Schladen. Über 60 Gäste trafen sich zur deutsch-russischen Sommernacht im schattigen Krühgarten. Nach der Begrüßung von der Förderkreisvorsitzenden Dorothee Schacht begann der Akkordeonspieler Johannes Roh mit den Sängerinnen Anna Prieb und Tatjana Kotov die Besucher mit einigen russischen und deutschen Liedern auf den Abend einzustimmen. Die Stimmung wurde von dem Trachtenchor Sudaruschki aus Salzgitter Fredenberg weiter in Schwung gebracht.
Daraufhin war im Heimathaus jeder Platz besetzt. Frau Bischoff, die Vorsitzende der Landsmannschaften der Deutschen aus Russland in Niedersachsen klärte über die geschichtlichen Hintergründe der Russlanddeutschen auf. Durch die Zarin Katharina die Große vor 250 Jahren nach Russland ins Wolgagebiet und ans Schwarze Meer gekommen, siedelten sie in autarken Gebieten und erschlossen so das Land. Durch den 2. Weltkrieg wurden sie mehrfach umgesiedelt und immer wieder entwurzelt. Den einzigen Halt gab die deutsche Kultur und Gebräuche, die in den Familien und Dorfgemeinschaften gepflegt und bewahrt wurden. Da sie als Deutsche immer mehr zu leiden hatten, (in der Öffentlichkeit durften sie lange Zeit kein deutsch reden und ihre Bräuche nicht ausüben), kehrten viele von ihnen ihrem Heimatland nach der Wende den Rücken, um im Land ihrer Ahnen mit fast nichts noch einmal neu zu beginnen.
Gespannt verfolgten die Zuschauer danach die Erzählungen von Olga Kriger aus dem Leben ihrer Oma, Lydia Trepnau, die 1921 auf der Krim am schwarzen Meer geboren worden war. Zu Hause wurde immer deutsch gesprochen. In der Schule wurde auf deutsch und russisch unterrichtet. Zusätzlich unterhielten sie sich auch in ukrainisch. Nach der Schule 1938 wurde sie in einer Molkerei zur Laborantin ausgebildet. 1943 wurde sie mit ihrer Familie von der Wehrmacht in die Tschechoslowakei gebracht und dort ins Deutsche Reich eingebürgert. Im Mai 1945 flüchteten sie erneut vor den Russen, gerieten aber hinter die Front und unter Beschuss. Nur durch ein Wunder überlebte die Familie, wurde aber von den Russen gefangen genommen und in die Ukraine zurück gebracht. Nachdem ihnen alle Dokumente und wertvolle Sachen genommen wurden, wurden sie in Viehwagen unter strenger Bewachung weiter nach Novosibirsk in Sibirien verschleppt. Dort mussten sie beim Eisenbahnbau arbeiten. Von 1947 bis 1956 mussten sie in Sowchos auf dem Land arbeiten, wo sie unter Kommandantur standen, d.h. keine Rechte hatten und sich nicht frei bewegen durften. In der Zeit sind auch viele verhungert.
Mina Egel brachte viele zum Nachdenken, als sie nach ihren Erinnerungen von ihrer Ausreise provozierend in den Raum warf, dass Deutschland die bestausgebildeten Putzfrauen und Bauarbeiter habe. Auf die Tatsache bezogen, dass in der Sowjetunion viel Wert auf Bildung gelegt wurde. So wurden auch in Kasachstan die Deutschen gut ausgebildet und nach der Wende ab 1990 ließ man viele hochqualifizierte Fachkräfte, wie Ärzte oder Ingenieure ausreisen. Hier wird dieses Potenzial leider viel zu wenig genutzt.
Zum Abschluss bat noch eine Besucherin ums Wort. Sie versuchte mit einer kurzen Geschichte ihrer Mutter die Zuhörer in die Zeit der Verschleppten in Sibirien hinein zu versetzen. Als 16-Jährige musste diese in Baracken mit vielen anderen bei Eis und Schnee ohne Ofen und Strom hausen und tagsüber bei karger Kost mit Säge und Schaufel beim Wegebau schuften. Im Sommer wäre es dagegen schön gewesen. Da gab es Pilze und Beeren zum Essen. Auch über Vögel freuten sie sich und fingen sie in Fallen, aber nicht zur Freude sondern als Fleischration. Nach den teils schockierenden Erzählungen bedankten sich die Gäste dafür mit einem herzlichen Applaus.
Dann freuten sich alle wieder die laue Sommernacht zu genießen. Die Stimmung wurde wieder mit munteren Liedern des Chores aufgelockert. Besonders beim Lied "Kalinka“ wurde kräftig mit gesungen und geklatscht. Die zahlreichen Spezialitäten, die von Mina Egel und Olga Kriger mit Familie zubereitet worden waren, begeisterten die Gäste. Auch Wodka durfte nicht fehlen. Und so wurde unter spontanen Gesängen noch lange in die Nacht gefeiert und so manche Freundschaft besiegelt.
Die Ausstellung ist noch am 4. September und am 6.Oktober von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen.
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