Benachteiligung senke die Wahrscheinlichkeit, dass atypische Beschäftigung als Sprungbrett in ein normales Arbeitsverhältnis dienen kann. Frick: „Gerade der sich abzeichnende Fachkräftemangel lässt es sinnvoll erscheinen, in die Weiterbildung dieser Arbeitnehmer stärker zu investieren.“
Unter den atypisch Beschäftigten haben die fünf Millionen Teilzeit- und die 2,8 Millionen befristet Beschäftigten die besten Aussichten auf berufliche Weiterbildung mit jeweils über 48 Prozent. Vor allem bei den befristeten Arbeitsverhältnissen stieg die Beteiligung an Weiterbildung; 2006 hatte sie noch bei 44 Prozent gelegen. Weniger Chancen auf Weiterbildung als die 775.000 Zeitarbeiter (27 Prozent) haben mit 23 Prozent nur noch die 2,7 Millionen geringfügig Beschäftigten („Mini-Jobber“).
Dies spiegelt sich in der Zufriedenheit der atypisch Beschäftigten mit ihren Fortbildungschancen. Rund 40 Prozent der Zeitarbeiter und geringfügig Beschäftigten sind unzufrieden mit ihren persönlichen Möglichkeiten, sich weiterzubilden und hinzuzulernen. Von den Arbeitnehmern in normalen Beschäftigungsverhältnissen sagen dies nur 24 Prozent. „Je geringer die Chance auf Weiterbildung, desto höher die Unzufriedenheit. Das angebliche Desinteresse von atypisch Beschäftigten an Weiterbildung ist damit widerlegt – sie wünschen sich sehr wohl mehr Bildungsbeteiligung“, sagte der Autor der Studie Lutz Bellmann, Wirtschaftsprofessor an der Universität Nürnberg-Erlangen und Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Bei den atypisch Beschäftigten beeinflusst das Qualifikationsniveau noch stärker als bei den Normalbeschäftigten, ob sie sich beruflich weiterbilden. Nur jeder vierte Geringqualifizierte (26,4 Prozent), aber mehr als jeder zweite Hochqualifizierte (51 Prozent) unter den atypisch Beschäftigten nimmt an einer Weiterbildung teil. Ein ähnliches Bild ergibt ein Vergleich zwischen deutschen und ausländischen Arbeitnehmern. Auch hier erhöht die atypische Beschäftigung massiv eine Bildungsbenachteiligung, die bereits bei den Normalbeschäftigten besteht. Unter den atypisch beschäftigten Deutschen liegt die Weiterbildungsbeteiligung noch bei 50 Prozent, während ihre atypisch beschäftigten ausländischen Kollegen nur halb so oft an Weiterbildung teilnehmen (26,7 Prozent). Besonders geringe Chancen auf Weiterbildung haben die prekär Beschäftigten in atypischen Arbeitsverhältnissen: Wer weniger als 700 Euro netto mit seiner Arbeit verdient, bildet sich seltener weiter als Arbeitslose, denen die Bundesagentur für Arbeit Angebote macht. So liegt die Weiterbildungswahrscheinlichkeit von prekär Beschäftigten bei Frauen 3,5 und bei Männern 5,7 Prozentpunkte unterhalb der von Arbeitslosen.
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