Empirie und Emotionen – Die Flüchtlingsdebatte einer Stadt

von Sina Rühland


| Foto: Sina Rühland



Wolfenbüttel. Offener Zugang zu Integrationskursen und dem Arbeitsmarkt, eine unbürokratische Gesundheitsversorgung, die Abschaffung der Residenzpflicht und die Novellierung oder Abschaffung der Dublin III-Verordnung. Sebastian Rose vom Flüchtlingsrat Niedersachsen brachte den Besuchern des Rathausgesprächs am Montagabend konkrete Forderungen zu den zu lösenden Flüchtlingsfragen mit. 

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Sebastian Rose vom Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. Foto: Sian Rühland



Der Flüchtlingsrat Niedersachsen sehe auch bei all den getätigten Verbesserungen in der Niedersächsischen Flüchtlingspolitik seit Beginn der amtierenden Landesregierung noch politischen Handlungsbedarf, so Referent Sebastian Rose. Der Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation folgte der Einladung des Wolfenbütteler Bürgermeisters Thomas Pink und fasste Zahlen und Fakten zum Thema “Flüchtlingspolitik – Rechtslage, Wirklichkeit und Willkommenskultur” zusammen. So führte Rose an, dass Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, gemessen an der Einwohnerzahl, vergleichsweise weniger flüchtende Menschen aufnehme. Im weltweiten Vergleich lägen Staaten um die Konfliktregionen vorne. "Ein Großteil der Flüchtlinge wird etwa in Pakistan oder dem Libanon aufgenommen", erklärte Rose. In bundesdeutschen Zahlen bedeutet das: in Deutschland gingen im Jahr 2014 170.000 Erstanträge für Asylgesuche ein. Im Vergleich dazu waren es 1992 während der Jugoslawienkriege 440.000 Gesuche. Der Landkreis Wolfenbüttel hat in den vergangenen drei Jahren 678 Menschen aufgenommen. Weltweit befinden sich mehr als 51 Millionen Menschen auf der Flucht.

Respekt und Verständnis


Der Zeitpunkt der Aufklärungsarbeit des Referenten war nicht zufällig ausgewählt. Derzeit beschäftigen sich sowohl Stadt als auch Bürger mit der nahenden Unterbringung geflüchteter Menschen. Bürgermeister Thomas Pink richtete einen Appell an die Bürger des Landkreises. In diesem Jahr könnten voraussichtlich bis zu 500 Asylsuchende in den Landkreis kommen; die Delegierten des Bauausschusses legten sich im vergangenen Monat auf ein Bauwerk aus Containern fest, das voraussichtlich am Okerstadion errichtet werden soll. Die Zahl der nach Wolfenbüttel kommenden Menschen liegt einem Schlüssel zugrunde, der je nach der Gesamtzahl an ankommenden Menschen auf die Länder beziehungsweise Kommunen verteilt wird. Um dieser zukünftigen Situation und den individuellen Geschichten der Menschen mit Respekt zu begegnen, appellierte Pink an das Mitgefühl der Bürger: "In den 1990er Jahren war ich Asylbeauftragter der Stadt und eines kann ich Ihnen sagen, wie damals soll es nicht werden. Die Menschen haben einen Grund, warum sie hierher kommen – und ich kann da keine Unterschiede machen, ob sie aus dem Kosovo, aus Syrien oder aus afrikanischen Staaten kommen." Er lasse Vorurteile nicht zu. Oft höre man, dass Menschen, die beispielsweise aus Rumänien flüchteten, keinen Grund zur Flucht hätten. "Ich rate Ihnen: schauen Sie sich die Dörfer in Rumänien mal an", so Pink. Er hoffe darauf, dass den Menschen, die in den Landkreis kämen, mit Respekt begegnet würde.

Wie soll es werden?


Der Referent Sebastian Rose brachte einen Katalog an Maßnahmen mit, die bei der Unterbringung von Asylsuchenden beachtet werden müssten. So gab er zu bedenken, dass geflüchtete Menschen einen schnelleren Weg zur Gesundheitsversorgung erhalten müssten. Bisher haben sich Asylsuchende über Bescheinigungen und Anträge, über Relevanz der akuten Erkrankungen, den Weg zu einem behandelnden Mediziner zu erkämpfen. Des Weiteren hat der Flüchtlingsrat Kriterien erarbeitet, die für die Unterbringungen wichtig seien. Eine Außenanlage, Freizeitmöglichkeiten und Raum für Privatsphäre etwa. Einige Flüchtlinge seien nach der Reise und dem Erlebten stark traumatisiert und könnten nicht auf zu engem Raum mit anderen zusammenleben. Eine Frage aus dem Zuhörerraum richtete sich an den ebenfalls anwesenden Stadtrat Thorsten Drahn. Wer solle die Kinder in den nötigen Sprachkursen unterrichten? "In der Grundschule Harztorwall wird eine Sprachförderklasse eingerichtet. Zwei dieser Klassen gibt es bereits an der Erich-Kästner-Hauptschule, doch die sind bei weitem überfüllt", so Drahn. Lehrer müssten vorab des speziellen Unterrichtes Fortbildungen absolvieren, doch, ob diese Fortbildungen mit den wöchentlichen Pflichtstunden in Einklang zu bringen seien, konnte auch der Stadtrat nicht beantworten.

Würden die Kinder geimpft, wer würde sich darum kümmern? Hätten die Menschen einen ausreichend privaten Zugang zu Küche und Sanitäranlagen? Was passiere mit ihnen nach den zirka sechs Monaten in der Container-Einrichtung? Wie lange müssten sie auf die Erstausstattung warten? Fragen, die an einem Abend nicht umfangreich geklärt werden konnten. Fragen, die sich die Bürger der Stadt stellen. Fragen, die die Stadtverwaltung auch nur mit den gesetzlichen Bestimmungen beantworten konnte.


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