Bode: “Fachkräfte rekrutieren aus dem Inland wie dem Ausland”


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Anlässlich der aktuellen Arbeitsmarktdaten die Rede von Wirtschaftsminister Jörg Bode im Original-Wortlaut:


Die Arbeitsmarktdaten für Niedersachsen sind so gut wie lange nicht mehr. Trotz der zwischenzeitlichen Krise haben wir bei uns in Niedersachsen die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 19 Jahren, einen Höchststand bei den Erwerbstätigen und einen Zuwachs bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich seit 2005 mehr als halbiert – das hätte vor einem Jahr niemand erwartet. Diesen erfolgreichen Weg wollen wir fortsetzen.

Begünstigt durch die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt stellen wir fest: Der demografische Wandel wird zunehmend sichtbar. Nach dem aktuellen Mittelstandsbarometer von Ernst&Young haben bereits heute 73 Prozent der mittelständischen Unternehmen Schwierigkeiten, neue und ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Allein in Niedersachsen ergeben sich hieraus Umsatzeinbußen von über 1,8 Milliarden Euro. Laut Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit sind bereits heute Engpässe insbesondere in den Bereichen der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie bei Ingenieuren festzustellen.

In Niedersachsen wird sich bei Fortschreibung des jetzigen Status quo die Zahl der Erwerbspersonen bis 2030 um rund 670.000 auf etwa 3,2 Millionen reduzieren, das ist mehr als die Landeshauptstadt Hannover an Einwohnern hat. Auf diese Entwicklung muss die Politik mit einer umfassenden und breit angelegten Strategie zur Sicherung des Fachkräftebedarfs antworten. Das Thema der Fachkräftesicherung steht daher ganz weit oben auf der politischen Agenda der Landesregierung.

Unabdingbar ist, das Potenzial der in Deutschland lebenden erwerbsfähigen Personen erfolgreicher als bisher zu erschließen.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften liegt auf Rekordniveau. Seit vielen Jahren haben deutsche Unternehmen nicht mehr so viele neue Mitarbeiter gesucht wie derzeit. Aktuell kommt es daher darauf an, den Schwung am Arbeitsmarkt zu nutzen und neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen. Der Arbeitsmarkt ist so aufnahmefähig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Diese guten Rahmenbedingungen sind geeignet, um auch verstärkt Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Besonders im Fokus steht auch der Ausbildungsmarkt, dem in diesem Jahr aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs wieder mehr Jugendliche zur Verfügung stehen. Für die Wirtschaft ist dies nochmals eine große Chance, qualifizierte Jugendliche für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen und einem Fachkräftemangel vorzubeugen. Die Unternehmen nutzen diese Chance, wir beobachten einen Anstieg der gemeldeten Ausbildungsplätze und der abgeschlossenen Ausbildungsverträge.

Zudem müssen wir endlich zu einer deutlich besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommen, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen und bisherige Teilzeitarbeitsverhältnisse in Vollzeit zu überführen. Für die älteren Arbeitnehmer müssen die Rahmenbedingungen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Politik und Unternehmen verbessert werden: Ziel muss eine möglichst lange Teilhabe am Erwerbsleben sein. Die Unternehmen müssen verstärkt darauf hinarbeiten, gerade älteren Beschäftigten neue berufliche Perspektiven zu eröffnen und ihre Belegschaft rechtzeitig mit Blick auf die Zukunft zu qualifizieren.

Wir müssen auch das Wissen und Können der hier lebenden Familien mit Migrationshintergrund besser nutzen. Dazu muss das Verfahren zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse einfacher und transparenter werden. Von daher ist es wichtig, dass bei der Umsetzung des von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Anerkennungsgesetzes auf schlanke und effiziente Strukturen geachtet wird. Den Antragstellern muss auch aufgezeigt werden, welche Qualifizierungsbausteine für eine Anerkennung nachgeholt werden müssen und wie diese Bausteine erworben werden können.

Diese Maßnahmen alleine werden aber nicht reichen. Parallel ist auch eine gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften durch eine kluge Zuwanderungspolitik nach klaren und transparenten Kriterien entsprechend der Bedürfnisse des deutschen Arbeitsmarktes notwendig, wie sie am besten durch ein Punktesystem gewährleistet werden kann. Wir stehen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte in weltweiter Konkurrenz. Daher brauchen wir eine echte Willkommenskultur und attraktive Rahmenbedingungen, um hiesige Fachkräfte zu halten und neue Fachkräfte zu gewinnen.

Unsere Vorschläge dazu sind klar: Wir brauchen in einem ersten Schritt eine kurzfristige Absenkung der Mindestverdienstgrenze von gegenwärtig 66.000 Euro auf etwa 40.000 Euro und eine Absenkung der Mindestinvestitionssumme für ausländische Existenzgründer von derzeit 250.000 Euro auf etwa 25.000 Euro. Gleichzeitig benötigen wir dringend Erleichterungen für ausländische Studenten, etwa durch erweiterte Erwerbsmöglichkeiten während des Studiums und einer verlängerten Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche nach Abschluss des Studiums. Ziel muss es sein, diese gut ausgebildeten und gesellschaftlich bereits integrierten Fachkräfte in Deutschland zu halten. Von daher begrüße ich ausdrücklich die von der CDU/FDP-Regierung in Sachsen gestartete Bundesratsinitiative, die hierzu schnell umsetzbare Möglichkeiten aufzeigt.

Der Schlüssel bei der Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs liegt für mich in Bildung und Qualifizierung. Darauf haben wir unsere Arbeitsmarktpolitik “Auf eigenen Beinen stehen” ausgerichtet. Mit der Qualifizierungsoffensive Niedersachsen, der Förderung von Weiterbildung, Aktivitäten zur Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten, zur besseren Erwerbsbeteilung von Frauen und älteren Arbeitnehmern, verfügen wir über zahlreiche Handlungsinstrumente. Zudem haben wir in Niedersachsen im Februar 2010 den neuen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs geschlossen. Damit ist es gelungen, zusammen mit der Wirtschaft für die nächsten Jahre gemeinsame Ziele zu vereinbaren und ein umfangreiches Maßnahmepaket zu schnüren, das den Fachkräftenachwuchs in Niedersachsen sichern hilft.


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