Wolfenbüttel. Nach einer Reihe von Einstiegsvorträgen zum Thema Islam sowie über die Auswirkungen der Religion auf Kultur und Gesellschaft in islamisch geprägten Ländern kam die Interkulturelle Trainerin und Islamwissenschaftlerin Julia Nohn für einen Workshop ins Solferino des DRK-Kreisverbandes Wolfenbüttel e.V.. Das teilt das DRK mit.
Zwölf haupt- und ehrenamtlich aktive Frauen diskutierten unter Anleitung der Referentin über eigene Erfahrungen und Erlebnisse aus der Flüchtlingshilfe sowie die unterschiedlichen Selbstbilder von Frauen.
Für einige der Anwesenden war es ein Augenöffner: „Denn der Mann ist das Abbild Gottes und spiegelt die Herrlichkeit Gottes wider“, zitierte Nohn eine „Heilige Schrift“. Die Frau hingegen solle ein Zeichen der Unterordnung und zugleich der Bevollmächtigung auf dem Kopf tragen. Kein Koranzitat jedoch, sondern ein Auszug aus den Briefen des Apostel Paulus an die Korinther – ein Bibelzitat. Der Referentin ging es hier nicht um Bibelkritik, sondern um einen sensiblen Umgang mit religiösen Quellen im Allgemeinen. Denn allzu häufig werden Koranverse zitiert, um den Islam als solchen für die Diskriminierung von Frauen verantwortlich zu machen, so die Referentin. Der Koran und die Hadithe, die Überlieferungstexte des Propheten Mohammed, lassen jedoch eine Vielzahl von Interpretationen und Auslegungen zu. Es finden sich, je nach Rechtsschule und gesellschaftlichem Kontext, ganz unterschiedliche Aussagen über das korrekte Verhalten oder die angemessene Kleidung einer muslimischen Frau, erklärt Nohn.
Im Workshop ging es auch um die Selbst- und Fremdwahrnehmung muslimischer und nichtmuslimischer Frauen. „Unser eigenes Frauenbild ist jedoch ganz anders, als das Bild, das Muslime von europäischen Frauen haben“, berichtete Nohn. Auf beiden Seiten stehe Mitleid über die Unterdrückung und Erwartungen, die beiderseits auf Frauen laste – auch wenn diese es selbst nicht so empfinden. Als Beispiel sprach sie Kopftücher und alle anderen Arten der Verschleierung an, die in Europa häufig als Symbol der Unterdrückung gewertet werden. Nach den persönlichen Erfahrungen der Teilnehmerinnen sehen viele Muslime darin jedoch auch einen Schutz der Frauen und Ausdruck ihrer eigenen Überzeugung. „Problematisch wird es dann, wenn sich Frauen nur einem gesellschaftlichen Druck beugen“, gab Nohn zu bedenken.
Die Flüchtlings- und Migrationshilfe des DRK-Kreisverbandes Wolfenbüttel e.V. bietet seit 2016 Vorträge und Fortbildungen zur Verbesserung des Verständnisses zwischen Wolfenbüttelern und den Menschen, die als Schutzsuchende in den Landkreis gekommen sind, an. Neben dem Abbau von Sprachbarrieren umfasst dies insbesondere das gegenseitige Verständnis der Kulturen, gesellschaftlicher Rollenbilder und der Stellung der Religionen im Alltag. Julia Nohn, die im Rahmen ihres Studiums und späterer Forschung in islamischen Ländern gelebt, geforscht und gearbeitet hat, ist dabei regelmäßig als Dozentin für den DRK-Kreisverband tätig.
Im Rahmen ihrer interkulturellen Schulungen ist sie immer wieder auf das Thema der Geschlechterrollen, insbesondere der Rolle der Frau im Islam, gestoßen: „Selbst wenn ich versucht habe es zu ignorieren ‑ es taucht doch immer wieder auf und hat Einfluss auf weitreichende Aspekte des alltäglichen Lebens.“ Grund genug, dass der Austausch untereinander angeregt bis 20.30 Uhr lief und bereits Ideen für weitere Themenworkshops entstanden sind.
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